Pinneberg. Holger Meyer, 65, hätte gern noch drei Jahre an seiner Schule in Thesdorf gearbeitet, doch das Ministerium lehnte sein Angebot ab.
Er lacht viel und ansteckend. Ist immer in Bewegung. Und kann reden wie der sprichwörtliche Wasserfall. Geht’s um Energie und Lebensfreude hat Holger Meyer manch jüngerem Kollegen einiges voraus. Und tatsächlich hätte der langjährige Rektor der Grundschule in Pinnebergs Stadtteil Thesdorf gern noch ein bisschen weitergemacht. Daraus macht der 65-Jährige kein Geheimnis. Eine Anfrage bei zuständigen Bildungsministerium sei jedoch ins Leere gelaufen. „Der Referent hat mit mitgeteilt, dass es keine Chance für mich gibt.“
Die Absage aus Kiel – für den Schulleiter kein Grund, künftig Däumchen zu drehen. „Ich fühle mich fit, werde auf jeden Fall weiterarbeiten.“ Dann eben für einen Bildungsträger jenseits des Beamtentums. Als Coach. Wohl im Bereich der beruflichen Wiedereingliederung.
Meyer bereut keine Sekunde
Mehr als 25 Jahre an der Spitze einer Grundschule – Holger Meyer bereut keine Sekunde. Nach 13 Jahren als Pauker an einer Hauptschule in Quickborn und zwei weiteren in Barmstedt sei er gefragt worden, ob er sich den Job in Thesdorf vorstellen könne. Als „gelernter Hippie“ habe er seinerzeit erstmal überlegt, ob er so viel Verantwortung übernehmen wolle. Letztlich sagte er zu. „Ich hätte mich sonst irgendwie feige gefühlt.“ Der Amtsantritt im Jahr 1989 – ein Nachhausekommen. Meyer ist gebürtiger Pinneberger, besuchte selbst die Rübekampschule und das Johannes-Brahms-Gymnasium.
Was sich in annähernd 40 Jahren im Bildungsbetrieb geändert hat? Holger Meyer muss nicht lange überlegen: „Den Schulen wird immer mehr abgefordert“, sagt er. Und das nicht nur, weil in Thesdorf wie andernorts auf das Prinzip Ganztag gesetzt wird. „Ich habe den Eindruck, Eltern sind immer häufiger mit der Erziehung überfordert.“ Als einen Grund für diese Entwicklung macht der 65-Jährige, der als junger Mann fast beim Fernsehen gelandet wäre, wo er zeitweise jobbte, einen tiefgreifenden Wandel bei den Lebensbedingungen aus. Nicht zuletzt die massive Reizüberflutung durch Medien sei Schuld. „Mehr als 50 Prozent unserer Kinder im Grundschulalter haben bereits einen Fernseher und einen Computer in ihrem Zimmer stehen.“
Freizeit der Schüler zu sehr durchgeplant
Geht es um die Nutzung von Smartphones, hätten die Lehrer längst keinen Überblick mehr. Meyer erkennt angesichts der wachsenden „Handymanie“ ein „übermäßiges Sicherheitsbedürfnis“ bei vielen Eltern. Einfach mal raus gehen, Freunde treffen, wie früher auf der Straße spielen – dergleichen sei durchgeplanter Freizeit gewichen. „Ganz seltsam“, nennt der Pädagoge dieses Phänomen. Er spricht von zunehmenden Auffälligkeiten bei Kindern. Und freut sich, dass der Grundschule in Thesdorf seit einigen Jahren eine Schulsozialarbeiterin zur Verfügung steht, die einspringen kann, wenn es Probleme gibt.
Für Holger Meyer steht ohne Frage fest, dass Lehrer an Grundschulen echte Allround-Talente sein müssen. Dass sie erheblich schlechter bezahlt werden, als ihre in der Sekundarstufe beschäftigten Kollegen, will er nicht verstehen. Das sei schlicht ungerecht: „Hier werden unheimlich viele Kompetenzen abgefordert, die Pädagogen leisten außergewöhnliches.“
Apropos Allround-Talent. So darf sich der 65-Jährige zweifellos auch nennen. Schließlich verfolgt er seit vielen Jahren eine Karriere als Musiker. Als Kopf der Band „LSE“ hat Meyer manches Stadtfest im Kreisgebiet bereichert. Auch in diesem Jahr tritt er wieder beim Pinneberger Summerjazz-Festival auf. Der Koffer mit seiner akustischen Gitarre liegt stets in der Ecke seines Büros. Holger Meyer öffnet den Verschluss, nimmt sich die „Klampfe“ – und schreitet Richtung Schulhof. Mit verwunderten Blicken muss der singende Rektor nicht rechnen. Wenn er seine Schützlinge nach absolvierter Grundschulzeit verabschiedet, gibt’s stets ein Ständchen von ihm zu hören. Gern mal ein Stück von Rolf Zuckowski. „Das kommt immer an“, sagt Holger Meyer. Und lacht. Ansteckend. Wie so oft.