Das DRK-Heim am Rehmen könnte sofort von Flüchtlingen bezogen werden, doch Pinnebergs Verwaltung will Asylbewerber in Containern unterbringen.

Pinneberg. Hinter Feldern sind die Thesdorfer Hochhäuser zu erkennen. Das 1964 hochgezogene Gebäude schmiegt sich an den Stadtwald Fahlt. Ortstermin im seit 2012 leer stehenden DRK-Seniorenwohnheim am Rehmen, dem derzeit umstrittensten Haus Pinnebergs.

Stadt und Rotes Kreuz liegen massiv im Clinch. Ein Angebot des DRK, das Gebäude als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen, schlug Pinneberg aus. Stattdessen klagt die Kreisstadt auf Rückgabe des Grundstücks, das sie dem Roten Kreuz vor 51 Jahren überlassen hatte – und investiert andernorts 1,6 Millionen Euro in Flüchtlingsunterkünfte. „Empörend“, nennt Hermann Bührich dieses Vorgehen. Er arbeitet bei Pinnebergs Grünen mit und hat eine Begehung des Ex-Seniorenheims am Rehmen organisiert. Eine Stunde später zieht Bührich Bilanz. Das Haus sei in bemerkenswert gutem Zustand. Angesichts der katastrophalen Finanzlage Pinnebergs sei es „völlig unverständlich“, dass die mit mehr als 100 Millionen Euro verschuldete Stadt das Angebot des Roten Kreuzes nicht annehme – und Asylbewerber stattdessen in Containern unterbringen wolle.

Peter Jodlauk kennt das Gebäude wie seine Westentasche. Seit 1992 hatte er am Rehmen, wo zeitweise bis zu 116 Senioren lebten, den Hausmeister gegeben. „Das Haus könnte morgen wieder bezogen werden“, sagt er. Und drückt wie zum Beweis auf den Knopf des Fahrstuhls, der sich surrend in Bewegung setzt. „Der Lift hat ein gültiges Tüv-Siegel.“ Das Licht funktioniert überall. „Auch die Brandmeldeanlage ist noch in Betrieb“, sagt der Ex-Hausmeister. Und leitet den kleinen Tross von Politikern durch die Räume.

Die sind teilweise noch mit Möbeln ausgestattet und verfügen über Waschbecken. Schwere Eichenschränke böten Flüchtlingen Platz für ihre persönlichen Gegenstände. Intakte Betten stehen in den Gängen. Es gibt mehrere Küchen. In den Gruppenräumen stapeln sich Tische und hunderte Stühle. Sogar funktionierende Fernsehgeräte wären vorhanden.

72 Zimmer gibt es im Erdgeschoss. Weitere 22 im ersten Stockwerk. In den Räumen riecht es etwas muffig. Von Schimmel ist jedoch keine Spur. „Wir haben das Gebäude bis vor Kurzem noch beheizt“, erklärt Reinhold Kinle. Er ist DRK-Geschäftsführer – und hat sich ohne Umschweife bereit erklärt, das Haus für die Begehung zu öffnen. Die Heizungsanlage könne problemlos wieder hochgefahren werden.

Frisch gefliest, nicht ein Sprung in den Schüsseln: Einige der Sanitärräume sorgen bei den Besuchern für Staunen. Sogar Klopapier baumelt in den Haltern. „Nein, dieses Haus ist keineswegs abgängig“, sagt Kinle. Geräumt worden sei es 2012 nicht, weil es marode sei. Vielmehr sei die Klientel ausgeblieben, weil neue Pflegeheime im Stadtgebiet eröffnet worden seien, etwa die Bauernmühle.

Kinle erinnert daran, dass das Rote Kreuz eigentlich vorhatte, das Gebäude umzubauen – um dort Seniorenwohnungen zu günstigen Mietpreisen anzubieten. Ein Plan, dem Bürgermeisterin Urte Steinberg zunächst offen begegnete. Pinnebergs Politiker hatten dem Konzept letztlich eine Absage erteilt. Ihr Ziel ist augenscheinlich die Vermarktung des Grunstücks, das dank der Nähe zum Fahlt vor allem für Wohnbauinvestoren von Interesse sein dürfte.

Stand jetzt sieht man sich vor dem Landgericht. Dort habe Pinneberg bereits Klage eingereicht, so Rathaussprecher Marc Trampe. Verlangt werde weiterhin die kostenlose Rückübertragung des Grundstücks. Kinle macht der juristische Vorstoß der Stadt keineswegs nervös. Er weicht kein Stück von seiner Position ab. Es gehe aus den Verträgen klar hervor, dass das Rote Kreuz Anspruch auf eine Entschädigungszahlung habe. Dabei sei keineswegs das 1964 ans DRK übertragene Grundstück der Knackpunkt. „Es geht vielmehr um das Gebäude“, so Kinle. Ein Gutachter beziffert dessen Wert auf 1,2 Millionen Euro. Die Stadt will keinen Cent zahlen. Eine Prognose? „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“, zitiert Kinle eine bekannte Redensart.

Anfang des Jahres prognostizierte die Stadtverwaltung, 2015 für 130 zusätzliche Asylbewer Wohnraum schaffen zu müssen. Eine Zahl, die nach Erkenntnissen der ersten Monate des Jahres sogar noch deutlich überschritten werden könnte. Der Druck auf die Stadt könnte also steigen. Kinle zeigt sich trotz eingereichter Klage weiterhin gesprächsbereit: „Unsere Telefonnummer ist bekannt“, sagt er. Bislang, so Kinle, habe das Rote Kreuz auf sein Angebot, am Rehmen Flüchtlinge unterzubringen, allerdings nicht mal eine Antwort der Stadt Pinneberg erhalten. Rathaussprecher Trampe bestätigt das: „Wir wollten die politischen Beschlüsse abwarten, alles andere wäre nicht zielführend gewesen.“ Ein Antwortschreiben werde dem Roten Kreuz in Kürze zugestellt.