Jersbek. Hanseatische Hanf GmbH bietet Cannabis Social Clubs aus Hamburg und dem Norden Expertise, Gewächshäuser und Anbauflächen. Ein Besuch.
Hanf legal anzubauen, war lange Zukunftsmusik. Doch mit der vom Bundestag beschlossenen, teilweisen Cannabis-Legalisierung sollen Cannabis Social Clubs nun selbst Cannabis ab dem 1. Juli anbauen dürfen. Mitglieder der Clubs bekommen so bis zu 50 Gramm der Droge pro Monat. Der Club darf Cannabis nur anbauen und an Mitglieder verteilen, nicht aber verkaufen. Disco-Betreiber Joey Claussen aus Henstedt-Ulzburg hat gerade den ersten Club dieser Art gegründet. Und er will sein Cannabis in einer eigenen Halle hinter der Disco „Joy“ anbauen.
Doch nicht jeder Club hat dazu die Möglichkeit. Alexander Morlang und Bahram Nikpur, zwei Unternehmer aus Jersbek, haben die Hanseatische Hanf GmbH, gegründet. Mit ihr wollen sie den Cannabis Social Clubs in Hamburg und der Region die Aufzucht und Ernte von Cannabis ermöglichen. Ein Besuch in ihrer Gärtnerei in Jersbek: Zwei ältere Gewächshäuser, ein paar Felder. Eine Bewässerungsanlage ist vorhanden, ein Container für die Trocknung steht im Gewächshaus. Alles ist bereit für den Hanf.
Anbau ist komplizierter, als die meisten Menschen denken
Zunächst sät man den Hanf auf Anzuchtplatten aus. Wenn die Pflanzen groß genug sind, werden sie ausgepflanzt. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Bahram Nikpur und Alexander Morlang wollen für die Anbauvereinigungen sowohl Möglichkeiten zum Indoor-Anbau in Containern, zum Anbau in Gewächshäusern und zum Anbau draußen bereitstellen. Nach der Auspflanzung wächst die Pflanze und fängt an zu blühen. Dann müssen alle männlichen Blüten entfernt werden.
Nach der Ernte kommen die Pflanzen in die Container und trocknen im Dunkeln. Man muss vor oder nach der Trocknung die Pflanzen schneiden, im Fachjargon „trimmen“ genannt. Beim „Curing“ handelt es sich dann um den Fermentationsprozess, bei dem Cannabis über einen längeren Zeitraum gelagert wird. Der Cannabis dürfe weder zu feucht noch zu trocken sein, denn sonst gehe der starke Geruch, der auch beim Rauchen für das Erlebnis sorgt, verloren, erklären die Landwirte.
„Die Landwirtschaft ist komplizierter als die meisten Menschen denken“, sagt Alexander Morlang. Der Gärtnersohn und der Biologe Bahram Nikpur mussten auch erst einiges lernen und an Expertise dazu gewinnen. Dafür hilft auch der „Open Cannabis Playground“, den die beiden bereits im vergangenen Jahr in Kooperation mit dem Cannabis Social Club Hamburg veranstaltet haben. Zudem sei der bürokratische Aufwand für Landwirte hoch. „Ohne die Beratung der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein hätten wir das nicht geschafft“, erklärt Morlang.
Mit THC-freiem Hanf getestet, was gegen Schädlinge hilft
Bei diesem Projekt konnten die Unternehmer sich in Kooperation mit dem Cannabis Social Club Hamburg am Hanfanbau versuchen. Doch warum war dies bereits im vergangenen Jahr möglich, wenn der Cannabis-Anbau doch erst jetzt legal wird? Die Anbauerinnen und Anbauer gaben an, dass sie bei diesem Projekt THC-freien, legalen Hanf verwendeten, weshalb der Workshop in dieser Form möglich war. Sie konnten dabei beispielsweise ausprobieren, wie man mit Schädlingen umgeht.
Der „Open Cannabis Playground“ soll auch in diesem Jahr wieder stattfinden, bevor die Cannabis Social Clubs voraussichtlich im kommenden Jahr richtig mit dem Cannabis-Anbau in der Jersbeker Gärtnerei starten können.
