Norderstedt. Im Kulturwerk Norderstedt trafen 17 Unternehmen und Anbieter auf 120 Migranten. Die deutsche Sprache ist die höchste Hürde.

Der erste Aktionstag „Arbeit und Ausbildung“ im Kulturwerk im Frühjahr sollte den Geflüchteten und Migranten in Norderstedt die Wege aufzeigen, wie sie die deutsche Sprache erlernen und ihre Zeugnisse in Deutschland anerkennen lassen können. Beim zweiten Aktionstag am Dienstag ging es vor allem darum, die arbeitssuchenden Zuwanderer mit Betrieben in Kontakt zu bringen, die ihre Arbeitskraft dringend brauchen könnten.

Dieser Anspruch sei gut gelungen, freut sich Sozialdezernentin und baldige Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder. „Die Anbieter sind sehr zufrieden“, sagte sie nach einem Rundgang durch das Kulturwerk-Foyer. „Die Gäste waren hochkarätig, qualifiziert und sehr motiviert.“ Die 17 Anbieter, Arbeitgeber, Arbeitsvermittler und Weiterbildungsinstitute trafen auf etwa 120 Besucherinnen und Besucher, die alle zumindest die Sprachqualifikation von B1 vorweisen konnten.

Arbeiten, auf eigenen Beinen stehen und sich selbst versorgen

Raphaela Shormina, die für die Diakonie Flüchtlinge in Norderstedt berät: „Alle wollen arbeiten und sich selbst versorgen können.“
Raphaela Shormina, die für die Diakonie Flüchtlinge in Norderstedt berät: „Alle wollen arbeiten und sich selbst versorgen können.“ © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Die große Motivation dieser Menschen konnte Mitveranstalterin Raphaela Shormina nur bestätigen, die für die Diakonie einen Teil der hier in Norderstedt untergebrachten 1600 geflüchteten Menschen berät. „Alle Menschen, die ich getroffen und gesprochen habe, wollen arbeiten, auf eigenen Beinen stehen und sich selbst versorgen können.“

Die größte Hürde für diese Menschen aus aller Welt sei die Sprache. Darum müssten sie zuallererst Deutsch lernen, sagt Raphaela Shormina. „Auch für einfache Helfertätigkeiten ist es unabdingbar, sich zu verständigen“, sagt sie und bittet die Politiker: „Lasst diese Menschen hier erst einmal ankommen.“ Angesichts des immer akuter werdenden Fachkräftemangels sei es für die meisten Geflüchteten heute nicht mehr allzu schwierig, einen Job, Ausbildung oder Arbeitsplatz zu finden, sagt die Flüchtlingsberaterin.

„Motivation ist das A und O“

„Wer Bock hat zu arbeiten, für den machen wir alles möglich“, sagt Personalvermittlerin Mareike Sauer, hier mit Kollege Karsten Sohn.
„Wer Bock hat zu arbeiten, für den machen wir alles möglich“, sagt Personalvermittlerin Mareike Sauer, hier mit Kollege Karsten Sohn. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Diesen Eindruck bestätigten mehrere Arbeitgeber und Arbeitsvermittler auf dieser kleinen Messe im Kulturwerk. „Motivation der Bewerber ist für uns das A und O“, sagte Mareike Sauer von der Firma Rasant, die bundesweit in 25 Niederlassungen „Personal-Leasing“ anbietet und ihre Zentrale in Bremen hat. „Bei uns brauchen sie keine besondere Qualifikation, einen Schulabschluss oder eine Ausbildung zu haben. Hauptsache sie sind motiviert, zuverlässig und freundlich“, sagt die Personaldienstleisterin. „Wenn einer Bock hat, machen wir alles möglich.“

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Ihr Unternehmen böte den Klienten feste tarifgebundene Arbeitsplätze und vermittle sie dann in verschiedene Branchen im Handwerk, in der Altenpflege, als Lagerarbeiter oder Produktionshelfer weiter. Auch Kim Jacqueline Hodorff von der Firma Frey und Lau warb hier um neue Kollegen vor allem für die Produktion ihres Unternehmens, das 270 Mitarbeitende in Henstedt-Ulzburg beschäftigt. „Wir suchen gerne auch Quereinsteiger“, sagte sie und ließ die Besucher an den Parfümölen riechen, die sie mitgebracht hatte.

Dekra: 90 Prozent der vermittelten Arbeitskräfte seien Geflüchtete

Hans-Christian Bueno Abal (l.) und Armin Jäger schulen in der Dekra-Akademie zahlreiche Migranten um und bilden sie aus.
Hans-Christian Bueno Abal (l.) und Armin Jäger schulen in der Dekra-Akademie zahlreiche Migranten um und bilden sie aus. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Auch die Dekra, die eine ihrer vier Weiterbildungsakademien in Norderstedt unterhält, habe gute Erfahrungen mit ausländischen und geflüchteten Bewerberinnen und Bewerbern gemacht, berichtet Hans-Christian Bueno Abal. 90 Prozent ihrer Vermittlungen beträfen diese Menschen, die sie zum Beispiel als Lageristen oder Produktionshelfer auch für einen Norderstedter Mineralwasserhersteller vermittle, auf dem Hamburger Großmarkt oder einem E-Scooter-Hersteller einsetzte und zu Kraftfahrern und Staplerfahrern ausbilde. Allein 17 von der Dekra umgeschulte Geflüchtete arbeiteten bei einem Autozulieferbetrieb in Hessen.

