Direktvermarkter dürfen außerorts nicht mit Schildern für ihre saisonalen Produkte werben. Kreis sieht Verkehrssicherheit gefährdet. Autofahrer könnten abgelenkt werden.
Neuendeich. Die ersten Süßkirschen auf dem Obsthof Breckwoldt in Neuendeich sind reif. Doch die Kunden bleiben aus. Der Grund: Der Betrieb liegt abseits touristischer Strecken außerhalb der Ortschaft und wird schnell übersehen. Darum haben die Besitzer bisher immer mit einem Schild an der Drehbrücke (Kreuzung L289, Kuhlworth, Oberrecht) und einem an der K19 nach Seestermühe auf ihre saisonalen Produkte aufmerksam gemacht. Das ist ihnen nun untersagt worden.
„In diesem Jahr läuft die Saison schleppend an“, sagt Landwirtin Christina Breckwoldt. Die Stammkunden würden zwar den Weg zum Hof kennen, aber nicht wissen, dass die ersten Kirschen auf dem Markt sind. Sie warteten auf das Schild. „Als Direktvermarkter sind wir darauf angewiesen, unsere Kunden schnell über den Saisonstart zu informieren“, sagt Carsten Breckwoldt, der den Familienbetrieb in dritter Generation führt. Doch das ist nicht so einfach ohne Werbeschilder. Zwar sind ist der Hof an zwei Tagen in der Woche mit einem Stand auf Wochenmärkten vertreten, aber die Kirschen werden jeden Tag gepflückt. Zudem sei die Ernte von anderthalb Hektar Kirschen zu gering für den Großhandel.
Ihr Hauptgeschäft machen die Breckwoldts mit Äpfeln, die sie an Großhändler verkaufen. „Die Kirschen sind aber ein wichtiges Standbein“, sagt der Landwirt. Sämtliche Produkte werden vor Ort vermarktet. Ohne diesen Erwerbszweig werde es schwierig. Erst kürzlich hat das Paar investiert und einen Teil der Bäume überdacht. „Dadurch können die bei Kunden besonders beliebten Knupperkirschen extrem lange ausreifen“, sagt Carsten Breckwoldt. Diese Neuerung sei mit einer größeren Investition und höherem Arbeitsaufwand verbunden. Umso wichtiger sei es, die Ernte auch an die Kunden zu bringen. Und zu denen gehörten in der Saison auch ortsunkundige Ausflügler, die erst durch Schilder auf den Hof aufmerksam werden.
In den 1990er-Jahren hatte das Verkehrsministerium das strenge Straßen- und Wegenetzgesetz für Direktvermarkter gelockert. Danach durften diese innerorts mit Schildern ihre Produkte bewerben. Außerhalb geschlossener Ortschaften blieb das Anbringen von Werbung weiterhin verboten. „Der Direktvermarkter darf innerorts in einem Umkreis von 500 Metern auf dem eigenen Grundstück sein Schild aufstellen“, sagt Angela Biermann vom Straßenverkehrsamt des Kreises Pinneberg.
Werbeanlagen bedürfen normalerweise einer Genehmigung durch die örtliche Verwaltung. Sind sie nicht größer als ein Quadratmeter, dürfen sie 15 Meter von Kreis-, 20 Meter von Landes- und 50 Meter von Bundesstraßen entfernt stehen. Dort kann sie allerdings kaum noch jemand lesen. Dennoch wurden Aufsteller für Saisonobst in den vergangenen zehn Jahren allgemein geduldet. Damit ist nun Schluss. „Wir sammeln widerrechtlich aufgestellte Schilder ein. Dazu gehören auch Wahlplakate“, sagt Biermann. Zum einen gilt die Losung „Kampf gegen den Schilderwald“, zum anderen werde die Sicherheit im Straßenverkehr beeinträchtigt, weil Fahrer abgelenkt werden könnten.
Biermann hat durchaus Verständnis für Breckwoldts Lage. „Neuendeich zieht sich unheimlich in die Länge. Immer wieder taucht ein einzelnes Haus auf“, sagt sie. In der Vergangenheit habe es bereits Anfragen gegeben, den innerörtlichen Bereich auszudehnen. Das sei nach Prüfung aber abgelehnt worden. Damit bleibt Breckwoldts Hofladen in Außenlage. Nur an der direkten Einfahrt zum Hof wird noch ein Schild geduldet. Da es nicht direkt auf dem Grundstück der Breckwoldts steht, könnte die Verwaltung darauf bestehen, es wegzunehmen. Daran ist aber niemandem gelegen. „Wir versuchen bürgerfreundlich zu arbeiten, suchen den Kontakt zu den Leuten und versuchen, Alternativen aufzuzeigen“, sagt Biermann. In anderen Kreisen würden sogar Bußgelder verteilt. „Davon haben wir bisher abgesehen.“
„Ein Werbeverbot trifft die Direktvermarkter erheblich und bedroht Existenzen“, sagt Peer Jensen-Nissen, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Pinneberg. „Wir bemühen uns seit anderthalb Jahren um ein Gespräch mit Minister Reinhard Meyer.“ Meyer habe Gesprächsbereitschaft signalisiert, auf einen Termin wartet Jensen-Nissen bisher jedoch vergeblich.
„Die Kunden schätzen saisonale Produkte, wissen aber oft nicht, wann diese zur Verfügung stehen“, sagt er. Zudem habe die Landesregierung im Koalitionsvertrag als Ziel regionale Landwirtschaft und stärkere Verwendung regionaler Produkte ausgewiesen. Umso unverständlicher sei es, dass eine Behörde in einem Tourismusgebiet derartige Hürden errichte. „Wir fordern eine generelle Lockerung der Bestimmungen oder zumindest die weitere Duldung“, sagt Jensen-Nissen. Die erlaubte Entfernung der Werbeanlage von der Betriebsstätte sollte demnach nicht 500 Meter, sondern bis zu drei Kilometer betragen.