Pinneberg . Vertreter der Heuss-Schule sprechen 30.000 Euro-Expertise zum Bauskandal die Relevanz ab. Sie sprechen von Auflistung ohne Analyse.

29 Seiten Papier. Ellenlange Anhänge mit Zahlenkolonnen. Das Gutachten, mit dem der mutmaßliche Bauskandal an Pinnebergs Theodor-Heuss-Gymnasium aufgearbeitet werden soll, sorgt für erhitzte Diskussionen. Jetzt äußern sich die unmittelbar Betroffenen. Aus Reihen des Elternbeirats der Heuss-Schule wird massive Kritik laut. Die für 30.000 Euro eingekaufte Expertise sei das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sei. „Das ist nicht mehr als eine teure Chronologie, eine Auflistung ohne vernünftige Analyse, ohne Beurteilung“, sagt Frauke Runden, die sich seit Jahren für eine konsequente Sanierung des Gymnasiums einsetzt. Weder inhaltlich noch sprachlich werde die Abhandlung den Anforderungen, die an ein Gutachten gestellt werden müssten, gerecht.

Elternbeirätin Ulrike Graefen hat die am vergangenen Wochenende veröffentlichte Expertise bereits durchgearbeitet. Auch sie findet deutliche Worte: „Dieses Gutachten ist nicht relevant.“ Zwar gehe daraus hervor, dass bei der Sanierung der Theodor-Heuss-Schule offenkundig schlampig gearbeitet worden sei, es würden hingegen keine Verantwortlichen benannt. „Es ist ja nett gemeint, städtische Mitarbeiter in Schutz nehmen zu wollen, zielführend ist es nicht“, so Graefen. Auch in Rathäusern gebe es Vorgesetzte, die zur Rechenschaft gezogen werden müssten, wenn Geld versenkt werde.

Wie aus dem Kubus-Gutachten hervorgeht, ist der Stadt voraussichtlich ein Schaden von 30.000 Euro entstanden, weil ein Teil der Fassade abgebrochen und anschließend wegen Finanz- und Personalnot nicht erneuert wurde. Dem zuständigen städtischen Architekten sei das nicht anzulasten, so die Experten. Er sei in entscheidenden Momenten allein gelassen und mit immer mehr Aufgaben belastet worden. Die Entscheidung, die Baustelle Fassade zu eröffnen, sei auf höchster Verwaltungsebene im Beisein der damaligen Bürgermeisterin und heutigen schleswig-holsteinischen Sozialministerin Kristin Alheit, SPD, sowie der Fachbereichsleitung im Bauamt gefallen. Und zwar, um ein Zeichen zu setzen, dass die Sanierung voranschreite. Die Gutachter sprechen von „enormem öffentlichem Druck“, unter dem die Verwaltung seinerzeit gestanden habe.

Auch Schulleiter Matthias Beimel, der seit Jahren immer wieder über katastrophale Lernbedingungen klagt, wundert sich über das Gutachten des Schweriner Büros Kubus. „Vor allem, weil die seelische Komponente darin völlig ausgeblendet wird“, sagt der Pädagoge. Der Tatsache, dass Pinneberger Schüler seit Jahren auf einer Baustelle unterrichtet würden, Lehrer mit Staub, Lärm und sogar gesundheitlichen Belastungen zu kämpfen hätten, widme sich der Gutachter nicht. Auf die Frage, wie intensiv die Zusammenarbeit des beauftragten Büros mit der Schule gewesen sei, hat Beimel eine eindeutige Antwort: „Der Gutachter hat ein einziges Gespräch mit mir geführt.“ Zuvor habe es Kontakt zum Hausmeister des Gymnasiums gegeben.

Beimel kann derzeit nicht mal vorhersagen, wann die bereits im Jahr 2006 begonnene Sanierung seiner Schule abgeschlossen sein wird. „Ich gehe davon aus, dass das noch mindestens vier Jahre dauern wird“, so der Direktor. Der Innenhof, der in den Pausen eigentlich den Schülern als Rückzugsort gehören sollte, aktuell aber als Lagerplatz für Baumaterial dient, werde voraussichtlich erst im Frühjahr 2016 fertiggestellt. Auch der Oberstufentrakt müsse dringend modernisiert werden. Beimel gibt sich keinen Illusionen hin: Angesichts der katastrophalen Haushaltslage sei damit zu rechnen, dass geplante Arbeiten auch in Zukunft immer wieder verschoben würden. „Es fehlt in dieser Stadt am Willen, eine klare Priorität auf die Schulen zu setzen“, sagt Runden. Die Politik übe gern medienwirksame Kritik an der Bauverwaltung, sei jedoch an der Verschiebung von Baumaßnahmen beteiligt. „Das durchschauen wir.“

An der Theodor-Heuss-Schule ist jetzt geplant, zeitnah eine Schulkonferenz einzuberufen. „Wir werden gemeinsam eine Stellungnahme erarbeiten“, so Graefen. Die Politik berät erstmals am Dienstag, 23. Juni, über das Gutachten des Büros Kubus – und zwar öffentlich. Dann tagt von 18.30 Uhr an der Umweltausschuss im Rockville-Zimmer des Pinneberger Rathauses an der Bismarckstraße. SPD und CDU haben bereits angekündigt, die Expertise kritisch zu hinterfragen.