Geschichtsarbeitsgruppe der Kulturgemeinschaft Tornesch hat Ausstellung zur Geschichte des Ersten Weltkriegs in der Stadt erarbeitet. Am Donnerstag wird sie in der Begegnungsstätte Pomm91 eröffnet.

Tornesch. „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche,“ sagte Kaiser Wilhelm II., als das Deutsche Reich 1914 in einen verheerenden Krieg globalen Ausmaßes zog. Eine Versöhnung der Klassen- und Interessengegensätze im Zeichen eines angeblichen „Verteidigungskrieges“, so wurde es erzählt, herrsche im ganzen Land. Umbrandet von einer unnachahmlichen Begeisterungswelle seien die Soldaten blumenbekränzt und fröhlich singend in den Krieg gezogen. Max Weber schrieb von „diesem großen und wunderbaren Krieg“ und dass es herrlich sei, ihn noch zu erleben, aber sehr bitter, nicht mehr an die Front zu dürfen. Rudolf Alexander Schröder dichtete: „Für dich will ich leben, für dich will ich sterben, Deutschland, Deutschland.“

Jahrzehntelang wurde in der Öffentlichkeit das Bild transportiert, dass es im Deutschen Reich ein Augusterlebnis gegeben habe, eine grenzenlose Sympathie für die Sache des Krieges, ein nationales Erwachen. Erst in den 1990er Jahren wurde dieses Bild grundsätzlich von Forschern revidiert. Ein „Augusterlebnis“, wie es Geschichtsbücher lange Zeit überlieferten, hat es so nicht gegeben.

Es gab in einigen großen Städten des Reiches durchaus euphorische Stimmungen, aber es gab auch das vollkommene Gegenteil: Eine depressive, angstzerfressene Stimmung auf dem Land. Ein gutes Beispiel dafür ist die aktuelle Ausstellung, die von der Geschichtsarbeitsgruppe der Kulturgemeinschaft Tornesch in Zusammenarbeit mit der Archivarin Anette Schlapkohl erarbeitet worden ist. Gemeinsam hat die elfköpfige Arbeitsgruppe die noch relativ wenig aufgearbeitete Tornescher Weltkriegsgeschichte erforscht. Das Ergebnis ist klar: Der Weltkrieg war für die wachsende Gemeinde Tornesch ein schwerer Rückschlag.

1914 war das heutige Tornesch noch eine kleine Gemeinde von 2400 Einwohnern. Die Siedlungskerne waren Esingen und Ahrenlohe, die Region um den Bahnhof, die heute die Ortsmitte bildet, war noch recht jung. Erst seit 1930 firmiert die Gemeinde unter dem Namen Tornesch, davor hieß sie Esingen. Handwerksbetriebe, Baumschulen und Landwirtschaftshöfe prägten den Ort.

Jeder, der Anpacken konnte, wurde gebraucht. Der Kriegsausbruch war für die Tornescher daher alles andere als willkommen. In der Ahrenloher Schulchronik steht zum Kriegsausbruch vermerkt: „Da kam am Freitag, den 31. Juli, die Kunde von der Vorbereitung zur Deutschen Mobilmachung. Die Ernte war im vollen Gange. Am Sonnabend ruhte sie vollkommen. Fast das gesamte Dorf versammelte sich am Bahnhof, wo, ohne Unterbrechung, ein Zug nach dem anderen Marinereservisten zu einer Übung brachten.“ Der Lehrer Möller, der diese Zeilen schrieb und im April 1918 bei Amiens starb, vermerkte 1914 auch, dass es kein „Hurra!“ gegeben habe.

„Der Krieg wurde von vielen als ein ein Schicksalsschlag wahrgenommen“, sagt die Historikerin Schlapkohl. 404 Männer aus Tornesch zwischen 18 und 42 Jahren zogen in den Krieg. Die ganz jungen, so Schlapkohl, seien wohl freiwillig und euphorisch in den Krieg gezogen, die meisten seien aber nicht freiwillig zu Felde gezogen. Sie ahnten wohl, was sie an der Front erwarten würde. Jeder vierte Tornescher, der in den Krieg zog, starb im Kugelhagel oder an den Folgen der Verwundungen.

Für Tornesch, wie für viele andere Gemeinden auch, bedeutete der Krieg vor allem zweierlei: mit zunehmender Kriegsdauer Rationierungen der Lebensmittel und dass Frauen mehr als bisher arbeiten mussten, damit der Alltag bewältigt werden konnte. Berufe, die für Frauen damals nicht zugänglich waren, wurden nun aus der Not heraus mit Frauen besetzt. Etwa der Beruf des Briefträgers, den Martha Knuth während des Krieges mit Postfahrrad und Postmütze ausübte. Auch ganze Belegschaften von Fabriken, wie etwa der Konservenfabrik Habekost, wurden von Frauen gestellt.

Die Steckenrüben, sie erlangen in den kommenden Jahren traurige Berühmtheit – nicht nur in Tornesch. Da die Höfe mühe haben, die Lebensmittelproduktion aufrechtzuerhalten, muss die Gemeinde eingreifen und Lebensmittel herbeischaffen. Volksküchen werden eingerichtet, in denen zusammengeworfen wird, was noch zu essen da ist, unter anderem Steckrüben. „Die vorliegenden Quellen und Berichte zeigen, dass die Menschen auf Frieden hofften, auch wegen der Versorgungslage“, sagt Schlapkohl. Und auch, damit die Männer endlich wieder heimkommen können.

Für ein Viertel der Tornescher Soldaten gab es keine Rückkehr und ihre Frauen konnten sich auch keine Hoffnungen machen, die sterblichen Überreste beerdigen zu können. Die große Mehrzahl von ihnen wurde im Krieg in Massengräbern an der Front verscharrt. Die Zahl derer, die in Tornesch beigesetzt werden konnten, beträgt nicht einmal eine Handvoll.

„Es sind nur einige wenige Aspekte, die die Arbeitsgruppe von dieser Zeit aufarbeiten konnte“, sagt Schlapkohl. Denn eine Aufarbeitung der Tornescher Weltkriegsgeschichte hat bislang kaum stattgefunden. Unter anderem auch deshalb, so vermutet sie, weil mit dem Zweiten Weltkrieg der Erste Weltkrieg in der Öffentlichkeit vielfach ausgeblendet worden ist. Viele Erinnerungen, Briefe, Fotos und andere Zeitdokumente aus der Kaiserzeit schlummern daher vermutlich noch in den Familienchroniken, in weggeschlossenen Fotoalben, auf vergessenen Kisten auf Dachböden und in den Akten von privaten Archiven.

Ein erster Schritt für die Aufarbeitung der Tornescher Weltkriegsgeschichte ist für Tornesch nun gemacht worden. Das Ergebnis ist in der Ausstellung „Der Erste Weltkrieg 1914-1918 in Tornesch und Umgebung“ in der Tornescher Begegnungsstätte Pomm91 an der Pommernstraße von heute, Donnerstag, 28. August, zu sehen. Die Ausstellung wird um 19 Uhr mit einem Bildervortrag eröffnet. Der Eintritt ist frei.