Der Erlass von Umweltminister Robert Habeck gibt schärfere Regeln zur Knickpflege vor. Landwirte sind genervt und befürchten noch höheren Bürokratieaufwand. Kreis Pinneberg setzt auf Kooperation.
Brande-Hörnerkirchen. Christoph Kirst stemmt die Fäuste in die Hüfte und blinzelt in die Sonne. Er sucht nach einer diplomatischen Formulierung. „Wir kriegen immer noch eine Schippe obendrauf. Das nervt“, sagt der Landwirt aus Brande-Hörnerkirchen schließlich. „Irgendwann ist der Bogen überspannt.“ Grund für seinen Unmut ist der neue Knickerlass des Landes Schleswig-Holstein. Der sieht neue Bestimmungen für die Pflege der Knicks vor, die zwischen den Feldern der Landwirte verlaufen.
Zwei Punkte ärgern Kirst besonders. So soll am Rand eines Knicks künftig ein mindestens 50-Zentimeter-Streifen, der sogenannte Saumstreifen, ungenutzt bleiben. Sogar einen Meter muss dieser Abstand betragen, wenn der Bauer die Bäume und Sträucher weiterhin gerade nach oben beschneiden will. Ansonsten muss er die Wallhecke im 70-Grad-Winkel „putzen“, wie das Zurückschneiden heißt. Der V-förmige Knick soll noch besseren Lebensraum für zahlreiche Tierarten bieten.
Überregulierung sei das, meint der 36-Jährige, der auch im Vorstand des Kreisbauernverbands sitzt. „Was war bisher so schlecht?“ Sein Kollege Georg Kleinwort, Vorsitzender des Verbands, wird noch deutlicher, wenn es um den neuen Bürokratieaufwand geht. „Wir brauchen keinen einzigen Zettel mehr“, sagt er. Der Erlass von Umweltminister Robert Habeck (Grüne) sei unbegreiflich. „Man traut uns die vernünftige Pflege der Knicks offenbar nicht mehr zu. Das ist eine Erniedrigung der Landwirte.“ Denn die pflegten die Wälle, die einst von Bauern angelegt wurden, schon jetzt freiwillig und durchaus verantwortungsvoll. Die neuen Vorgaben gingen über das Ziel hinaus, meint Kleinwort. „Man kann Knicks nicht in ein Schema F zwingen.“
In dem Erlass ist auch der Umgang mit den sogenannten Überhältern geregelt, den großen Bäumen auf den Knicks. Sie dürfen künftig nur noch gefällt werden, wenn ihr Stamm im Umfang höchstens zwei Meter misst, und außerdem alle 40 bis 60 Meter ein Baum mit einem Umfang von mindestens einem Meter stehen bleibt. Im Kreis Pinneberg ist sogar ein Abstand von 15 bis 30 Metern gewünscht.
Der Abstand zwischen den Eichen, die bei Bauer Kirst auf dem Knick wachsen, ist gering genug. Er könnte einen Baum fällen, um mehr Raum für die dazwischen nach oben strebenden Sträucher zu schaffen. Eilig hat er es damit nicht, doch zu lange warten kann er auch nicht – sonst ist der Baum zu dick und muss erhalten bleiben. Das führe möglicherweise dazu, dass Bauern einige Bäume schnell noch fällten, bevor diese den Zwei-Meter-Umfang erreichten, gibt Kirst zu bedenken. Denn das Holz lässt sich gut verkaufen. Da es seit einigen Jahren schick sei, einen Kamin im Wohnzimmer zu haben, sei die Nachfrage nach Brennholz stark gestiegen. „Das ist ein Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie.“
Ein größeres Problem für den Landwirt ist jedoch die 70-Grad-Regel. Für diesen speziellen Schnitt gibt es kaum Maschinen, er müsste einen Lohnunternehmer beauftragen, und das kostet zusätzliches Geld. Kirst würde lieber weiterhin mit seinen Maschinen den Knick senkrecht zurückschneiden, auch wenn er so den Abstand zum Feld verbreitern muss. „Damit geht mir noch mehr Land verloren, das ich nicht nutzen kann. Das ist sehr unglücklich.“ Zehn Kilometer Knick verlaufen auf Kirsts Land, jedes Jahr lässt er etwa einen Kilometer davon zurückschneiden. Alle zehn bis 15 Jahre muss ein Knick auf den Stock gesetzt werden, das heißt – bis auf die großen Bäume – komplett zurückgeschnitten werden. Auch dies ist in dem Erlass genau geregelt.
Laut Hans-Jürgen Raddatz vom Fachdienst Umwelt des Kreises Pinneberg ist das alles halb so wild. „Ich sehe da keinen Konflikt“, sagt er beim Zusammentreffen der beiden Parteien am Rande eines Felds von Christoph Kirst. Es müsse differenziert werden. Die Knicks im Land seien in sehr unterschiedlichem Zustand, teilweise würden sie radikal jedes Jahr zurückgeschnitten. „Hier im Kreis gibt es dagegen kaum Probleme. Auf den Knicks gibt es historisch bedingt relativ viele Überhälter, und auch der Saumstreifen ist meist schon vorhanden.“ Durch den neuen Erlass gelten zwar schärfere Vorgaben, die auch hier eingehalten werden müssen. Der Kreis setzt jedoch auf Kooperation mit den Landwirten und bietet Beratung zur Knickpflege an – auch um den Verwaltungsaufwand auf beiden Seiten gering zu halten.
Denn eine komplette Kontrolle der Knicks im gesamten Kreis, womöglich noch mit dem Bandmaß, sei nicht zu leisten, sagt Raddatz’ Kollege Jörg Kastrup. „Das ist unmöglich. Wir betrachten vielmehr das Gesamtbild. Wenn die Landwirte verantwortungsvoll mit den Knicks umgehen, dann ist alles gut.“