Bad Segeberg. Faszinierende Kalkberghöhle Noctalis: Was man im Winterasyl für 34.000 Fledermäuse erleben kann. Und warum Batman-Fans willkommen sind.

15 Treppenstufen führen in die Unterwelt von Bad Segeberg. Wasser tropft von den Wänden, ein modriger Geruch zieht sich durch die dunklen Gänge der Kalkberghöhle. Hier unten herrscht eine Luftfeuchtigkeit von 100 Prozent. Egal, wie warm oder kalt es an der Oberfläche ist – in der Höhle sind das ganze Jahr über 10,2 Grad.

„Der Klimawandel macht sich aber auch hier bemerkbar“, sagt Mathis Bazelak. Als die Kalkberghöhle 1913 entdeckt wurde, betrug die Temperatur noch 8,9 Grad. „Wir hoffen, dass es nicht zu warm für unsere Fledermäuse wird“, sagt Bazelak. Das nämlich würde die Tiere, von denen zuletzt mehr als 34.000 im Segeberger Untergrund überwintert haben, vertreiben.

Die Stufen in die Unterwelt. Mathis Bazelak studiert Biologie und Geografie. 80 Stunden im Monat arbeitet er für Noctalis.
Die Stufen in die Unterwelt. Mathis Bazelak studiert Biologie und Geografie. 80 Stunden im Monat arbeitet er für Noctalis. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Seit Anfang April führen die Experten des Fledermauszentrums Noctalis wieder Gäste durch die Kalkberghöhle. Die meisten Fledermäuse haben ihren Winterschlaf beendet und schwärmen für die Frühlings- und Sommermonate aus. Die Saison läuft bis zum 30. September – danach ist die Höhle für Menschen ein halbes Jahr lang gesperrt, weil die Tiere zum Überwintern zurückkehren.

Eine Fledermaus überwintert in der Kalkberghöhle in Bad Segeberg.
Eine Fledermaus überwintert in der Kalkberghöhle in Bad Segeberg. © Fledermaus Zentrum GmbH | Fledermaus Zentrum GmbH

„Bad Segeberg gilt als größtes Überwinterungsquartier Nordeuropas“, berichtet Mathis Bazelak mit einem Funkeln in den Augen. Der Biologie- und Geografie-Student arbeitet 80 Stunden im Monat für Noctalis. Er ist so begeistert von den Tieren, dass sich sein Job für ihn mehr wie ein „bezahltes Hobby“ anfühlt, sagt er.

Kalkberghöhle – die geheimnisvolle Welt der Fledermäuse

Hinter Mathis Bazelak ist ein Einflug zu sehen. Hier fliegen die Fledermäuse in die Höhle ein und aus. Eine Lichtschranke registriert jedes einzelne Tier.
Hinter Mathis Bazelak ist ein Einflug zu sehen. Hier fliegen die Fledermäuse in die Höhle ein und aus. Eine Lichtschranke registriert jedes einzelne Tier. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Der 23-Jährige leuchtet mit der Taschenlampe in einen Felsspalt. Dort hängen drei Fledermäuse kopfüber. Sie sind so klein wie eine Kinderhand. „Die meisten Tiere schwärmen Mitte März aus, nur noch ein paar Langschläfer sind hier“, erklärt er. Gestern Nacht seien 430 Fledermäuse ausgeflogen und 230 am nächsten Morgen wiedergekehrt, so Bazelak. Die genaue Anzahl der nachtaktiven Tiere registriert Noctalis mithilfe von Lichtschranken. „Im Mai ist die Höhle dann komplett leer“, sagt er. Im Juni kämen etwa 200 bis 300 Männchen zurück und hielten sich in einem ungestörten Areal auf, das von Besuchergruppen nicht betreten werden darf.

Der Fledermausexperte hat eine Wasserfledermaus an der Höhlenwand entdeckt.
Der Fledermausexperte hat eine Wasserfledermaus an der Höhlenwand entdeckt. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Nur ein paar Meter weiter baumelt eine Wasserfledermaus regungslos an einem Felsen. „Die hängt hier neu“, sagt Mathis Bazelak überrascht. Trotz Winterschlaf kommt es durchaus vor, dass Fledermäuse ihre Position wechseln und sich bewegen. Um von Decken, Bäumen oder Felsen herabzuhängen, brauchen die Säugetiere übrigens keine Muskelkraft. Ihre Krallen an den Füßen „rasten ein“. Selbst tote Fledermäuse bleiben deshalb hängen. Stören sollten Besucher die Tiere aber auf keinen Fall. „Würde man die Fledermaus aufwecken, verbraucht sie so viel Energie wie an 20 Tagen Winterschlaf“, erklärt der Fledermausexperte.

Kopfüber an der Decke zu hängen, kostet Fledermäuse keine Muskelkraft. Ihre Krallen rasten automatisch ein. Selbst wenn sie tot wären, würden sie hängen bleiben.
Kopfüber an der Decke zu hängen, kostet Fledermäuse keine Muskelkraft. Ihre Krallen rasten automatisch ein. Selbst wenn sie tot wären, würden sie hängen bleiben. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

„Von 25 Fledermausarten in Deutschland sind acht vom Aussterben bedroht“

Sieben Fledermausarten leben in Bad Segeberg. Eine Besonderheit stellt für die Forschenden das Große Mausohr dar. 15 Stück konnten sie zuletzt in der Kalkberghöhle zählen, im vergangenen Jahr waren es nur drei. „Das ist für uns eine Sensation“, sagt Mathis Bazelak. Vor allem Insektizide, die in der Landwirtschaft verwendet werden, seien eine große Bedrohung für die Tiere. Sie würden die Käfer töten, die die Fledermäuse gern essen.

