Erneut wollen Eltern aus Halstenbek ihr Recht auf einen Kita-Platz einklagen: Birte Döbler und Steffen Wossidlo gehören zu den 140 Eltern der Gemeinde die keinen Kita-Platz in Halstenbek bekommen haben.
Halstenbek. 400 Meter weiter sind Birte Döbler und Steffen Wossidlo gezogen. Aus einer Mietwohnung ging es in ein eigenes Heim mit kleinem Garten und Spielhaus für Sohn Joris. Es könnte alles so schön sein. Doch bei ihrem Umzug überschritt die Familie eine Grenze. Von Autofahrern und Passanten fast unbemerkt, geht der Schenefelder Baumschulweg in den Ahornweg über – der bereits in der Nachbargemeinde liegt. Und genau hierin liegt das große Probleme der Familie. „400 Meter weiter, und das Internet ist langsamer und es gibt keinen Kita-Platz für unser Kind mehr“, sagt Wossidlo, der es gar nicht richtig fassen kann.
Bei ihrem Umzug vor mehr als einem Jahr hatte die Familie schon von der schwierigen Betreuungssituation in Halstenbek gehört – mehr als 200 Kita-Plätze fehlten zeitweise in der Gemeinde, die auch durch Neubaugebiete einen starken Zuzug von jungen Familien verbucht. Aber angesichts der angeschobenen Aktionen wie die kurzfristig beschlossene Schaffung von Betreuungsmöglichkeiten mit Containern auf dem Gelände der Erlöserkirche ging das Ehepaar davon aus, dass ihr Sohn Joris zum neuen Kita-Jahr einen Platz bekommt. So wie es den Eltern nach deutschem Recht auch zusteht.
Ihre Hoffnung hat sich zerschlagen. Joris, der im September drei Jahre alt wird, hat keine Zusage für einen Platz im Elementarbereich kommen. So wie etwa 140 weitere Kinder. „Vor zwei Monaten haben wir noch geglaubt, dass sich das regelt. Aber jetzt haben wir einen Anwaltstermin für Dienstag abgemacht“, sagt Wossidlo. Die Familie weiß sich nicht mehr anders zu helfen, als den ihnen zustehenden Platz einzuklagen. Noch ist Joris in Schenefeld bei einer Tagesmutter untergebracht. Doch er ist dafür zu alt geworden. Er passt nicht mehr in die Gruppe. Das weiß die Tagesmutter. Das wissen auch die Eltern. Aber es fehlt an Alternativen. In Schenefeld ist kein Platz für Joris. Derzeit werden hier keine Kinder aus Halstenbek mehr aufgenommen, nachdem die neue Kita nicht rechtzeitig fertig wurde und die Halstenbeker wiederum Schenefelder Eltern vor die Kita-Tür setzten.
In Hamburg ist die Situation entspannter, viele Halstenbeker Eltern weichen dorthin aus. „Für uns ist das keine Option“, so Döbler. Sie ist zwar Lehrerin in Hamburg-Bahrenfeld, bereitet aber ihren Unterricht zu Hause vor. „Dann bringe ich Joris vor der Schule in die Kita, fahre nach dem Unterricht nach Hause, um dann wieder ins Auto zu steigen und ihn später in Hamburg abzuholen. Und das jeden Tag? Das ist Wahnsinn“, sagt die 37-Jährige. Joris’ Freunde würden dann auch alle in Hamburg wohnen, obwohl er später in Halstenbek zur Schule ginge. Wossidlo ist selbstständiger Installateur. Er verlässt meist um 6 Uhr das Haus und kommt gegen 18 Uhr wieder. Er könnte seiner Frau keine Fahrten abnehmen. Die Familie schaltete ihre Rechtsschutzversicherung ein. Die holte einen Mediator zur Hilfe. „Es gab ein Gespräch mit der Verwaltung. Aber was nicht da ist, kann man eben nicht vergeben“, zieht Döbler ernüchtert Bilanz. Einen Plan B hat die Familie nicht, der langsam die Zeit wegläuft. Der Vertrag mit der Tagesmutter läuft am 31. August aus.
„Das Thema hat oberste Priorität“, verspricht die im Halstenbeker Rathaus zuständige Mitarbeiterin Susanne Dietrich mit Blick auf die angespannte Betreuungssituation. Den Eltern von Joris kann sie aber nur Hoffnung machen. Es gebe eine Idee, die am Montag, 30. Juni, in der Sitzung der Gemeindevertretung thematisiert werde. Zuvor um 18 Uhr werden der Schul- und Finanzausschusses gemeinsam tagen. Dabei geht es um den Plan, den ehemaligen Sitz der Firma Groth, die nach Schenefeld umgezogen ist, in eine Kita zu verwandeln und so kurzfristig auf einen Schlag rund 100 Plätze zu schaffen.
Die Eigentümer sind bereit, der Gemeinde die Immobilie langfristig zu vermieten. Dafür sind aber Umbauten nötig, die Geld kosten. Wie viel, soll am 30. Juni feststehen. Stimmen die Politiker zu, könnten vier zusätzliche Elementargruppen bis Ende des Jahres geschaffen werden. Allerdings wäre dann der Plan vom Tisch, im Jugendzentrum A 23 eine Gruppe mit 30 Plätzen unterzubringen.
SPD und CDU signalisieren auf Nachfrage Zustimmung. „Wir sind von der Idee angetan und würden zustimmen, wenn es finanziell vertretbar ist“, sagt CDU-Fraktionschefin Kirsten Sajitz. „Hoffentlich können wir so ein paar potenzielle Klagen abwenden.“ Christoph Bittner, SPD, kann den Frust der Eltern nachvollziehen. „Leider haben wir erst im August 2013 verlässliche Zahlen von der Verwaltung vorgelegt bekommen. Wir wollen jetzt so schnell wie möglich diese Bedarfslücke schließen. Die Groth-Immobilie ist eine dauerhafte Lösung, die wir befürworten, wenn sie wirtschaftlich darstellbar ist. Uns ist auch klar, dass das nicht ausreichen wird“, so Bittner. Er kündigt an, dass die SPD darauf drängen wird, nach der Sommerpause den Neubau einer weiteren Kita in Halstenbek zu forcieren. Auch die Grünen schlagen in diese Kerbe: „Wir sind absolut davon überzeugt, dass das eine langfristige und finanziell tragbare Lösung ist. Das ist für eine Kita perfekt, auch wenn damit noch nicht alle Probleme gelöst sind“, so Andrea Unteutsch von den Grünen, von denen auch die Idee stammt.
Während sich die Eltern von Joris für eine Klage rüsten, hat ein anderes Elternpaar seine angedrohte Klage zurückgezogen. Alexandra Wolf und ihr Mann Juan Pablo Serra aus Halstenbek waren mit die ersten, die in Schleswig-Holstein überlegten ein Musterverfahren durchzuziehen. Sohn David hat jetzt im Alter von vier Jahren zum 1. August einen Kita-Platz bekommen. Damit habe der Jurist keine Grundlage mehr für eine erfolgreiche Klage gesehen. Serra dazu: „Das ist eine sehr große Last, die für uns weggefallen ist. Dabei sollte ein Kita-Platz doch etwas Selbstverständliches sein.“