Bad Segeberg. Ausbau Landesunterkunft Levo-Park Bad Segeberg: Zwei Ministerinnen erklären Plan vor 200 Zuhörern. Es herrschen Angst und Skepsis.

Das Land will die Aufnahmekapazität von Geflüchteten in ihren sieben Landesunterkünften von derzeit 8380 auf 10.000 Plätze erweitern. Dafür soll die Landesunterkunft im Levo-Park in Bad Segeberg von zurzeit 1300 auf bis zu 1800 geflüchtete Menschen erhöht werden. Um die Bevölkerung in der Kreisstadt darüber zu informieren und sie vom Sinn zu überzeugen, eilten jetzt gleich Ministerinnen des Kieler Kabinetts mit ihren Experten von Polizei, Gebäudemanagement und Integrationshilfe in die dortige Mehrzweckhalle.

Viele Fragen wurden dabei in mehr als zwei Stunden von Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack und ihrer Kollegin Aminata Touré ausgiebig beantwortet. Doch Skepsis und diffuse Angstgefühle vor der fremden Kultur blieben bei einigen der etwa 200 Zuhörer in der großen Sporthalle. Einige Frauen berichteten, dass sie sich zunehmend unwohl fühlten, wenn ihnen in der Innenstadt Gruppen von jungen hierher geflüchteten Männern begegneten. Tagsüber sei „die ganze Innenstadt von Flüchtlingen besetzt“, behauptete ein Segeberger Geschäftsmann. „Was machen die den ganzen langen Tag?“

Polizei: „Melden Sie sich, wenn Sie sich unsicher fühlen!“

Im Levo-Park am Stadtrand von Bad Segeberg sind zurzeit 852 geflüchteten Menschen untergebracht. Die Zahl der Plätze soll von 1300 auf 1800 erhöht werden. Im Höchstfall waren dort bisher 1100 Menschen untergebracht. Sie werden dort rund um die Uhr betreut, medizinisch versorgt und beraten. In jeder der sieben Landesunterkünfte gibt es auch eine Polizeistation, wie hier in Bad Segeberg.
Im Levo-Park am Stadtrand von Bad Segeberg sind zurzeit 852 geflüchteten Menschen untergebracht. Die Zahl der Plätze soll von 1300 auf 1800 erhöht werden. Im Höchstfall waren dort bisher 1100 Menschen untergebracht. Sie werden dort rund um die Uhr betreut, medizinisch versorgt und beraten. In jeder der sieben Landesunterkünfte gibt es auch eine Polizeistation, wie hier in Bad Segeberg. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Da half es nicht, dass Polizeidirektor Andreas Görs betonte, dass „sich Ihre Befürchtungen durch unsere objektiven Daten nicht bestätigen lassen.“ Die Polizei habe ihre Streifen zeitlich und räumlich erheblich ausgeweitet. Die Segeberger Wache wurde um drei Beamte erhöht. Und die Gruppen von Jugendlichen und Männern in der Stadt kämen nicht alle aus der Landesunterkunft, erklärte der Direktionschef und forderte die Betroffenen auf: „Wenn Sie sich irgendwo unsicher fühlen, melden Sie sich bei uns.“

Auch die Landesregierung nehme diese diffusen Ängste sehr ernst, betonte Ministerin Touré. Sie höre es oft gerade von Frauen, dass sie sich unsicher fühlten, wenn ihnen Gruppen geflüchteter Männer begegneten. Darum seien in den Landesunterkünften auch mehrsprachige Streetworker im Einsatz, die sich auf dem Gelände und auch in den jeweiligen Orten um diese Gruppen kümmerten. In Boostedt seien es aktuell neun Streetworker, drei würden dort gerade für den Levo-Park ausgebildet, wo sie ab dem 1. Juni auch in drei Schichten in den Brennpunkten Segebergs eingesetzt werden würden.

