Norderstedt. Beschlagnahmte Pflanzen und Samen: Unternehmer sehen sich vom Ordnungsamt Norderstedt ungerecht behandelt und finanziell geschädigt.

Nur sehr selten ist Norderstedt bundesweit in den Schlagzeilen. Am 26. April war dies der Fall, als der Cannabis-Growshop Bigger Trees Besuch bekam an seinem Standort in der Oststraße vom Ordnungsamt und der Polizei. Sämtliche Samen und Stecklinge, also Jungpflanzen, wurden bei dem Einsatz beschlagnahmt. Für das Start-Up war das ein Schock, zumal das Unternehmen explizit mit diesem Angebot geworben und bewusst nicht nur Ausstattung und Technik für den Anbau daheim verkauft hatte. Die Gründer interpretierten aus den Bestimmungen im Cannabisgesetz kein Verbot für diesen Handel – im Rathaus hingegen bestand (und besteht) die Auffassung, dass Bigger Trees gegen geltendes Recht verstoßen hat.

Auch heute, zwei Monate danach, ist der Fall kompliziert. Und weil sich das Unternehmen weiterhin ungerecht behandelt fühlt, wird eine weitreichende Entscheidung erwogen, wie Geschäftsführer Florian Reiche sagt: „Da der Rechtsweg bei Verwaltungsangelegenheiten selbst im Eilverfahren mehrere Monate dauern kann, bleibt uns nun wahrscheinlich nichts anderes übrig, als Norderstedt zu verlassen.“

Frust nach Razzia: Cannabis-Shop Bigger Trees will Norderstedt verlassen

Denn was er und sein Partner Moritz Kleine nach der Razzia angekündigt hatten, gilt unverändert: „Ja, wir gehen rechtlich gegen die Maßnahme vor. Der Widerspruch wurde der Stadt bereits zugestellt. Man hat uns angeboten, die konfiszierten Samen zurückzugegeben, sofern wir den Rechtsweg unterlassen. Damit fühlen wir uns aber nicht wohl.“ Denn zum einen könne man „die Lagerungsqualität der Stadt nicht überprüfen“, zudem sei „durch die Razzia ein Schaden von über 100.000 Euro entstanden, den wir als junges Unternehmen nicht ohne Weiteres abschreiben können“.

Am 26. April beschlagnahmten Ordnungsamt und Polizei in Norderstedt sämtliche Setzlinge und Samen. Der Vorwurf: Verkauf sei nicht zulässig.
Am 26. April beschlagnahmten Ordnungsamt und Polizei in Norderstedt sämtliche Setzlinge und Samen. Der Vorwurf: Verkauf sei nicht zulässig. © Christopher Mey | Christopher Mey

Ein weiteres Problem: Laut Bigger Trees habe man die schriftliche Begründung der Durchsuchung erst mehr als einen Monat später und nach mehrfacher Nachfrage erhalten, „obwohl ursprünglich von einer Woche die Rede war“. Und: „Die Ordnungsverfügung vom 29. Mai sorgte dann bei uns zusätzlich für Verwirrung, da die Begründung vor Ort und die schriftliche nicht übereinstimmten.“

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Es habe, so Reiche, „mehrere Anläufe“, gegeben, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. „Unter anderem haben wir angeboten, dass wir Samen und Jungpflanzen nur noch an lizenzierte Anbauvereinigungen und gewerbliche Wiederverkäufer abgeben, sprich gar nicht mehr an Privatpersonen beziehungsweise nicht mehr an jene, die die Samen und Jungpflanzen selbst verwenden würden.“ Dieser gewerbliche Verkauf an die sogenannten Cannabis Social Clubs ab 1. Juli sei im Gesetz ausdrücklich erwähnt. „Dieser Vorschlag wurde von der Stadt aber leider abgelehnt.“

Cannabis-Shop in Norderstedt: „Selbst in Bayern werden Jungpflanzen verkauft“

Wie das Verfahren weitergeht, ist unklar. Reiche rechnet damit, dass der Rechtsweg „selbst im Eilverfahren mehrere Monate dauern kann“. Verstärkt wird der Frust dadurch, dass ihm kein vergleichbarer Fall bekannt ist, wo eine Verwaltung ähnlich wie Norderstedt vorgegangen ist. „Selbst in Bayern werden nach wie vor Jungpflanzen verkauft – und zwar palettenweise. Inzwischen gibt es sogar erste Automaten, in denen Cannabissamen verkauft werden. Der Markt entwickelt sich schnell, und wir wollen als qualitativ hochwertiger Anbieter gern auch weiterhin beraten und abgeben.“

Sprich: Bigger Trees wird der Stadt wohl sobald wie möglich den Rücken kehren. „Unsere Anwälte haben uns zu dem Schritt geraten, Norderstedt zu verlassen. Denn solange die Stadt das gegen Bigger Trees ausgesprochene Verbot nicht von selbst zurücknimmt, bleibt es erst einmal in Kraft. Und bis ein Gericht es kippt, dauert es selbst im Eilverfahren mehrere Monate. Erst recht, wenn Norderstedt gegen das Urteil noch in Berufung gehen sollte.“