Das Deutsche Rote Kreuz habe landesweit schon 480 geflüchteten Menschen eine Ausbildung zum Kraftfahrer, in der Logistik, zum Küchenmonteur, Alten- und Krankenpfleger besorgt, berichtet Ausbildungsbegleiter Nawid Asmatyar, der vor 33 Jahren aus Afghanistan nach Deutschland kam und zur Schule ging. Viele Arbeitgeber wüssten es zu schätzen, wenn sie Mitarbeitende hätten, die verschiedene Fremdsprachen sprechen und sich so mit den ausländischen Kollegen der Zulieferfirmen gut verständigen könnten. Das DRK-Team spreche Dari, Farsi, Russisch, Türkisch, Ukrainisch, Kurdisch und Französisch.

DRK: 480 Menschen in Ausbildung gebracht

Das DRK habe schon 480 geflüchteten Menschen in Schleswig-Holstein einen Ausbildungsplatz besorgt, sagen Mohammad Dabbagh (l.), Olga Sapsai und Nawid Asmatyar.
Das DRK habe schon 480 geflüchteten Menschen in Schleswig-Holstein einen Ausbildungsplatz besorgt, sagen Mohammad Dabbagh (l.), Olga Sapsai und Nawid Asmatyar. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Ein Problem sei aber manchmal noch die zu hohe Sprachqualifikation, berichtet der DRK-Mitarbeiter. In Schleswig-Holstein würden für den Einstieg in die Altenpflege noch ein Schulabschluss und ein B2-Sprachzertifikat verlangt. In Hamburg dagegen könnten diese Menschen ohne Schulabschluss und mit B1 alte Menschen pflegen. Eine Hürde, die angesichts des Fachkräftemangels auch hierzulande abgebaut werden sollte, fordert Asmatyar.

Die Stiftung Bildung–Handwerk-Nordost bereite in ihren Kursen die Migranten auf die Arbeit in kaufmännischen Berufen und im Büro vor, berichtet Sandra Abd Rabo. „Da lernen sie die Abläufe im Büro kennen und ob der Job zu ihnen passt.“ Hoch im Kurs ihrer Umschulungen seien auch Schulbegleiter für behinderte und kranke Kinder, die an Diabetes litten, sowie Alltagsbegleiter für ältere Menschen und Lokführer für die Hamburger Hochbahn.

Jobs sind leichter zu bekommen als Praktika

Personalabteilungs-Mitarbeiterin Kim Jacqueline Hodorff von der Firma Frey & Lau aus Henstedt-Ulzburg. „Wir suchen auch Quereinsteiger.“
Personalabteilungs-Mitarbeiterin Kim Jacqueline Hodorff von der Firma Frey & Lau aus Henstedt-Ulzburg. „Wir suchen auch Quereinsteiger.“ © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Auf die Seniorenbetreuung hat sich die Firma Home-Instead spezialisiert, wie Beate Kahl berichtet. „Wir betreuen inzwischen 250 alte Menschen im Kreis Segeberg mit 70 Mitarbeitenden.“ Voraussetzung sei aber, dass sie Deutsch sprechen könnten.

Für das Ehepaar Sinan und Tugce Yildiz, das vor fünf Jahren aus der Türkei nach Henstedt-Ulzburg kam, ist es „fast schwieriger einen Praktikumsplatz als einen Arbeitsplatz zu finden“. Beide ließen sich zu Fachinformatikern umschulen, bräuchten aber dringend einen Praxisplatz für sechs Monate, der zumindest der Mutter erlaubt, flexibel auf den zehn Jahre alten Sohn aufzupassen. Dafür verteilte die 37 Jahre junge Mutter fleißig ihren Lebenslauf, der auswies, dass sie bereits als Spezialistin für das türkische Finanzministerium gearbeitet habe.

Immer noch zu wenige Sprachkurse

Hochqualifiziert, wenn auch noch nicht sprachlich gewandt ist auch Liudmyla Jurchegk, die vor einem Jahr aus der Ukraine hierher geflüchtet ist. Sie habe zwei Abschlüsse in Ökonomie und Jura und habe in der Steuerberatung in ihrem Heimatland gearbeitet, erzählt die junge Frau. „Ich hoffe, dass diese Abschlüsse hier anerkannt werden.“ Zudem werde sie sich um den entsprechenden Deutschkurs bemühen.

Denn davon gebe es immer noch zu wenige Plätze, sagt Ilka Bandelow vom Willkommensteam. Schwieriger als einen Job zu finden, sei es inzwischen für die meisten, eine Wohnung zu kriegen, sagt sie. Manche dieser Menschen vor allem aus der Ukraine seien aber noch unsicher, weil sie gar nicht wüssten, ob und wie lange sie hierbleiben werden, erklärt Elena Wrede von der Norderstedter Beratungsstelle Interpunkt.