„Von 25 Fledermausarten in Deutschland sind acht vom Aussterben bedroht“, erzählt der Biologiestudent der Universität in Kiel. Auch große Infrastrukturprojekte, Verluste ihrer Quartiere und Hauskatzen, die Fledermäuse jagen, führen zum Rückgang der Populationen. „Am Kalkberg gibt es aber erfreulich viele Tiere“, sagt Bazelak.

Pfützen bilden sich auf den Wegen der Höhle, überall ist das Tropfen des Wassers zu hören. In den Gängen sind kleine Lampen angebracht, die zumindest etwas die Umgebung ausleuchten. Schaltet Bazelak das Licht aus, regiert vollkommene Dunkelheit die Unterwelt. Das ist der natürliche Lebensraum der Fledermäuse, hier fühlen sie sich wohl. Besucher müssen sich immer wieder bücken, um sich nicht den Kopf an den teils niedrigen Höhlendecken zu stoßen. 2,3 Kilometer lange Wege führen durch die Kalkberghöhle – nur etwa 300 Meter davon betreten die Gäste während der Führungen.

In Erlebnisausstellung erfahren Gäste noch mehr über Fledermäuse

Ein besonderes Erlebnis für viele Kinder sind die Figuren, die sie in der Höhle entdecken können. In der „Zentralhalle“, in der sich früher noch ein Teich befunden hat, lassen sich mit ein wenig Fantasie ein Zwerg, ein Kamel und ein riesengroßer Drache erkennen. Übrigens: Die Kalkberghöhle besteht nicht, wie viele denken, aus Kalk – sondern aus Gips. An diesem Ort werden einmal wöchentlich auch Höhlenmeditationen durchgeführt. „Das ist ganz besonders“, sagt Mathis Bazelak, der die Gruppen durch die etwa 45-minütigen Meditationen leitet. „Das Angebot wird sehr gut angenommen.“

Am Ende führt eine Wendeltreppe zurück ans Tageslicht. Wer noch mehr über Fledermäuse lernen möchte, kann sich vor oder nach der Führung die Erlebnisausstellung von Noctalis ansehen. Auf etwa 500 Quadratmetern erfahren Interessierte mehr darüber, wie die Tiere Winterschlaf halten, wie ihr Körper aufgebaut ist und wie sie mithilfe von Ultraschallwellen jagen und sich orientieren. Wie die Laute der unterschiedlichen Fledermausarten klingen, können sich Besucher ebenfalls in der Ausstellung anhören.

In der Erlebnisausstellung von Noctalis können die Besucherinnen und Besucher viel über Fledermäuse lernen.
In der Erlebnisausstellung von Noctalis können die Besucherinnen und Besucher viel über Fledermäuse lernen. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Besucher können Indischem Riesenflughund ganz nah kommen

Die Kulissen sind liebevoll gestaltet. Auf einer Etage stehen die Besucherinnen und Besucher plötzlich mitten in einem Wald, Vogelgezwitscher und andere Tierlaute sind im Hintergrund zu hören. Im Obergeschoss können sie tropische Tiere entdecken, wie zum Beispiel das Wandelnde Blatt, eine Grüne Baumpython oder eine Riesenstabschrecke – das größte Insekt der Welt. Wer möchte, kann das Tier sogar anfassen und auf die Hand nehmen. In einem großen, dunklen Glaskasten flattern außerdem rund Hundert Fledermäuse wild durcheinander. Auch sie stammen aus den Tropen.

Auch eine Grüne Baumpython ist Teil der Noctalis-Ausstellung.
Auch eine Grüne Baumpython ist Teil der Noctalis-Ausstellung. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

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Die Chance, einer Fledermaus ganz nah zu kommen, besteht im Untergeschoss, direkt im Eingangsbereich. Dort wohnt Foxi. Die 24 Jahre alte Dame ist ein Indischer Riesenflughund. Sie wurde 1999 im Berliner Tierpark geboren und von ihrer Gruppe nicht akzeptiert. Als Jungtier musste sie mit der Flasche aufgezogen werden und hat das Fliegen nie gelernt. „Sie liebt es, in Gesellschaft zu sein. Sie ist an Menschen gewöhnt“, sagt Mathis Bazelak und lockt das Tier mit einer Rosine an. Foxi, deren Flügel eine Spannweite von 1,20 Meter haben, klettert erst auf die Hand des Mitarbeiters, dann auf seinen Rücken.

Mathis Bazelak lockt Flughunddame Foxi mit einer Rosine aus ihrem Versteck.
Mathis Bazelak lockt Flughunddame Foxi mit einer Rosine aus ihrem Versteck. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Sofort wird er von neugierigen Kindern umringt. Das Noctalis richtet auch Geburtstage bei sich aus und hat einen Raum extra im „Batman“-Stil dekoriert. „Wir hatten noch nie so viele Feiern“, sagt Bazelak. Immer mehr Menschen interessieren sich für ihre Umwelt. Und das ist gut so.

Bei Noctalis kann auch Kindergeburtstag gefeiert werden. Der Raum ist für kleine Batman-Fans geschmückt.
Bei Noctalis kann auch Kindergeburtstag gefeiert werden. Der Raum ist für kleine Batman-Fans geschmückt. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Führungen durch die Kalkberghöhle, Di–So, 1.4. bis 30.9., 10.00–17.00, Eintritt 10 Euro. Kombi-Tickets (Kalkberghöhle und Erlebnisausstellung) zu 17 Euro. Tickets unter noctalis-shop.de.