Scharfe Kritik der Gewerkschaft der Polizei an den Zuständen der Landespolizei bei einer Tagung in Quickborn. Landespolizeidirektor Ralf Höhs zeigte Verständnis für die Sorgen und Nöte der Kollegen.
Kreis Segeberg. Es rumort an der Basis der Landespolizei. Immer mehr Einsätze, unbezahlte Überstunden, geringe Nachtschichtzulagen, schlechte Ausstattung und nun weitere Personaleinsparungen. 122 Stellen will die Landesregierung bei der Polizei streichen. Dabei sind schon 160 Stellen unbesetzt. Kein Wunder, dass Landespolizeidirektor Ralf Höhs auf der Versammlung der Regionalgruppe Segeberg-Pinneberg der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Quickborn reichlich Kritik einstecken musste. „Die Stimmung ist schlecht und sinkt weiter. Es rumort überall“, fasste GdP-Regionalleiter Reimer Kahlke vor 55 Kollegen das aktuelle Stimmungsbild zusammen.
Wie enttäuscht die 7500 Polizeibeamten im Land zum Teil sind, zeigte Kahlke anhand von Äußerungen auf, die er aus allen Dienststellen in den beiden Kreisen erfahren hätte. „Lauter Feuer, jetzt noch eine Vergewaltigung und wir können den Laden dicht machen“, habe einer geschimpft. „Wie soll ich die Betreuung meiner Kinder organisieren, wenn sich ständig die Dienstpläne ändern?“, habe eine Mutter mit kleinen Kindern geklagt. „Wann können wir uns endlich auf den Digitalfunk verlassen?“, fragten sich viele Kollegen. Und ein anderer monierte: „Die Duschen in Pinneberg sind eine Katastrophe.“
Neben diesen anonymen Kritikpunkten ergriff auch Polizeioberkommissar Florian Born aus Norderstedt ein kritisches Wort. Wenn er als Präventionslehrer in die Schulen gehe, müsse er die Schüler vorsintflutlich mit Kreide und Tafel aufklären. Einen Laptop habe sein Vorgesetzter dafür schon neun Jahre lang vergeblich beantragt. So habe die Polizei keine Chance bei den jungen Leuten bei der Nachwuchswerbung, die in der privaten Wirtschaft sofort mit den modernsten Geräten gelockt würden. Insofern müsse die Eingangsfrage der Gewerkschaftstagung: „Ist die Landespolizei noch attraktiv“ eindeutig mit Nein beantwortet werden.
Polizeidirektor Ralf Höhs zeigte Verständnis für die Kritik der Kollegen. Gleichwohl erinnerte er sie daran, dass sich in naher Zukunft kaum etwas daran ändern werde. Die Zahl der Einsätze nehme zu, betonte er und nannte dafür Beispiele. So sei in Deutschlands Windkraftland Nummer eins die Zahl der Schwertransporte auf jetzt 5712 im Jahr angestiegen. Bis August mussten allein 504 Schwertransporte in den Kreisen Segeberg und Pinneberg von der Polizei begleitet werden. Der bevorstehende Ausbau der A7 von Bordesholm bis Hamburg, der vier Jahre andauern wird, 35 neue Ersatzbauten und 117 neue Verkehrsschilder erfordert, werde die Kollegen in Trab halten. „Da werden Unfälle passieren“, die die Polizei zu bearbeiten und deren Staus sie so schnell wie möglich wieder aufzulösen habe. Allein 1800 Arbeitsstunden für die Polizeidirektion Bad Segeberg verursachten die Sicherung der Fußballspiele, wie die der HSV-Regionalligamannschaft, die ihre Spiele in Norderstedt austrägt.
Und jetzt im Herbst, wenn es früher dunkel wird und die Einbrecher Hochkonjunktur haben, wird auch diese Schwerpunktarbeit der Polizei im Hamburger Umland wieder verstärkt werden müssen, kündigte der Landespolizeidirektor an. Denn die gezielte Einbrecherfahndung zeige erste Erfolge. Die Zahl der Wohnungseinbrüche sei erstmals wieder um 1,6 Prozent gesunken. Die Ermittlungen seien so gut gelaufen, dass von 105 festgenommenen Tatverdächtigen letzten Winter noch 44 in Haft seien. Im Jahr davor blieben nur sechs von 70 Verdächtigen in Haft. Höhs: „Das ist ein großer Erfolg und da werden wir nachsetzen müssen.“
Gleichwohl habe er Verständnis für die Sorgen und Nöte der Kollegen, betonte Höhs. So widersetze er sich dem Spardiktat der Landesregierung, indem er vorgerechnet hat, dass die Auslagerung und Streichung von 122 Stellen im IT-Bereich, bei der Wasserschutzpolizei und der Verkehrsüberwachung dem Land teuer zu stehen käme. „Der Stellenabbau muss landesweit ausgewogen sein“, fordert Höhs, der 80 Dienststellen besucht hat. Ein konkretes Problem habe er jetzt lösen können. So hätten die Hundewagen keine Schutzschilde an Bord gehabt. Die würden jetzt beschafft. „Ich verwende mich dafür, dass Sie das bekommen, was Sie brauchen.“ Bei den Zulagen könne er nichts versprechen. Aber ein freies Wochenende im Jahr werde er jedem Beamten garantieren. Und bei der Landesregierung wolle er sich dafür einsetzen, dass die fehlenden 160 Stellen endlich nachbesetzt würden.
GdP-Chef Kahlke hofft nun, dass der gute Draht der Polizei zur Landeregierung nicht unter dem Rücktritt von Innenminister Andreas Breitner leide, der lange Polizeibeamter war. „Ich bedauere Breitners Rücktritt sehr“, sagte Kahlke am Freitag. „Er hatte immer ein offenes Ohr für uns. Ich hoffe nicht, dass das jetzt im Sande verläuft.“