Seit 19 Jahren lebt Bubakar Maigah aus Niger monatsweise geduldet in Langeln. Er wollte immer zurück, jetzt soll sein Wunsch in Erfüllung gehen. Bisher fehlten ihm schlicht die Ausweispapiere.
Langeln. Wirklich glauben kann er es noch nicht. Bubakar Maigah, der vergessene Flüchtling von Langeln, wird bald in seine Heimat Niger fliegen können. Wenn er sich vorstellt, in wenigen Wochen möglicherweise Mitglieder seiner Familie in seinem Geburtsort Toda wiederzusehen, lächelt er verhalten. „Ich weiß nicht, ob meine Eltern und Geschwister noch leben“, sagt er leise. „Ich hoffe es.“
Das Abendblatt hatte im August 2013 erstmals über das Schicksal des Mannes aus Westafrika, der seit 19 Jahren in einer Flüchtlingsunterkunft in Langeln im Kreis Pinneberg lebt, berichtet: Im Februar 1992 war Bubakar Maigah vom Volk der Hausa und vom Stamm Kurufayawa aus Niger vor dem Bürgerkrieg nach Deutschland geflüchtet und nach Schleswig-Holstein gekommen. Seit sein Antrag auf Asyl 1994 abgelehnt und im Juni 1995 rechtskräftig wurde, wünscht sich der heute 64 Jahre alte Mann nichts mehr, als nach Hause reisen zu können. Unmöglich, lauteten bisher stets die Reaktionen der nigrischen Botschaft und der deutschen Behörden. Bubakar Maigah besitzt seit seiner Flucht aus Niger nach Deutschland keine Papiere mehr. Seine nigrische Staatsbürgerschaft konnte er nie nachweisen.
„Wenn Sie keine Ausweispapiere haben, können Sie weder ein Land verlassen noch ein anderes Land betreten“, erklärte Marc Trampe, Sprecher des Kreises Pinneberg, im August im Abendblatt den Teufelskreis. Seit 1995 wird Maigah Monat für Monat geduldet in Deutschland. Die Behörden behandelten ihn über all die Jahre als Fall, der Mensch Maigah wurde vergessen.
Dass sein Wunsch nach Rückkehr in die Heimat jetzt in Erfüllung geht, hat Maigah der Hartnäckigkeit einer Frau aus Dithmarschen zu verdanken. Muriel Sternfeldt wurde im vergangenen Oktober durch einen TV-Beitrag infolge der Abendblatt-Berichte über den Fall Maigah auf den vergessenen Flüchtling aufmerksam, besuchte ihn, lernte ihn kennen und begleitete ihn fortan durch den Behördendschungel. Zuvor hatten viele Abendblatt-Leser Maigah mit Spenden unterstützt. Der Diakonieverein Migration in Pinneberg hatte ihm einen Anwalt zur Seite gestellt, der prüfen sollte, welche Chancen Bubakar Maigah auf Erfüllung seines Heimreisewunsches hat.
Erfolg hatte zuletzt aber nur Muriel Sternfeldt, der das Schicksal des Westafrikaners „sehr zu Herzen ging“. Die Beamtin recherchierte in ihrer Freizeit Maigahs Möglichkeiten und entdeckte schließlich im Internet, dass die deutschen Behörden Ausländern aus Nicht-EU-Staaten einen Reiseausweis als Passersatz ausstellen können. Voraussetzung: Es gibt ein Visum für die Einreise nach Niger.
Es folgten Telefonate zwischen Muriel Sternfeldt, dem Honorarkonsul der Republik Niger in Hamburg und der nigrischen Botschaft in Berlin. „Ich bin am 19. Februar zusammen mit Herrn Maigah nach Berlin zur nigrischen Botschaft gefahren“, sagt Muriel Sternfeldt. Dort erhielt Maigah das Dokument für die Ausländerbehörde des Kreises Pinneberg. „Wenn Bubakar Maigah den Pass hat, bekommt er von uns das Visum“, bestätigt Botschaftssprecherin Aissa Halidou. „Damit kann er in Niger bleiben, solange er möchte.“
Muriel Sternfeldt setzte sich mit der Ausländerbehörde des Kreises Pinneberg in Verbindung und hatte Erfolg. Am vergangenen Dienstag war sie mit Bubakar Maigah in Elmshorn, um den Reiseausweis zu beantragen. „Wir unterstützen Herrn Maigah gern“, sagte Marc Trampe dem Abendblatt. „Die Bestätigung, dass Herr Maigah ein Visum erhält, ist für uns die Grundlage, für ihn einen Reiseausweis auszustellen. Außerdem muss er bei uns den Nachweis über die Gelbfieberimpfung vorlegen.“ Das verlangten die Einreisebestimmungen von Niger, so Trampe.
Frühestens zwei Wochen nach der Impfung kann es losgehen. Der Flug nach Niger wird möglicherweise von der Internationalen Organisation für Migration (IMO) in Berlin finanziert. Die IMO bietet Migrantinnen und Migranten, die in ihr Heimatland zurückkehren wollen, finanzielle Unterstützung an. Bubakar wird nicht allein nach Niger fliegen. „Ich werde ihn bis nach Niamey, die Hauptstadt Nigers, begleiten“, sagt Muriel Sternfeldt.
Ehemann Andreas Sternfeldt arbeitet teilweise in Nigeria, dem Nachbarstaat Nigers. Daher hat das Ehepaar Sternfeldt einige Kenntnisse über die Lebensbedingungen in Niger. 22 Jahre ist es her, seit Bubakar Maigah seine Heimat verlassen hat. Zurück ließ er seine Eltern, Brüder und Schwestern. „Es gab damals bei uns kein Telefon, kein Fernsehen und kein Internet“, sagt er. „Ich weiß nicht, ob es das heute dort gibt.“ In Niger will Bubakar Maigah zuerst einen Pass beantragen, um endlich wieder ein Staatsbürger zu sein. 22 Jahre hatte Maigah keinen Kontakt zu Familie oder Freunden in Niger. Er ist davon überzeugt, in seinem Geburtsort Toda und von seinem Stamm Kurufayawa warm aufgenommen zu werden. „Dort sind meine Wurzeln“, sagt er. „Dort gehöre ich hin.“
Euphorisch ist Maigah dennoch nicht. „Bevor ich nicht wirklich den Reiseausweis in den Händen halte, will ich es nicht glauben, dass ich nach Hause kann“, sagt er. Angst davor, was sich alles in seinem Geburtsland seit seiner Flucht verändert haben könnte, hat er nicht. „Wovor soll ich Angst haben? Dafür habe ich schon zu viel erlebt in meinem Leben“, sagt der 64-Jährige.
Ein wenig Abschiedsschmerz plagt Bubakar Maigah trotz der Aussicht auf Heimkehr. Die Sternfeldts hätten ihm vom Wattenmeer erzählt. „Bevor ich nach Hause fahre, möchte ich unbedingt das Wattenmeer sehen“, sagt er.