Kaltenkirchen. Die Gastronomen Beatrix und Klaus Kirst erheben schwere Vorwürfe gegen die Stadt: „So kann man nicht miteinander umgehen.“
Wer sich vor wenigen Tagen die Homepage und die Facebook-Seite der Trauben Marina angeschaut hat, könnte auf den ersten Blick glauben, in dem erst vor vier Monaten eröffneten Bistro sei die gastronomische Welt noch in Ordnung. Angebote der Weinhandlung stehen neben dem Event-Kalender, das Lokal informiert über sein soziales Engagement, zum Beispiel in der Ukraine. Auch die Weinbar hat geöffnet. Vom Frühstück bis zum späten Snack ist alles zu haben – allerdings nicht mehr lange. Das Lokal Trauben Marina schließe demnächst. Das hat das Gastronomenehepaar Beatrix und Klaus Kirst in einem neuen Post am Dienstag angekündigt. Schilder mit dieser Information hängen auch an den großen Fenstern.
Die Kirsts haben genug von dem Ärger mit der Stadt, die nach der verspäteten Fertigstellung des Rathausanbaus die Räume für das Lokal im Erdgeschoss an das Ehepaar verpachtet hat. Sie haben hingeworfen und erheben schwere Vorwürfe in Richtung der benachbarten Stadtverwaltung, die zunächst als Bauherr, dann als Vermieter für die Gastronomieflächen verantwortlich war und ist.
Nichts als Ärger: Trauben Marina schließt am 31. März
Auslöser war Ende Januar ein Rohrbruch in den WCs mit einer übelriechenden Überschwemmung im Keller. Der Unfall wurde an einem Sonntag entdeckt. Als die Handwerker endlich am folgenden Mittwoch anrückten, war der Gestank bis ins Bistro gedrungen. Wände und Tapeten im Untergeschoss haben sich vollgesaugt. Bis heute können weder Gäste noch Beschäftigte diese Toiletten nutzen, nur das Behinderten-WC im Erdgeschoss steht noch zur Verfügung.
.„Rotz und Wasser“ habe sie geheult, als sie und ihr Mann die Entscheidung trafen, die Trauben Marina zum 31. März zu schließen, sagt Beatrix Kirst. Sie wollte sich mit ihrem Mann einen Traum erfüllen und ein 200 Quadratmeter großes Bistro mit leichten und gesunden Snacks und Getränken einrichten. Zehn Mitarbeiter haben sie eingestellt und wollten 250.000 Euro investieren. 68 Plätze bietet das Bistro Trauben Marina drinnen, weitere 72 finden bei schönem Wetter draußen unter den Arkaden und im Rathausgarten Platz.
Der Einzug verzögerte sich um Monate, dann lief das WC über
Die Pleiten, Pech und Pannen begannen schon lange vor dem unangenehmen Rohrbruch mit Verzögerungen und Mängeln, die die Eröffnung immer wieder verzögerten und das Ehepaar in den Bankrott zu führen drohten. Am 1. September wollte das Ehepaar Kirst das neue Lokal im 6,4 Millionen Euro teuren Anbau des Rathauses eröffnen, doch daraus wurde wegen der Bauverzögerungen nichts.
Am 12. November konnten sie endlich mit dem Einzug beginnen, doch damals war immer noch längst nicht alles fertig. Das Problem: Den Mietvertrag für die alte Trauben Marina an der Straße Am Markt war gekündigt, doch in die neue Location im Rathausanbau kamen sie nicht hinein. Um finanziell die größten Probleme zu vermeiden, zog das Lokal vorübergehend vor dem Rathaus in einen Schankcontainer und ein Zelt ein, in dem die Stadt wie nebenbei Fotos zum Stadtjubiläum ausstellte. Gäste kamen jedoch nur wenige, das Provisorium erwies sich nicht als verlockend. Gerade mal 20 Prozent des benötigten Umsatzes kamen zusammen.
Dennoch waren die Kirsts zu diesem Zeitpunkt der Stadt dankbar, dass sie das Zelt sowie Lagerräume zur Verfügung gestellt hatte. Sie machten vor allem dem Architektenbüro Winking Froh Architekten GmbH Vorwürfe. Beatrix sagte damals: „Die Mängel gehen alle auf die Planungen des Architekten zurück.“ Architekt Martin Froh aus Berlin machte seinerseits in einem Interview der Stadt für die Verzögerungen verantwortlich.
