Massives Betreuungsproblem: Halstenbeker versuchen seit 2010 erfolglos, ihren Sohn im Kindergarten unterzubringen
Halstenbek . Anfangs hatte Alexandra Wolf Verständnis. Sie und ihr Mann Juan Pablo Serra akzeptierten die schwierige Betreuungssituation in ihrer neuen Heimat Halstenbek, was sie aus Hamburg so nicht gewohnt waren. Sie machten das Beste daraus, suchten sich Alternativen. Heute, drei Jahre später, reicht es ihnen. Sie haben sich einen Anwalt genommen und wollen den Betreuungsanspruch für ihren Sohn einklagen. Denn obwohl sie sich seit 2010 bemühen, schafften sie es bis heute nicht, ihr Kind in einer örtlichen Kita unterzubringen. Auch in Zukunft sieht es nicht besser aus. „Die Liste der Wartenden ist so lang, dass man mir keine Hoffnung machen konnte, dass es im nächsten Jahr klappt“, sagt Wolf.
Fakt ist: Die Gemeinde hat ein massives Betreuungsproblem. Halstenbek bildet mit einer Versorgungsquote von 81 Prozent bei den Drei- bis Sechsjährigen das Schlusslicht im Kreis Pinneberg. Laut aktuellen Schätzungen fehlen der Gemeinde, die dank neuer Baugebiete einigen Zuwachs an Familien verzeichnet, rund 200 Plätze. Täglich spricht Susanne Dietrich, zuständige Fachbereichsleiterin im Halstenbeker Rathaus, mit verzweifelten Eltern. „Wir haben ein erhebliches Problem“, sagt Dietrich. Sie selbst hat erst vor kurzem den Dienst in Halstenbek angetreten. Zuvor war sie im Amt Trittau tätig. Dort habe die Gemeinde mit Blick auf den 1. August und den damit greifenden Rechtsanspruch in der Vergangenheit drei Kitas erweitert und drei gebaut. Umso überraschter war sie über die Situation in Halstenbek, wo man jetzt anfange, über Neubauten zu diskutieren.
Die Debatte im Gemeinderat um einen möglichen Neubau statt der Sanierung der Kita-Erlöserkirche hat Serra verfolgt. Er war entsetzt. Keine Lösungen, dafür viele Parteifeindbilder. Serra fordert die Sanierung der Kirchen-Kita und zwei Neubauten, um den Bedarf zu decken. „Doch stattdessen passiert wieder nichts“, sagt Serra. „Man wird als Eltern total im Stich gelassen.“ Serra, seine Frau und die drei Kinder zogen 2009 nach Halstenbek. In der Heidewegsiedlung nahe der Hamburger Grenze fand die Familie, die Nachwuchs erwartete, den benötigen Platz. Im Vergleich zu den Preisen der Hansestadt wirkte Halstenbek paradiesisch. Die gute Bahnanbindung und die nahe gelegene Grundschule sowie zwei Kindergärten in der Umgebung überzeugten das Ehepaar, das sich zuvor in den Kitas auch über die Betreuung informierte.
„Mir wurde damals gesagt, dass der Krippenbereich aufgestockt und mein Sohn bestimmt einen Platz bekommen würde“, erinnert sich Wolf. Ein Jahr später gab es keinen Platz. Die Krippe ist überlaufen, David spät geboren, und da die wenigen Plätze nach dem Alter vergeben werden, fiel David hinten runter. Die Eltern, die beide vollberufstätig sind – Wolf arbeitet als Grafikerin bei Gruner und Jahr, ihr Mann ist selbstständiger Metalldesigner und hat seine Firma in Hamburg-Bahrenfeld –, suchten händeringend nach einer Übergangslösung. In Schenefeld fanden sie eine Tagesmutter. Aus der kurzfristigen Lösung wurde eine dauerhafte. David wird demnächst vier Jahre alt und wird immer noch von der Tagesmutter betreut. „Das geht nicht. Er braucht dringend eine andere Förderung. Er muss jetzt in den Kindergarten“, so Wolf. Doch Ganztagsplätze sind in Halstenbek Mangelware.
Zahlreiche Eltern behelfen sich mit Kitas außerhalb des Ortes. Laut Verwaltungsmitarbeiterin Dietrich werden 90 Kinder außerhalb Halstenbeks betreut. Auch Wolf versuchte ihr Glück in Schenefeld. Doch dort wurden die Schotten dicht gemacht. „Wir nehmen grundsätzlich keine auswärtigen Kinder mehr auf“, so Rathausmitarbeiterin Kathrin Steinbügl. Dieses Kita-Jahr sei eng. Es fehlen die Plätze der Biene Sonnenstrahl, deren geplanter Bau nicht fertig wurde. So bekam Wolf auch hier eine Absage, die sie auf den Berg der zahlreichen anderen gelegt hat.
Ihrem Mann reicht es. „Es ist erschreckend. Alle reden davon, dass Fachkräfte gebraucht werden. Und hier sind zwei und wir finden keinen Betreuungsplatz. Dagegen muss man ein Zeichen setzen.“ Die Eltern wären die ersten, die im Kreis Pinneberg klagen. Anders als befürchtet, blieb eine Klagewelle aufgrund des Rechtsanspruchs aus. Marc Trampe, Sprecher der Kreisverwaltung Pinneberg, erklärt warum: „Bevor es zu einer Klage kommt, versuchen wir eine Lösung zu finden. Das ist uns bisher immer gelungen."
Eine Lösung sucht auch Halstenbek. Wenn der Kreis mitspielt, könnte eine Notgruppe eingerichtet werden. Zudem sollen am 14. November bei der Sitzung des Fachausschusses über einen Neubau debattiert und einheitliche Kriterien für die Platzvergabe auf den Weg gebracht werden. Als erster Verbesserungsschritt wurde eine Datenbank eingerichtet, auf die Verwaltung und Kita-Leitungen zugreifen können, um schnell Plätze zu vergeben.