Elmshorn . Immer mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) kommen in den Kreis Pinneberg. Die SPD fordert eine schnelle Strategie.

Die Zahl der Flüchtlinge, die in den Kreis Pinneberg kommen, steigt weiter an. 1600 Asylverfahren sind zurzeit anhängig, 600 mehr als Anfang des Jahres. 23 von ihnen sind Jugendliche, die unbegleitet hierhergekommen sind. Ihre Zahl schnellt rasant empor. 2013 war es nur einer, Mitte 2014 waren es zwei geflüchtete Minderjährige ohne Eltern, für die der Kreis somit die Amtsvormundschaft übernehmen musste, erklärt Frank Schütz vom Kreisjugendamt. Und dieses Jahr dann die Verdopplung von zwölf auf 23 bis Juli.

Für das nächste Jahr rechnet Schütz mit 80 bis 90 Jugendlichen, die ohne Eltern aus ihren krisengeschüttelten Heimatländern in den Kreis Pinneberg kommen werden. Denn von Januar 2016 an ändert sich die Rechtslage. Zurzeit ist das Kreisjugendamt für sie zuständig, wo sich die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF), wie sie offiziell genannt werden, zuerst melden oder aufgegriffen werden. Künftig werden auch sie wie die Erwachsenen quotal auf die Kreise verteilt, also etwa jeder zehnte in Schleswig-Holstein wird dann im bevölkerungsreichsten Kreis des Landes untergebracht werden müssen. „Dabei haben wir schon heute kaum noch Platz für sie“, sagt Schütz. Nach der Rechtslage dürfen diese Jugendlichen nicht abgeschoben werden.

„Wir müssen uns auf diese Situation vorbereiten“

Angesichts dieser Entwicklung sieht die SPD-Kreistagsfraktion dringenden Handlungsbedarf für die Politik. „Der Jugendhilfeausschuss wird dieses Thema unmittelbar nach der Sommerpause auf die Tagesordnung setzen“, kündigt SPD-Kreisfraktionschef Hannes Birke an. „Wir müssen uns auf diese Situation fachlich und politisch vorbereiten“, sagt er. Mit der Bereitstellung von Unterkünften und sozialpädagogischer Betreuung allein sei es nicht getan. „Es ist dringend geboten, für den Kreis Pinneberg eine Strategie zu entwickeln, wie wir mit diesen Jugendlichen umgehen sollen, die es nach langer und gefährlicher Flucht oder Eltern oder Familienangehörige bis nach Deutschland geschafft haben und auf eine neue Lebensperspektive hoffen.“

Die SPD-Fraktion im Kreis Pinneberg machte sich ein Bild von der Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Elmshorn
Die SPD-Fraktion im Kreis Pinneberg machte sich ein Bild von der Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Elmshorn © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Um sich einen Eindruck aus erster Hand zu verschaffen, hat die SPD die größte Einrichtung für UMF im Kreis besucht. Erst im April gegründet, betreut der Jugendhilfeträger Nexus in Elmshorn bereits zehn Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren aus Syrien, Afghanistan und Ägypten, die unbegleitet hierher gekommen sind. Ihr Leiter ist der Sozialarbeiter Hikmat Lodin, 33, der 1990 selbst mit acht Jahren mit zwei Schwestern ohne Eltern aus Afghanistan nach Deutschland gelangte. „Unsere erste Aufgabe ist es, diesen meist traumatisierten Jugendlichen Halt und Zuflucht zu geben, sodass sie sich wohl und sicher fühlen.“

Sportvereine helfen bei der Integration

Anders als bei inländischen Jugendlichen, die nur vorübergehend in einem Heim leben und möglichst schnell wieder in ihre Familien zurückgeführt werden sollten, müsse den geflüchteten Jugendlichen ein Ersatz-Zuhause geschaffen werden, erklärt Lodin. Das bedeute, dass sie fast eine Rundumbetreuung brauchten, die auch die Freizeitbeschäftigung, sämtliche Alltagsstrukturen und Wochenendausflüge beinhaltet. „Manche von ihnen sind überhaupt nicht sozialisiert“, sagt Lodin.

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Da sei es gut, dass er mit seinen fünf Kollegen jeden seiner Schützlinge in dessen Muttersprache ansprechen könne. In den Schulen und Kreisberufsschulen lernten sie zudem die ihnen fremde deutsche Sprache. Bei der Integration hülfen vor allem die Sportvereine, sagt der gebürtige Afghane. „Wir haben da nur tolle Erfahrungen gemacht. Die Vereine in Elmshorn haben die Jugendlichen alle herzlich aufgenommen.“ Da hätten die meisten bereits Freundschaften mit dem einen oder anderen einheimischen Jugendlichen geknüpft. „Dafür sind wir den Vereinen auch sehr dankbar.“ Dies sei das beste Rezept für eine rasche Integration in unsere Gesellschaft.

Da sei die Politik aber auch gefordert, diesen Jugendlichen „das Damoklesschwert zu nehmen, dass sie wieder abgeschoben würden, wenn sie volljährig sind“, fordert SPD-Kreischef Birke entsprechende gesetzliche Regelungen. Es sei menschlich nicht zu verantworten und angesichts des Fachkräftemangels auch ökonomisch unsinnig, diese dann gut ausgebildeten Jugendlichen als Erwachsene wieder abzuschieben.

Hikmat Lodin ist da ein gutes Beispiel. Er kümmert sich als Sozialarbeiter bereits seit 2008 um jugendliche Flüchtlinge, erst in Offenbach, heute in Elmshorn. Seine Schwestern arbeiteten als Sozialpädagogin und Bauingenieurin beim Kreis. „Eigentlich sollte ich auch Bauingenieur werden“, verrät Lodin. Nun baut er Verständnisbrücken zwischen den Kulturen in unserer Gesellschaft.