Norderstedt. 50 Eigentumswohnungen wollte Project in Norderstedt bauen – und ging insolvent. Käufer stehen mit einem teuren Problem alleine da.

  • Bauträger Project Immobilien ging insolvent
  • Käufer müssen Norderstedter Gebäude in Eigenregie weiterbauen
  • Gefahr der finanziellen Überforderung bei den Betroffenen

„Willkommen in der neuen Heimat“, so warb die Webseite des Bauprojekts NORDER Living für den Neubau an der Segeberger Chaussee 126 in Norderstedt. „Inmitten von Grünzügen und Natur gelegen“ entstünden drei Mehrfamilienhäuser nach dem modernen KfW-55-Standard, mit insgesamt 50 Eigentumswohnungen.

Hochwertige Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen seien es, mit Garten, Balkon, Loggia oder Dachterrasse. Größen: 45 bis 105 Quadratmeter, mit „Echtholzparkett“. Singles, Paare und natürlich Familien könnten hier heimisch werden. Wer „die Natur liebt und dennoch nicht auf eine schnelle Anbindung an die Elbmetropole verzichten“ wolle, sei hier „genau richtig.“

Alle 50 Wohnungen waren weit vor Fertigstellung verkauft

Der zu 83 Prozent fertige Neubau des Projekts NORDER Living, gesehen vom Kielortring.
Der zu 83 Prozent fertige Neubau des Projekts NORDER Living, gesehen vom Kielortring. © FMG | Claas Greite

Das dürfte für manchen wie der Traum vom Eigenheim geklungen haben. Und so wurden auch alle 50 Wohnungen weit vor Fertigstellung verkauft. Der Neubau ist weit fortgeschritten. Nur: der Bauträger, der das Projekt realisierte und die Wohnungen vermarktete, ist pleite.

Und damit dürfte sich der Traum für die 50 Käufer in einen ziemlichen Albtraum verwandelt haben. Das Gebäude, das direkt neben der Schokoladenfabrik Herza und gegenüber dem Heimtierbedarfsgeschäft Zoo Royal liegt, steht schon seit Monaten leer, ist eingezäunt, wird von einem Wachdienst bewacht und so vor Vandalismus geschützt.

Im August 2023 meldete der Nürnberger Immobilienentwickler Project Insolvenz an

Ein Sicherheitsdienst bewacht das Gebäude (Ansicht von der Segeberger Chaussee).
Ein Sicherheitsdienst bewacht das Gebäude (Ansicht von der Segeberger Chaussee). © FMG | Claas Greite

Bei dem Bauträger handelte es sich um die Project Immobilien Hamburg GmbH, mit Sitz an der Ifflandstraße 4, im Stadtteil Hohenfelde in der Nähe der Alster. Die frühere Firmenwebseite gibt es nicht mehr, wer die Telefonnummer wählt, hört eine Ansagestimme: „Die gewählte Rufnummer ist nicht existent“. Aber wer ein bisschen im Netz sucht, findet – zum Beispiel bei Neubaukompass.de – noch immer Beschreibungen des Projekts NORDER Living.

Der dafür eigens ins Leben gerufene Bauträger war eine von mehr als 100 „Projektgesellschaften“ des Nürnberger Immobilien- und Fondskonzern Project. Der geriet, wie so einige Mitbewerber, nach Ausbruch des Ukraine-Krieges, Inflation und Zinsanstieg, in schwere Schieflage und musste schließlich im August 2023 Insolvenz anmelden.

Nürnberger Rechtsanwaltskanzlei ist zuständig für die Insolvenzverwaltung

Der Insolvenzverwalter für den Konzern und seine Einzelgesellschaften ist der Rechtsanwalt Volker Böhm von der Nürnberger Kanzlei Schultze & Braun. Ein Sprecher der Insolvenzverwaltung bestätigt auf Abendblatt-Nachfrage, dass Böhm auch für die Abwicklung der früheren Hamburger Gesellschaft und damit auch für das Norderstedter Projekt zuständig sei.

Bei Schultze & Braun, darf man annehmen, hat man ziemlich viel zu tun mit der Insolvenz dieses großen Players. Für jede Gesellschaft beziehungsweise „Fallgruppe“ werde eine Vorgehensweise definiert, die „wirtschaftliche Nachteile bei allen Beteiligten so gut wie möglich vermeidet“, sagt Volker Böhm in einer Pressemitteilung.