Mitglieder der Clubs müssen selbst gärtnern
Es ist gesetzlich vorgesehen, dass die Mitglieder der Anbauvereinigungen sich selbst um den gesamten Anbauprozess kümmern. Alexander Morlang und Bahram Nikpur können lediglich beraten, beispielsweise welche Nützlinge oder Düngung man für den Anbau benötigt. Zudem wollen sie die Bewässerungsanlage und andere Hilfsmittel für den Anbau vermieten, oder Partner vermitteln, die beispielsweise die Container mit Beleuchtung und Bewässerung für den Indoor-Anbau bereitstellen.
Ob diese Serviceleistungen machbar sind, ist derzeit allerdings fraglich. Denn aus der Protokollerklärung der Bundesratssitzung vom 22. März, geht hervor, dass vor dem 1. Juli 2024 „klargestellt wird, welche Tätigkeiten Anbauvereinigungen nicht an gewerbliche Anbieter auslagern dürfen“. Möglicherweise könnten darunter von den beiden Unternehmern vorgesehene Dienstleistungen fallen.
„Ich erfülle mir hier eigentlich einen Lebenstraum“
„Ich erfülle mir hier eigentlich einen Lebenstraum“, sagt Morlang dem Abendblatt. Er habe schon seit langer Zeit Cannabis anbauen wollen. Als die teilweise Cannabis-Legalisierung in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde, standen die Gärtnerei und die Flächen zur Verfügung. Den Biologen Bahram Nikpur kenne Morlang noch aus Kindertagen, und habe ihn deshalb gefragt, ob er Lust auf dieses Projekt habe.
Auch wenn das Gebäude bereits etwas „runtergerockt“ aussehe, erfülle das Gelände alle Bedingungen, die für den Hanfanbau notwendig seien: Land, Strom und Wasser. Wesentlicher Vorteil sei zudem, dass sich das Areal im Einzugsgebiet von Hamburg befindet und somit attraktiv für Cannabis Social Clubs im Großraum Hamburg sein könne.
Abschied von der ökologischen Landwirtschaft
Zunächst strebten die beiden Unternehmer die Öko-Zertifizierung für den Anbau von Cannabis an. Allerdings sind die Hürden dafür hoch, und Morlang gesteht ein: „Das überfordert uns“. Denn für den ökologischen Anbau müsse man den Boden noch bevor man die Pflanze sät entsprechend vorbereiten und könne schlechter reagieren, wenn die Pflanze Nährstoffe oder anderes brauche. Nikpur erklärt: „Es dauert länger, bis du als biologischer Landwirt reagieren kannst.“
Zudem müssten die Anbauvereinigungen dann ebenfalls ökologisch arbeiten. Diese betreiben jedoch oftmals „Über-caring“, erklärt Nikpur, da sie einen möglichst hohen Ertrag erzielen wollen. Trotzdem wollen die beiden nicht komplett auf den ökologischen Gedanken verzichten. Es soll zwar Kunstdünger verwendet werden, Schädlinge sollen allerdings nur mit biologischem Pflanzenschutzmittel bekämpft werden.
Sie wollen Schulungen anbieten
Perspektivisch wollen sich die beiden mit ihrem Betrieb jedoch in Richtung ökologische Landwirtschaft entwickeln. „Wir streben das an“, erklärt Morlang. Dafür sei jedoch ein zweiter Betrieb notwendig, da ein Mix aus konventioneller und ökologischer Landwirtschaft für einen Betrieb nur extrem schwierig umsetzbar sei.
In Zukunft möchten die beiden eine Gemeinschaft für Anbauerinnen und Anbauer schaffen. „Wir verstehen uns als Maker-Space“, sagt Morlang. Als dieser wolle man langfristig Schulungen anbieten und den Erfahrungsaustausch zwischen Anbauerinnen und Anbauern ermöglichen.