Fest steht dennoch: Nicht der Architekt ist der Ansprechpartner der Mieter, sondern die Stadt als Eigentümer. Und dieses Verhältnis ist zerrüttet. Seit Juni 2023 kritisieren die Gastronomen, dass die Türen zur Terrasse nicht nutzbar sind. Draußen fehlt der seit Monaten angemahnte Windschutz. „Uns sind das Herbst- und das Wintergeschäft mit Weihnachten verloren gegangen“, sagt Beatrix Kirst. Und jetzt werde auch das Frühlingsgeschäft wegfallen, weil die Außengastronomie wegen der Türen und des fehlenden Windschutzes nicht nutzbar ist.
Die Gastronomen fordern eine Auflösung des Mietvertrages
Auch auf ein Übergabeprotokoll, das beim Einzug erstellt wurde, wartet das Ehepaar nach eigenen Angaben bis heute. Außerdem werfen beide Bürgermeister Stefan Bohlen vor, die Zusage seines Vorgängers Hanno Krause nicht einzuhalten. Er hatte wegen der massiven Bauprobleme zwei Monate Mietfreiheit zugesagt. Bohlen soll sich nur bereit erklärt haben, zehn Prozent Nachlass zu gewähren – für eine Immobilie, die nur sehr begrenzt nutzbar ist. „So kann man nicht miteinander umgehen“, sagt Klaus Kirst. Besonders übel nimmt er dem Bürgermeister, dass er schon drei Tage nach der Ankündigung, die Trauben Marina zu schließen, in einem Interview davon sprach, bereits mit einem Nachmieter gesprochen zu haben.
Um nicht gleich zu Beginn der Geschichte der Trauben Marina in die Pleite zu rutschen, haben die Kirsts mit dem Privatvermögen „massiv quersubventioniert“. Inzwischen geht beide davon aus, dass sie einen Verlust in sechsstelliger Höhe gemacht haben. Sie wollen nur noch raus und hoffen wenigstens auf ein Übereinkommen mit der Stadt bei der Auslösung des Mietvertrages, der bis 2028 läuft. Außerdem hat das Ehepaar einen Anwalt beauftragt, seine Interessen wahrzunehmen.
Trauben Marina in Kaltenkirchen: Der Ausverkauf hat begonnen
Die Kirsts haben schon damit begonnen, Waren in der Weinhandlung 20 Prozent billiger zu verkaufen. Beim Frühlingsfest in der Kaltenkirchener Innenstadt am Sonntag, 24. März, beginnt der Verkauf des Inventars, der in den Tagen danach fortgesetzt werden soll. Was dann noch übrig ist, kommt in die Garage des Ehepaares, das mit Gastronomie erst einmal nicht mehr zu tun haben will. „Wir werden uns neu orientieren“, sagt Beatrix Kirst, die mit ihrem Mann von dem Geld leben wird, das sie bei der Lufthansa verdient. Beide wollen sich erholen. „Das hat uns psychisch und körperlich sehr mitgenommen.“
Dass es bei einem Neubau zu Mängeln komme, die nachträglich behoben werden müssen, bezeichnet die Büroleiterin im Rathaus, Meike Wölfel, als nicht ungewöhnlich. Aus Sicht der Stadt seien die Mängel beim Einzug im November nicht so gravierend gewesen, dass der Betrieb beeinträchtigt gewesen sei. Dass nun auch noch die WC-Anlage im Keller ausgefallen sei, bezeichnete Wölfel als „sehr unglücklich“.
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Sie wies darauf hin, dass die Stadt das Ehepaar Kirst immer wieder unterstützt habe. So habe sie den Schankcontainer bezahlt und den Umzug und die Einlagerung von Mobiliar unterstützt. „Auch die Stadt hat investiert“, sagte Wölfel. Auch die Stadt sei an einem Auflösungsvertrag interessiert. Darüber verhandeln nach Wölfels Angaben die Anwälte beider Seiten. Ende dieser oder Anfang kommender Woche solle Klarheit geschaffen werden.
Der Leerstand könnte nach dem Auszug der Trauben Marina von nur kurzer Dauer sein. Ein erster Interessent habe sich bereits gemeldet, sagte Wölfel.