„Wir sind bemüht, das Sicherheitsgefühl für die Menschen hier in Bad Segeberg zu verbessern“, versprach Innenministerin Sütterlin-Waack. „Darum werden wir auch verstärkt Polizeistreifen in die Stadt schicken. Wir wollen, dass Sie sich sicher fühlen.“ Dunkle „Angsträume“ sollen deshalb abends auch ausgeleuchtet werden.

Flüchtlingsunterkunft funktioniere wie ein Dorf

200 zum Teil sehr besorgte Bürgerinnen und Bürger waren zur Einwohnerversammlung der Stadt Bad Segeberg in die Mehrzweckhalle gekommen, um dort aus erster Hand zu erfahren, wie die das Land die Betreuung der geflüchteten Menschen in der dortigen Landesunterkunft sichern und verbessern will.  
200 zum Teil sehr besorgte Bürgerinnen und Bürger waren zur Einwohnerversammlung der Stadt Bad Segeberg in die Mehrzweckhalle gekommen, um dort aus erster Hand zu erfahren, wie die das Land die Betreuung der geflüchteten Menschen in der dortigen Landesunterkunft sichern und verbessern will.   © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

„Es ist wichtig, dass das alles gut organisiert ist“, betonte Ministerin Touré. So sei jede der sieben Landesunterkünfte wie eine kleine Stadt ausgestattet. Es gibt dort jeweils eine Polizeistation, medizinische Versorgung, Essensausgabe, Café, Sprachunterricht, getrennt Bereiche für Familien und allein angereiste Männer. Das DRK betreue die Unterkünfte, die sogar über Schulen und Kindergärten verfügten. Im Levo-Park sind es zurzeit 143 geflüchtete Schulkinder im Alter von sechs bis 16 Jahren in sieben Klassen.

Bad Segebergs Bürgervorsteherin Monika Saggau (am Rednerpult) begrüßte die Bürgerinnen und leitete die Diskussion und Fragen an die Ministerinnen und ihre Experten zur Flüchtlingsbetreuung.  
Bad Segebergs Bürgervorsteherin Monika Saggau (am Rednerpult) begrüßte die Bürgerinnen und leitete die Diskussion und Fragen an die Ministerinnen und ihre Experten zur Flüchtlingsbetreuung.   © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Zudem würde es dort Beratungsstellen für die Geflüchteten geben, die auch mögliche Rückführungen beträfen für Migranten, die keine Bleibeperspektive hätten. Den Geflüchteten werde dort sogar unser Mülltrennungssystem erklärt. Und vor allem für die jungen Männer würde es in den Unterkünften Sport- und Fitnessangebote geben. Das Land werde zudem in der Kreisstadt Begegnungsräume schaffen, wo sich Einheimische und Zugewanderte treffen und miteinander kommunizieren könnten, kündigt Ministerin Touré an. Dafür wären aber auch ehrenamtliche Helfer notwendig, wie es sie in vielen anderen Kommunen des Landes seit Jahren bei der Flüchtlingshilfe gebe.

„Wir haben die Aufgabe, das es gut organisiert ist!“

Im Jahr 2023 hat Schleswig-Holstein 16.500 Geflüchtet aufgenommen, 6000 davon aus der Ukraine. Bis Ende März dieses Jahres waren es 2243 geflüchtete Menschen. Die überwiegende Zahl der Asylsuchenden kommt aus Syrien, Türkei und Afghanistan hierher. Ministerin Touré sieht in dieser für das ganze Land herausfordernden Situation auch eine Chance. Aktuell seien die Flüchtlingszahlen gesunken, sagte sie. Im März kamen 320 Asylbewerber und 404 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ins Land. Im Oktober waren es mit insgesamt 2330 Geflüchteten noch dreimal so viele.

Mehr zum Thema

„Aber wir werden die Migration nicht vollständig begrenzen können. Die Menschen sind da und sie flüchten vor Krieg und Vertreibung“, erklärte die Ministerin. „Wir haben die Aufgabe, dass es gut organisiert ist“, sagte sie und forderte die Zuhörer auf, diese Entwicklung „nicht nur negativ zu sehen“. Als zunehmend alternde Gesellschaft, die insbesondere in den sozialen Berufen wie Pflege und Kita-Versorgung ein großes Fachkräfteproblem habe, könnten diese zugewanderten Menschen, wenn sie hierbleiben möchten, eine Lösung für die Bewältigung des überall herrschenden Fachkräftemangels sein. „Darum ist es wichtig, sie schnell in Arbeit zu bringen“, sagte die Sozialministerin. Die sprachliche und berufliche Ausbildung müsste darauf ausgelegt werden.