Außenanbau ist nachhaltiger als die Aufzucht in geschlossenen Räumen
Viele Anbauerinnen und Anbauer ziehen das Indoor-Growing dem Anbau in Gewächshäusern oder dem Außenanbau vor. Nachteil dieser Methode sei jedoch, dass sie enorm energieaufwendig sei. Wesentlich nachhaltiger sei hingegen der Außenanbau, erklären die beiden Landwirte. Dieser berge jedoch die Gefahr, dass die Ernte bei hoher Feuchtigkeit im Herbst schimmelt und kaputt geht.
Neben dem Aspekt der Nachhaltigkeit kann der Außenanbau allerdings auch kostentechnisch punkten. Beim Indoor-Anbau gehe man davon aus, dass Cannabis zwischen zwei und vier oder fünf Euro pro Gramm koste, erklärt Morlang. Der Anbau im Gewächshaus sei hingegen wesentlich günstiger, man könne mit etwa 50 bis 70 Cent pro Gramm Cannabis kalkulieren. Der Außenanbau sei am günstigsten, man rechne mit 5 bis 10 oder 20 Cent pro Gramm Cannabis.
Außenanbau: Wie hoch müssen Zäune um die Äcker sein?
Die beiden Landwirte wünschen sich von der Politik eine bessere Planbarkeit. Ihr finanzielles Risiko halte sich zwar in Grenzen, da die laufenden Kosten niedrig seien, sie nicht davon leben müssen und keine externen Investoren hätten. In der Praxis fehlten jedoch immer noch genaue Vorgaben. Es sei beispielsweise schwierig, finanziell für den Außenanbau zu kalkulieren, da unter anderem unklar sei, welche Bedingungen Zäune erfüllen müssen.
Auch den Zeitplan müsse man realistisch sehen, erklärt Morlang. Wenn das Gesetz zum 1. April in Kraft tritt, müssten die Anbaubedingungen bis zum 1. Juli klar sein. Ob bis dahin die Sicherung der Außenanbauflächen geklärt ist, bezweifelt Morlang. Zudem sei es fraglich, wie gut Behörden dann auf den Zulauf durch Anbauvereinigungen vorbereitet sind.
Hanfbauern sind mit Gesetz nicht zufrieden
Außerdem lautet es in der Protokollerklärung der Bundesratssitzung vom 22. März, „dass zum Zweck des Anbaus nicht eine Vielzahl von Anbauvereinigungen Anbauflächen am selben Ort (...) betreiben dürfen“ – ist die Geschäftsidee damit Geschichte? Alexander Morlang erklärt, dass man nicht wisse, ob man unter diese Regelung falle. Grundsätzlich zeigt er sich allerdings optimistisch, sein Projekt weiterverfolgen zu können. Aber er sagt auch: „Im schlimmsten Fall dürfen wir den Anbauvereinigungen nicht helfen“, oder eben nur unter extremen Einschränkungen.
Wirklich mit dem Gesetz zufrieden sind Morlang und Nikpur nicht. Es reiche nicht, um den Cannabis-Anbau als eigenen Wirtschaftszweig zu etablieren und den Vertrieb durch Unternehmen zu ermöglichen, findet Morlang. Jedoch sei das jetzige Gesetz „ein Anfang“, bekräftigt Nikpur.
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Geschäftsmodell findet vor allem Zuspruch
Für ihre Geschäftsidee haben die beiden Landwirte viel Zuspruch bekommen, erklären sie. „Ich kriege eigentlich nur positive Resonanz“, sagt der Biologe Nikpur. Viele interessierten sich für das Projekt. Meistens bekomme auch Morlang „Neugierde, Interesse, Wissbegier“ zu spüren. Kritik sei jedoch aus Teilen der eigenen Szene wegen der angestrebten, nachhaltigen Landwirtschaft gekommen. Denn viele Hanfanbauerinnen und -anbauer wollten flexibel sein, was den Anbau angehe.
Trotz aller Widrigkeiten und Planungsunsicherheiten betont Morlang: „Grundsätzlich freuen wir uns tierisch“, denn es sei ein Schritt in die richtige Richtung. „Wir wollen eigentlich alle dasselbe“, ist der Unternehmer überzeugt: Jugendschutz, Nachhaltigkeit und die Einhaltung der Regeln.