Das gelte „insbesondere für die mehr als 1400 betroffenen Käufer der rund 1850 Wohnungen“, die deutschlandweit betroffen seien. Und weiter: „Bei steckengebliebenen Bauvorhaben in Insolvenzverfahren ist das nicht ganz einfach. Deswegen kommt es nicht selten vor, dass diese längere Zeit stillstehen oder sogar als Bauruinen enden.“

Sprecher: Wohnungseigentümer müssen selbst weiterbauen

Für das Norderstedter Projekt gibt es aber schon einen Lösungsweg. Nach Angaben von Schultze & Braun heißt dieser, wie bei sechs weiteren, recht fortgeschrittenen Bauprojekten in Deutschland: „Weiterbau durch die Wohneigentümergemeinschaft.“ Im Klartext: Die Käufer müssen irgendwie in Eigenregie das Projekt des pleitegegangenen Bauträgers zu Ende bringen. Sie können sich also zum Beispiel einen neuen Generalunternehmer suchen, oder selbst alle Gewerke einzeln beauftragen.

Weitere Details erläutert der Sprecher der Insolvenzverwaltung. „Die Wohnungen in Norderstedt sind alle verkauft worden“, sagt er zunächst. Die Bezahlung sei „nach Baufortschritt“ erfolgt. Bei der Stellung des Insolvenzantrags sei dieser bei „83 Prozent“ gewesen. Die Personen, die die Wohnungen gekauft haben, seien nun „Eigentümer ihrer Wohnungen und des Gemeinschaftseigentums, weitere Raten müssen sie nicht mehr zahlen.“

Aber sie müssen eben „als Wohneigentümergemeinschaft“ den „Fertigbau“ der bisher zu 83 Prozent fertigen Immobilie „selbst organisieren“. Dazu habe „der Insolvenzverwalter ihnen alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt.“

Konkretere Angaben zum Stand der Dinge gibt es nicht

Konkretere Angaben zum Stand der Dinge und darüber, was „zu 83 Prozent fertig“ bedeutet, kann der Sprecher nicht machen. Anwohner des Neubaus, der zwischen Segeberger Chaussee und dem Kielortring liegt, berichten aber, dass seit etwa sechs Monaten auf dem Baustellengelände nichts mehr passiert sei. Zumindest von außen sehen die drei Baukörper recht fertig aus. Der parkähnliche Außenbereich, die in der Projektbeschreibung als „Grüne Anlage mit Spielmöglichkeiten für Kinder“ angepriesen, fehlt aber noch völlig.

Welche Kaufpreise für die Wohnungen gezahlt wurden, kann der Sprecher der Insolvenzverwaltung nicht sagen. Allerdings gibt es vergleichbare Neubauprojekte, zum Beispiel „Ohe79“, geplant und vermarktet von der Sparkassen-Immobiliengesellschaft Holstein. „Ohe79“ liegt an derselben Straße, nur zwei Kilometer weiter westlich. Eine Drei-Zimmer-Wohnung kostet hier zwischen 360.000 und 408.000 Euro. Der Standard (Fußbodenheizung, „namhafte Markenhersteller“ bei Bad und Heizung) ist vergleichbar.

Schickes Ambiente auf einer der Dachterrassen.
Schickes Ambiente auf einer der Dachterrassen. © Project Immobilien | Project Immobilien

Es ist also anzunehmen, dass zum Beispiel der Käufer einer familientauglichen Vierzimmerwohnung im Neubau NORDER Living eine halbe Million oder mehr in die Hand nehmen musste. Und wer als Single eine kleine Wohnung kaufte, wird ebenfalls eine sechsstellige Summe bezahlt haben. Die Budgets indes, die diese Käufer einmal vor ein paar Jahren eingeplant haben, dürften kaum noch zu halten sein. Denn nun schlagen eine Insolvenz, sechs Monate Stillstand auf dem Bau, der Wechsel von Unternehmern, gestiegene Baukosten und weitere Widrigkeiten zu Buche.

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Zu befürchten ist, dass das den einen oder anderen Wohnungskäufer finanziell überfordert. Und dass dann, wenn die Bauarbeiten einmal weitergehen, der Traum von der „neuen Heimat, inmitten von Grünzügen und Natur“ jäh platzt. Im schlimmsten Fall droht Norderstedt das, was der Insolvenzverwalter in seiner Pressemitteilung als Möglichkeit andeutet: eine Bauruine.