Pinneberg. 80 Pädagogen, Politiker und Verwaltungsbeamte diskutierten bei Konferenz in Pinneberg über künftige Herausforderungen.

Filzstifte quietschen. Die Tische im Pinneberger Ratssaal füllen sich mit Stichwörtern. Manch Kind träumt davon, einfach mal Möbel zu bemalen. Die 80 Teilnehmer einer Regionalkonferenz zum Thema Jugendarbeit dürfen es am Montagabend. Es geht um die Frage, welchen Mehrwert die ausschließlich von den Kommunen finanzierten Sozialpädagogen in den Jugendzentren den Städten und Gemeinden bescheren. Welche Herausforderungen auf Fachkräfte warten.

Mit Professor Peter-Ulrich Wendt ist ein Politologe und Ex-Journalist vor Ort, der dringend empfiehlt, auf offene Arbeit zu setzen – sprich dem Nachwuchs die Möglichkeit zu geben, in Jugendzentren Freiräume und Gesprächspartner zu finden. Sonst drohe bei jungen Menschen ein Verlust an Identifikation mit der Heimat. Und die Abwanderung, wie sich jetzt schon bei den 19 bis 24-Jährigen zeige. Auch in Pinneberg. Wendt spricht von „einer bedenklichen demografischen Entwicklung“, der es mittels fundierter Sozialarbeit zu begegnen gelte.

Nur eine von vier Etappen

Die Regionalkonferenz in Pinneberg ist nur eine von vier Etappen. Abgedeckt wird eine Region, die sich von der Hamburger Stadtgrenze bis nach Dithmarschen erstreckt. Organisiert wird die Veranstaltungsreihe, die Anfang Juni in Schwarzenbek gestartet war, vom Netzwerk der Offenen Kinder- und Jugendarbeit Schleswig-Holstein. Weitere Konferenzen sind im Herbst in Schleswig sowie Ende Jahres in Kiel geplant. Gefördert wird das Projekt vom Schleswig-holsteinischen Sozialministerium.

Eingeladen sind nicht nur in den Kommunen beschäftigte Fachkräfte. „Es geht uns vielmehr darum, Politiker und Verwaltungen einzubinden und gemeinsam zu erarbeiten, was es braucht, damit offene Jugendarbeit gelingt", sagt Kreisjugendpfleger Karsten Hamdorf. Auch er lauscht gespannt den Worten der Kieler Professorin Melanie Groß, die ein Bild von Kindern und Jugendlichen zeichnet, die zunehmend in einem Spannungsfeld aus Kommerz, Zukunftsangst und multimedialer Überforderung gefangen sind.

Hinzu käme das Problem wachsender Armut, von der aktuell 19,2 Prozent der Kinder und Jugendlichen betroffen seien. Offene Jugendarbeit sei wichtiger Baustein, dem ebenfalls wachsenden Leistungsdruck zu begegnen: „Kinder benötigen dringend Orte, an denen sie nicht bewertet werden“, so Groß.

„Der gewählte Weg ist schwierig.“

In der Stadt Pinneberg werden Schulsozialarbeit und offene Betreuung derzeit in einem Verbund vernetzt. Nicht zuletzt, weil so Fördergelder abgegriffen werden können. Die Stadt macht also aus der Not eine Tugend, wenn sie ihre Jugendpfleger vormittags an die Schulen schickt. Für den Experten Wendt ein zumindest fragwürdiges Vorgehen: „Der in Pinneberg gewählte Weg ist schwierig.“ Jugendarbeit und Schule – für den Politologen geht das nicht zusammen. Im ersten Fall gehe es um Wissens-, im zweiten um Kompetenzvermittlung.

Jens Schmidt, der den Verbund für Schulsozial- und Jugendarbeit in der Kreisstadt leitet, macht kein Geheimnis daraus, dass die Stadt mit dem Konstrukt auf „schwierige Rahmenbedingungen“ reagiert. Die Voraussetzungen seien angesichts knapper Kassen denkbar schwierig. Offene Kinder- und Jugendarbeit würde noch immer als freiwillige Leistung der Kommunen bezeichnet: „Das ist im Grunde eine Zumutung.“ Aktuell könne nicht einmal gewährleistet werden, das die benötigten zwei Betreuer in allen Jugendtreffs präsent seien.

Zurück an die Thementische, an denen Pädagogen, Politiker und Verwaltungsbeamte Ideen sammeln. Dort ist die Rede von selbstbestimmten Räumen, die für Kinder und Jugendliche erhalten und geschaffen werden müssten. Von der Finanzierung, die auch künftig sichergestellt werden müsse. Von Investitionen, der Umnutzung und Revitalisierung alter Gebäude. Saim Cetinkaya beobachtet das Geschehen. Der Sozialpädagoge leitet seit mehr als einem Jahrzehnt das Jugendzentrum „Komet“ im Stadtteil Thesdorf. In einem ehemaligen sozialen Brennpunkt betreut er Kinder und Jugendliche – ein einem Container-Provisorium. Im Winter, wenn das großzügige Außengelände nur bedingt zu nutzen ist, platzen die Räume aus allen Nähten. Eine Enge, die Worte der Kieler Professorin Groß offenkundig konterkariert. Sie spricht von dringend benötigten Freiräumen, auf die Jugendliche ein Anrecht hätten. Und von wichtiger Beziehungsarbeit, die Sozialpädagogen Tag für Tag leisteten.