Kummerfeld. Uwe Langrock vom Nabu Pinneberg fürchtet umempfindliches Ökosystem im Kummerfelder Gehege. Ruheforst könnte dies beeinträchtigen.

Immer mehr Menschen wünschen sich ein individuelles Begräbnis. Eine Erdbestattung kommt für viele nicht mehr infrage. In Kummerfeld planen die Schleswig-Holsteinischen Landesforsten in Zusammenarbeit mit der hiesigen Kirchengemeinde deshalb den Trend aufzugreifen und im Kummerfelder Gehege einen Ruheforst zu schaffen. Kürzlich gaben auch die Gemeindevertreter grünes Licht für die dafür nötige Umwandlung des Flächennutzungsplans, der ein 80 Hektar großes Gelände umfasst.

Für Uwe Langrock, Vorsitzender des Nabu in Pinneberg, ist dieser Eingriff in die Natur undenkbar. „Der Talraum der Bilsbek zieht sich vom Quellgebiet am Himmelmoor bis zu seinem Mündungsgebiet in Prisdorf als ein großräumig zusammenhängendes, vielfach intaktes Biotop-Verbundsystem hin“, sagt er. Das dazugehörige Kummerfelder Gehege bilde einen ungewöhnlich artenreichen Schwerpunkt in einem Schutzgebiet mit seltenen Arten. Das liege unter anderem an der bislang vorbildlichen naturnahen Bewirtschaftung. „Die Forstbehörde lässt Totholz seit Jahrzehnten liegen, sorgt mit ihren Eingriffen für ein gutes hierarchisches System mit einer gesunden Kronen-, Stamm-, Strauch-, Kraut- und Pilz- sowie Moosschicht“, sagt Langrock.

Schatzkammer für besondere Pilzraritäten

In dem Mischwald mit teilweise recht alten Bäumen hätten sich über lange Zeit besonders artenreiche stabile Nahrungsketten aufbauen können. Streng geschützte Arten wie Wald-Kuckucksblume, Breitblättriges Knabenkraut und Großes Zweiblatt hat Langrock, der regelmäßig Naturführungen anbietet und Vögel zählt, dort schon gesehen. „Der Wald ist auch eine Schatzkammer für besondere Pilzraritäten, sie deuten auf eine ungewöhnliche Biodiversität in der gesamten Fläche hin“, sagt er. Vor dem Hintergrund des Artenschutzreports, nach dem jede dritte untersuchte Art in Deutschland bedroht sei, insbesondere auch Pilze, sei dieser Wald mit seinen 500 bis 1000 Pilzarten hochgradig schützenswert.

„Der Wald war unter den Mykologen um die 50er-Jahre europaweit bekannt wegen des sehr seltenen, daher geschützten Parasitischen Röhrlings, einem Pilz, der auf Kartoffelbovisten schmarotzt“, weiß der ehemalige Lehrer. „Besondere Leistenpilze sowie sehr seltene Rhodophyllen und Cortinarien lassen auf eine besondere Bodengüte schließen.“ Auch viele Vogel- und Fledermausarten wie der Kleine Abendsegler oder der Große Bartfledermaus würden einen Schutzstatus genießen. Die ökologische Wertigkeit des Areals gegenüber anderen Wäldern im Kreis Pinneberg sei viel höher, so Langrock.

Beisetzungen würden Bodenprofil zerstören

Ausholzungen zu Solitärbäumen und das Anlegen von Wegen mit ihrer häufigen Frequentierung insbesondere an Gedenktagen könnten das empfindliche Ökosystem stören. Zudem würden mit der Asche der Verstorbenen Erdalkalimetalle in den Boden geraten, und den pH-Wert von fünf auf mindestens zehn erhöhen. „Das bedeutet, dass die Basizität auf das 100.000-fache ansteigt“, sagt er. Für die Beisetzung der Urnen würde der Boden umgebrochen und damit das Bodenprofil zerstört werden. „Seltene Pilzarten gehen unwiederbringlich verloren“, sagt Langrock. Das Entfernen des Totholzes aus Sicherheitsgründen würde auch die Spechte verschwinden.

Die Erschließung weiterer Wege oder gar Versiegelung des Bodens schließt Dietmar Langer von der Försterei Kummerfeld mit dem Hinweis auf zahlreiche Gutachten aus. „Immer mehr Menschen wollen nicht konventionell beerdigt werden“, sagt er. „Darum möchten die Schleswig-Holsteinischen Landesforsten mit einem Ruheforst Alternativen bieten.“ Dahinter steckten auch wirtschaftliche Interesse. „Die Parzellen der Urnen sollen so natürlich wie möglich bleiben“, sagt Langer. Dicke, trockene Äste müssten entfernt werden, um niemanden zu gefährden. Aber die Parzellen würden auch für die nächsten 99 Jahre als Urbiotope festgelegt. Nur neun Hektar im Kummerfelder Gehege seien letztlich als Flächen für die Urnen zugelassen. „Dafür nehmen wir weitere 20 Hektar Wald aus der Bewirtschaftung heraus, um einen Ausgleich zu schaffen und um mögliche negative Folgen zu kompensieren“, sagt er. Dort werde die Natur dann sich selbst überlassen.

Mischung aus Freidhof und Park als Alternative

„Viele unserer Friedhöfe sind alt und schön geworden dank gärtnerischer Kunst“, sagt Langrock. „Friedpark wäre eine treffendere Bezeichnung.“ So habe sich beispielsweise der Stadtfriedhof in Pinneberg in den letzten Jahrzehnten immer mehr zu einem attraktiven, waldartigen Park mit lichtem, älterem Baumbestand entwickelt. „Viele Plätze sind dort frei.“ Hinterbliebene könnten auch dort einen Ort der Andacht und der Stille finden.

Gäbe es künftig ein unzureichendes Angebot an Gräbern an den bisher vorgesehenen Friedhofsplätzen, wüsste Langrock Alternativen zum Kummerfelder Gehege. „Auf Borstel-Hohenradener und auf Kummerfelder Seite sind zwei ausgelagerte Höfe in knapp einem Kilometer Entfernung in das Landschaftsschutzgebiet gebaut worden. Möglich wäre es, die zwischen dem Wald und den Gebäuden liegenden Ackerflächen zu einem Friedwald als Pufferzone zu gestalten“, sagt er. Ferner böte die Westflanke des Esinger Wohldes von der Ahrenloher Seite her Möglichkeiten für die Anlage eines Friedwaldes.