Kreis Pinneberg. Nach entsorgten Grabmälern hagelt es Kritik für Uetersens Bürgermeisterin Andrea Hansen. Landesweit ist Zahl der Kulturgüter gesunken.

„Kein Anflug von echter Betroffenheit, von Schamgefühl oder Verantwortungsbewusstsein. Nichts! Eine schlichte Schuldzuweisung an das eigene Personal. Und dann: Abwischen und weitermachen. So geht das nicht.“ In Uetersen schlagen die Wellen derzeit hoch. Grund für die verbale Abrechnung vom Ersten Stadtrat Andreas Faust (CDU) mit Bürgermeisterin Andrea Hansen (SPD) sind Grabsteine. Geschätzte 100 dieser Steine sind aus dem denkmalgeschützten Cäcilie-Bleeker-Park in Uetersen nach einer Pflegeaktion durch den städtischen Bauhof verschwunden und unwiderruflich zerstört worden. In der Ratssitzung am Montag hagelte es deshalb viel Kritik für Hansen als verantwortliche Verwaltungschefin.

„Schockiert“ zeigte sich Thorsten Berndt, Fraktionssprecher von Bündnis 90/Die Grünen. „So kann man mit dem Bleekerpark nicht umgehen“, urteilte der BfB-Fraktionsvorsitzende Hans-Dieter Witt. „Betroffen“ zeigte sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Ingo Struve. Es gebe unter den Uetersenern ganz unterschiedliche Befindlichkeiten, je nachdem welches Verhältnis sie zu dem Park hätten. Kritisch setzten sich der Genossen mit den Äußerungen aus den Reihen der CDU-Fraktion auseinander: „So geht man nicht mit Menschen um.“

Während in Uetersen die Entsorgung von Grabsteinen, die bis zu 600 Jahre alt waren, Wellen schlägt, verschwinden sie andernorts leiser. Das zeigt eine erste Zwischenbilanz der Inventarisierung durch das Kieler Kulturministerium. Aufgrund des geänderten Denkmalschutzgesetzes in Schleswig-Holstein werden seit Ende 2014 die bislang als einfache Kulturdenkmale im Land eingestuften Objekte begutachtet und neu bewertet. Laut dem Kulturministerium wurden bislang etwas mehr als ein Drittel der rund 16.000 betroffenen Kulturdenkmäler im Land erfasst. Mit erschreckendem Ergebnis. Von 5800 einstigen Denkmälern werden nur 2800 in die neue Liste aufgenommen. Die restlichen existierten nicht mehr oder wurden so stark verändert, dass sie nicht mehr den neuen Kriterien genügen.

Im Kreis Pinneberg gibt es rund 1680 Denkmäler. Darunter sind zum Beispiel die Rellinger Kirche, der Wedeler Roland, das Bademeisterhaus in Elmshorn, die Helgoländer Uferpromenade und die Ziegelei in Seester. Etwa 1100 von ihnen wie die Kreis-Jugendbildungsstätte in Barmstedt gelten als einfache Kulturdenkmäler und stehen auf dem Prüfstand. Kreissprecher Oliver Carstens konnte am Dienstag nicht sagen, wie viele im Kreis Pinneberg bislang geprüft wurden und welche nicht. Dabei greift das Gesetz seit Anfang des Jahres.

„Es ist sehr unglücklich, dass die dazu notwendige Prüfung durch das Landesdenkmalamt noch nicht abgeschlossen ist“, so Carstens. Das wird sich laut Kulturministerium auch vorerst nicht ändern. Dort geht man davon aus, dass die großangelegte Inventarisierungsaktion nicht bis Ende des Jahres abgeschlossen werden kann.

Klar ist, dass die Prüfung des Cäcilie-Bleeker-Parks in Uetersen samt den Grabsteinen noch ausstand. Zum Glück für die Stadt Uetersen. „Es wird kein Bußgeldverfahren geben, weil ein Tatbestand fehlt“, so Carstens. Denn zum Zeitpunkt der Entsorgung der Grabsteine griff das neue Denkmalschutzgesetz bereits, für den Park war der Schutzstatus aber noch nicht geklärt. Diese Prüfung soll nun schnellstmöglich nachgeholt werden, obwohl die Steine weg sind. Ein Ortstermin für eine Bestandsaufnahme des Verbliebenen mit dem Landesamt für Denkmalpflege in Kiel und der Denkmalschutzabteilung des Kreises Pinneberg ist geplant. Ein Termin steht allerdings noch nicht fest. Bei dem Ortstermin werden auch die Uetersener Kommunalpolitiker dabei sein. Diese stimmten geschlossen am Montagabend für einen Antrag der CDU, der diese Forderung enthielt. Fraktionschef Andreas Stief hatte ihn zusammen mit einem umfangreichen Fragenkatalog eingebracht.

Denn knapp vier Wochen nach der Entsorgung der etwa 100 Grabsteine in Uetersen gibt es noch viel Klärungsbedarf. Um wie viele Grabsteine handelte es sich genau? Was ging verloren? Wie konnte diese Bauhof-Aktion genehmigt werden? Die dürftige Informationslage stieß bei den Uetersener Ratsmitgliedern auf wenig Verständnis. „Machen Sie das mit Absicht oder haben Sie wirklich keine Ahnung, was in ihrem Haus passiert?“, provozierte Christdemokrat Faust. Bürgermeisterin Andrea Hansen verwies dagegen auf Gespräche, die sie noch führen und deren Ergebnis sie abwarten wolle. „Zwei Mitarbeiter sind zurzeit im Urlaub“, sagte Hansen auf Abendblatt-Nachfrage am Dienstag, und „sie sind die entscheidenden.“ Die Politik setzte ihre eine Frist zur Aufklärung bis zum 15. Juli.