Städte und Kommunen wollen mehr „Puffer“

Bad Segebergs Bürgermeister Toni Köppen erklärte, dass es die Städte und Gemeinde waren, die das Land um mehr Aufnahmekapazität in den sieben Landesunterkünften gebeten haben, um ihnen mehr Zeit zu verschaffen, Wohnraum für die aufzunehmenden Geflüchteten in ihren Orten sicherzustellen.
Bad Segebergs Bürgermeister Toni Köppen erklärte, dass es die Städte und Gemeinde waren, die das Land um mehr Aufnahmekapazität in den sieben Landesunterkünften gebeten haben, um ihnen mehr Zeit zu verschaffen, Wohnraum für die aufzunehmenden Geflüchteten in ihren Orten sicherzustellen. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Bad Segebergs Bürgermeister Toni Köppen betonte, dass es die Städte und Gemeinden im Herbst vorigen Jahres gewesen seien, die die Landesregierung aufgefordert haben, durch mehr Aufnahmen in den Landesunterkünften wie eine Art „Pufferzone“ die Kommunen zeitweise zu entlasten, bevor diese sie aufnehmen müssten. Für Bad Segeberg als einer der sieben Standorte einer Landesunterkunft habe das den Vorteil, keine weiteren Geflüchteten zugewiesen zu bekommen, wie es in allen anderen Kommunen der Fall sei. Dies wären für die Kreisstadt sonst etwa 200 Menschen im Jahr, für die Schul- und Kitaplätze geschaffen werden müssten. Zudem erhalte die Kreisstadt dafür eine Million Euro im Jahr vom Land.

Allerdings müsste sich diese zusätzliche Anstrengung von Bad Segeberg mit bald bis zu 1800 Plätzen und in Boostedt mit 2000 Plätzen auch auf die Zuweisung von Geflüchteten für den Kreis Segeberg positiv auswirken, forderte Köppen. Die anderen Städte und Gemeinden im Kreis Segeberg würden sonst überproportional belastet, weil sie zusätzlich die Geflüchteten von Bad Segeberg und Boostedt aufzunehmen hätten. „Auch der Kreis muss eine Entlastung bekommen. Das ist ein Punkt, über den wir mit dem Land dringend reden müssen.“

Levo-Park: Maximale Belegung nie erreicht

Die maximale Belegung in den Landesunterkünften sei bislang nie erreicht worden. So würden aktuell im Levo-Park 852 Menschen untergebracht sein statt der 1300 möglichen, erklärte Bürgermeister Köppen. Im Höchstfalle waren es einmal 1107 Menschen. Weil zum Beispiel dreiköpfige Familien ein Vier-Bett-Zimmer belegten, würde die Kapazität maximal 85 Prozent betragen. In allen sieben Landesunterkünften sind es nach dem aktuellen Flüchtlingsbericht der Landesregierung mit Stand von Mitte April 4321 aufgenommene Geflüchtete. Das entspricht einer Auslastung von knapp 52 Prozent. Nach 120 Tagen werden sie dann proportional nach der Einwohnerstärke auf die Kommunen im Land verteilt.

Die 500 zusätzlichen Plätze im Levo-Park würden ausschließlich durch das Aufstellen von zusätzlichen Containern geschaffen, erklärte Heinz Schwabe vom Gebäudemanagement. Und die Zahl der Essensausgaben, die zurzeit zwei- bis dreimal am Tag erfolge, solle erweitert werden, um auch diese Situationen in der Unterkunft zu entspannen. Denn die Essensausgabe sei immer wieder mal einer der „Konfliktherde“ in den Unterkünften, sagte Innenministerin Sütterlin-Waack.