Wedel. Anwohnern reicht’s: Sie gehen juristisch gegen laute Schiffsentladungen am Kraftwerk vor. Betreiber Vattenfall bestreitet die Vorwürfe.

Es gibt Tage, da ist es idyllisch und still in der Wedeler Wohnsiedlung am Hellgrund. Da hört man nur das Rauschen der Bäume oder höchstens einmal den Helgoland-Katamaran, der über die nahegelegene Elbe brummt. Und dann gibt es diese anderen Tage, wenn die Kohlefrachter kommen und an der Kaianlage des benachbarten Kraftwerks entladen wird. Dann kracht’s anscheinend so gewaltig, dass es die Anwohner aus den Betten holt. Am 26. Juni um 5.43 Uhr, am 28. Juni um 5.37 Uhr und am Tag darauf um 5.31 Uhr: So haben es Elisabeth Schnier und ihr Mann protokolliert. Auch andere Anwohner wie Rolf Schmersahl und Kerstin Lueckow bestätigen die lärmenden Frühschichten, berichten von Nachmittagen, an denen ans Draußensitzen nicht zu denken ist, die Fenster geschlossen bleiben müssen und von Lärm bis in die späten Abendstunden.

Lärm nach 22 Uhr? Krach, der die Anwohner terrorisiert? Kraftwerks-Betreiber Vattenfall streitet die Vorwürfe ab. Man halte sich an die zugelassenen Entladezeiten von 6 bis 22 Uhr. „Früher wird nicht entladen“, sagt Vattenfallsprecherin Karen Kristina Hillmer. Auch nach 22 Uhr nicht, da ließe man das Schiff lieber einen oder zwei Tage länger am Kai liegen. Die Vorwürfe der Nachbarn kann sie nicht nachvollziehen. „Ich kann mir nicht erklären, woher dieser Lärm kommen soll.“

Die Wedeler Anwohner sind es gewohnt, dass sie mit ihren Problemen beim großen Nachbarn nicht unbedingt Gehör finden. Sie versuchen sich dann bei der örtlichen Polizei über den unzumutbaren Lärm zu beschweren. Die verweisen aufs Wedeler Ordnungsamt – das wiederum an die zuständige Aufsichtsbehörde, das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) in Flintbek verweist.

Ergebnis einer Lärmmessung durch den TÜV steht noch aus

„Wir stehen im regen Kontakt mit den Anwohnern. Uns sind die Vorwürfe bekannt. Wir können sie derzeit aber nicht nachprüfen“, so LLUR-Pressesprecher Martin Schmidt. Derzeit würden in Wedel keine Kohleschiffe erwartet. Aus Sicht der Aufsichtsbehörde sei in Wedel bereits viel passiert. „Es war mal viel zu laut. Aber sowohl in der Nacht als auch am Tag ist es ruhiger geworden. Das ist doch ein Erfolg“, so Schmidt, wobei er darauf verweist, dass ein Ergebnis einer Lärmmessung im Mai durch den TÜV noch ausstehe.

Bei Vattenfall scheint man mehr zu wissen. Denn Pressesprecherin Hillmer erklärt: „Die geforderten Lärmschutzmaßnahmen bei den Schiffsentladungen wurden umgesetzt. Messungen haben bestätigt, dass sie greifen.“ Den Klagen über den Kraftwerks-Krach hält sie entgegen: „Es kann also von unserer Seite zu keiner Lärmbelästigung mehr kommen.“

„Man fühlt sich einfach nicht ernstgenommen“, sagt Lueckow. Ihr reicht es. Sie gehört zu den Dreien, die stellvertretend für die Nachbarschaft beim Oberverwaltungsgericht Klage einreichen wollen. Sie wollen sich gegen die vom LLUR verhängte rechtliche Anordnung wehren. Dabei sollte diese Betreiber Vattenfall zwingen, den Lärm am Tag zu mindern. „Hätte das funktioniert, würden wir auch Ruhe geben“, sagt Lueckow. Aber die Schiffsentladungen seien lauten denn je. Mit der Klage wollen sie auf regelmäßigere Kontrollen und Lärmmessungen sowie niedrigere Grenzwerte drängen.

Mit juristischen Auseinanderandersetzungen kennt sich Lueckow aus, die Teil der Bürgerinitiative (BI) „Stopp! Kein Mega-Kraftwerk in Wedel“ ist. Unter anderem wehren sich die Anwohner gegen das geplante neue Gaskraftwerk, das aus ihrer Sicht überdimensioniert ist. Die Klage richtet sich gegen den dafür aufgestellten neuen Bebauungsplan. Kürzlich reichte die Klägergemeinschaft umfangreiche Unterlagen zur Klagebegründung ein.

Zudem wehren sich die Anwohner juristisch gegen den Lärm, den der alte Kohlemeiler des Nachts verursacht und der die Nachbarschaft um den Schlaf bringt. In diesem Punkt konnten die wehrhaften Anwohner nach zwei Jahren Ärger nun einen Erfolg für sich verbuchen. „Es ist nachts viel leiser geworden“, berichtet Lueckow.

Auf 77.00 Euro beziffert sie die bisher entstandenen Anwaltskosten. Auch die nunmehr dritte Klage wird weiteres Geld verschlingen. Aber die Anwohner wissen sich nicht anders zu helfen. Finanziert werden die juristischen Ausseinandersetzungen durch Spenden. Zudem organisiert die BI auch Aktionen wie einen Flohmarktverkauf.

Einen kleinen Lichtblick gibt’s. LLUR-Sprecher Schmidt verspricht für September unangekündigte Lärmmessungen an. Aufgrund von umfangreichen Kaisanierungen gebe bis dahin keine Schiffsentladung mehr.