Pinneberg. Pädagogen sollen ab September für das Abstellen ihrer Fahrzeuge bezahlen. Schulleiter kündigen Rathaus die Zusammenarbeit auf.

Die Kreisstadt Pinneberg erlebt einen Eklat: Schulleiter proben den Aufstand und kündigen dem Rathaus die Zusammenarbeit auf. Kritisiert wird eine katastrophale Informationspolitik im Zusammenhang mit der Ausweisung von kostenpflichtigen Lehrerparkplätzen. Uta Holst-Timm, Rektorin der Johann-Comenius-Schule ist von ihrem Amt als Sprecherin der Schulleiter zurückgetreten. Auslöser war ein Bericht des Hamburger Abendblatts, aus dem hervorgeht, dass Pädagogen in Pinneberg schon ab September für das Abstellen ihrer Fahrzeuge zahlen sollen. Dergleichen aus der Presse zu erfahren, sei unmöglich. Nach den Querelen um verschleppte Sanierungen an den Schulen der Kreisstadt sei „das Fass nun endgültig übergelaufen“, so Holst-Timm.

Anlass der offenen Konfrontation zwischen Rektoren und Stadt bietet eine Mitteilung von Bürgermeisterin Urte Steinberg für die Mitglieder des Haupausschusses. Aus deren Anhang, der Stadtverordnung über Parkgebühren auf öffentlichen Verkehrsflächen in Pinneberg, geht hervor, dass für Schulparkplätze ab 1. September 2015 eine Gebühr von 50 Cent pro angefangener halber Stunde aufgerufen werden soll. Tagestickets kosten zwei Euro.

Eine Woche zuvor seien die Pläne für kostenpflichtige Stellplätze gegenüber den Pinneberger Schulleitern als „nicht spruchreif“ bezeichnet worden, so Holst-Timm in einer gepfefferten E-Mail, die sie am Donnerstagnachmittag an Dieter Tietz (SPD), den Vorsitzenden des Hauptausschusses, abschickte. Kulturamtschefin Traudchen Perrefort habe kurz zuvor auf Nachfrage nicht einmal den Wortlaut der für den Abend eingebrachten Verwaltungsvorlage gekannt, so Holst-Timm. Der Bürgermeisterin werde sie mitteilen, dass sie als Sprecherin der Schulleiter und Verbindungsperson zur Verwaltung nicht mehr zur Verfügung stehe. Drei Stunden nach der E-Mail sitzt Holst-Timm im Zuschauerraum des Rathaussitzungstrakts. Zu Wort kommt sie nicht.

Mangelnde Wertschätzung gegenüber den Schulen

Bürgermeisterin Urte Steinberg zieht ihre Verwaltungsvorlage zurück. Holst-Timm verlässt daraufhin sofort den Saal. Mit Thomas Gerdes hat sie den Rektor der Pinneberger Grund- und Gemeinschaftsschule im Schlepptau. Auch Andrea Hansen, Leiterin der Helene-Lange-Schule, unterstützt ihre Kollegin. Im Foyer des Rathauses fallen deutliche Worte: „Ich habe keine Lust mehr“, sagt Holst-Timm. Sie werde künftig darauf verzichten, zu Konferenzen mit der Stadtverwaltung einzuladen. „Das hat doch mit vernünftiger Kommunikation nichts mehr zu tun.“ Dass die Leiterin der Thesdorfer Comenius-Schule mit ihrer Wut nicht allein steht, dokumentiert Thomas Gerdes, der von mangelnder Wertschätzung gegenüber den Schulen in Pinneberg spricht. „Ich bin emotional aufgeladen und werde mir gut überlegen, ob ich in dieser Stadt weiterhin als Schulleiter arbeiten will.“

Die Idee, Lehrer fürs Parken zur Kasse zu bitten, ist keineswegs neu. Als das hoch verschuldete Pinneberg unter den finanzpolitischen Rettungsschirm des Landes geschlüpft ist, um Millionen Euro „Stütze“ abzugreifen, hat sich die Stadt verpflichtet, Einnahmepotenziale auszuschöpfen. Seitdem wird kontrovers diskutiert. Vor allem, weil Pinnebergs Schulen ohnehin schon unter dem Mangel an gut ausgebildeten Pädagogen leiden – und einen Standortnachteil gegenüber anderen Kommunen befürchten.

Hansen befürchtet Abwanderung der Kollegen

Im Kreis Pinneberg gebe es keine Kommune, die Lehrer abkassiere, so Hansen. Sie arbeite derzeit mit Aushilfskräften, die für wenig Geld den Betrieb an der Grundschule aufrecht erhielten. „Unsere Lehrer bringen Material und Einrichtungsgegenstände mit, um die Stadt zu entlasten.“ Zudem treffe die Erhebung von Parkgebühren auch Eltern, die sich in der Mensa, in Schulbüchereien und als Mentoren engagierten. Schlecht bezahlte Schulbegleiter, die sich um Kinder mit Lerndefiziten kümmerten, seien ebenfalls gekniffen. „Ich befürchte eine Abwanderung der Kollegen“, sagt Hansen. Auch Referendare, deren Nettoeinkommen bei gerade mal 900 Euro netto im Monat liege, würden sich womöglich andere Schulen suchen. „Ich werde mein Engagement auf ein Mindestmaß zurückfahren und hier in Zukunft nicht mehr den Notnagel spielen“, ergänzt Gerdes. Hausmeistertätigkeiten, die der Stadt obliegen, werde er nicht mehr übernehmen.

SPD-Sprecher Herbert Hoffmann bezeichnet das Vorgehen der Stadtverwaltung als „äußerst unglücklich“. CDU-Fraktionschef Andreas Meyer: „Wir hatten eingefordert, dass die Schulen detailliert informiert werden, bevor das Thema wieder auf den Tisch kommt, das ist nicht geschehen.“ Alle Beteiligten sollten sich zusammensetzen. Die offenkundigen Probleme im Rathaus strengten ihn an: „Ich bin echt langsam müde.“ Bürgermeisterin Urte Steinberg: „Die Kommunikation ist nicht wie geplant gelaufen.“ Sie habe gegenüber Holst-Timm ihr Bedauern zum Ausdruck gebracht. Alle Pinneberger Schulleiter werde eine E-Mail erreichen, in der sie Stellung beziehe. „Ich werde Frau Holst-Timm bitten, ihren Rücktritt zu überdenken.“

Reichlich Probleme an Pinnebergs Schulen

Die Pinneberger Schullandschaft Die Pinneberger Schullandschaft kommt nicht zur Ruhe. Für Schlagzeilen sorgt seit 2013 der mutmaßliche Baupfusch am Theodor-Heuss-Gymnasium. Aktuell wird kontrovers über ein Gutachten diskutiert, dass Mängel bei der Sanierung der Schule aufdecken sollte. Im Frühjahr hatte ein kurzfristig verhängter Investitionsstopp den Ausbau der Mensa am Johannes-Brahms-Gymnasium verzögert – massiver Protest der Eltern war die Folge. Insgesamt steckt die Stadt gewaltig in der Finanzklemme: Einem umfassenden Schulsanierungsplan zu Folge müssen in den kommenden Jahren mehr als 35 Millionen Euro in die Hand genommen werden, um die Bildungseinrichtungen fit für die Zukunft zu machen. Zugleich muss das unter den finanzpolitischen Rettungsschirm des Landes geschlüpfte Pinneberg beim Land um jede Kreditgenehmigung betteln. and

1/1