Norderstedt. Kunden sparen an der gesunden Ernährung, klagen die Händler in Norderstedt. Ist es im Supermarkt wirklich billiger? Ein Vergleich.

Viele Menschen müssen sparen und geben deshalb weniger Geld für frische Waren auf Wochenmärkten aus, kaufen stattdessen im Supermarkt. Das ist ein deutschlandweiter Trend, den Branchenverbände registrieren. Und er ist auch sehr deutlich in Norderstedt spürbar, wie viele Marktbeschicker berichten. Das Bild auf den Wochenmärkten könnte sich deshalb schon bald sichtlich ändern, zumal viele Stände kein Personal oder keine Nachfolger finden. Das alles, obwohl Marktstände manchmal sogar deutlich günstiger sind als die Discounter – das zeigt ein Vergleich in Norderstedt.

Händler Thorsten Kolumbe: „Leute sparen lieber am Essen als am Urlaub“

„Wir merken, dass die Kunden sparen. Schon seit etwa eineinhalb Jahren geht das so“, sagt Thorsten Kolumbe. Er ist seit Jahrzehnten mit seinem Marktstand, an dem es Eier und Geflügelfleisch gibt, auf dem Garstedter Wochenmarkt. Und er ist auch einer von zwei Gesellschaftern der „Norderstedter Wochenmärkte GbR“, kennt deshalb die Situation vieler Händler. Die Coronazeit hätte die Umsätze auf den Märkten eine Weile beflügelt, da viele aus Angst vor dem Virus lieber an der frischen Luft kauften. Doch danach kamen der Ukraine-Krieg und die Inflation. „Alles wird teurer. Und viele Leute sparen eben lieber am Essen als am Urlaub“, sagt Thorsten Kolumbe.

Markthändler Thorsten Kolumbe bietet auf dem Wochenmarkt in Garstedt Geflügel und Eier an.
Markthändler Thorsten Kolumbe bietet auf dem Wochenmarkt in Garstedt Geflügel und Eier an. © FMG | Claas Greite

Marktsprecherin Karen Meier: „Geld ist bei vielen nicht mehr so da“

Karen Meier ist Inhaberin von „Karens Grillimbiss“ und außerdem Marktsprecherin in Norderstedt-Mitte. Sie bestätigt das: „Das Geld ist bei vielen nicht mehr so da. Deshalb ist es ruhiger geworden auf dem Markt.“ Sie selbst habe an ihrem Stand zwar keine Umsatzrückgänge, aber vielen anderen gehe es so. Zum Beispiel Elif Camoglu, Mitinhaberin des Obst- und Gemüsestandes Önok, der donnerstags auf dem Norderstedter Rathausmarkt zu finden ist. „Wir haben auf jeden Fall weniger Umsätze“, sagt sie.

Karen Meier, Inhaberin von „Karens Grillimbiss“ und Marktsprecherin in Norderstedt-Mitte.
Karen Meier, Inhaberin von „Karens Grillimbiss“ und Marktsprecherin in Norderstedt-Mitte. © FMG | Claas Greite

Sehr deutlich wird Lasse Tamke, Inhaber des Standes „Obsthof Tamke“, der unter anderem Waren vom eigenen Hof im Alten Land führt: „Seitdem der Ukraine-Krieg ausgebrochen ist, haben wir 70 Prozent Umsatzeinbußen.“ Themen wie gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit seien bei vielen in den Hintergrund getreten. „Jetzt wird gespart, im Alltag, beim Essen. Am Urlaub wollen die Leute ja nicht sparen.“

Tamke steht immer freitags mit seinem Wagen auf dem Garstedter Wochenmarkt hinter dem Herold Center. Er brennt für die Themen gesunde Ernährung und ökologische Landwirtschaft, weiß, woher jedes Produkt kommt, kann beraten, erzählen, ins Schwärmen geraten über Clementinen, die noch nach Clementinen schmecken und Möhren, die noch wirklich aromatisch sind.

Aber wie federt man 70 Prozent Umsatzrückgang ab? „Das lässt sich eigentlich nicht abfedern“, sagt er. Sein Versuch, es so gut wie möglich zu tun: Er kaufe weniger ein, habe dadurch eine „schmalere Produktpalette. Und wenn etwas weg ist, ist es eben weg.“ Elif Camoglu macht es ganz anders. Sie versucht, durch eine „Ausweitung des Sortiments“ neue Kunden zu gewinnen, hat neuerdings etwa bestimmte Südfrüchte im Programm.

Wo ist es günstiger? Wochenmarkt und Supermarkt im Vergleich

So wie Elif Camoglu und Lasse Tamke sprechen einige Händler auf den Märkten in Norderstedt-Mitte und Garstedt. Kunden, die sparen müssen, kaufen weniger oder gar nicht mehr auf dem Markt ein und gehen stattdessen in den Supermarkt, heißt es. Was sie verlieren, ist jedem klar, der mal auf einem Wochenmarkt war. Es fehlen die frische Luft, das persönliche Gespräch mit den Händlern und eben auch deren Beratung. Dinge, die sich eigentlich nicht mit Geld aufwiegen lassen. Aber ist es im Supermarkt eigentlich überhaupt immer günstiger? Das wollten wir genauer wissen und haben fünf Produkte verglichen.

Produkt 1: Ein Apfel der Sorte „Elstar“

Elif Camoglu vom Gemüsestand Önok mit einem Elstar-Apfel.
Elif Camoglu vom Gemüsestand Önok mit einem Elstar-Apfel. © FMG | Claas Greite

Produkt eins kaufen wir bei Eilf Camoglu. Es ist ein Apfel der Sorte „Elstar“, der kostet 37 Cent. Bei Aldi in Norderstedt-Mitte finden wir sechs abgepackte Elstar-Äpfel zum Preis von 2,29 Euro. Einer kostet also 38 Cent. Bei Edeka „S. Lätsch“ in Norderstedt-Mitte finden wir Elstar-Äpfel zum Kilopreis von 2,99 Euro, dafür bekommen wir auch hier sechs Äpfel. Einer kostet damit ziemlich genau 50 Cent. Punkt für den Wochenmarkt.

Produkt 2: Ein Kilo Möhren

Normale Möhren oder „Moormöhren“ kann man bei Lasse Tamke kaufen.
Normale Möhren oder „Moormöhren“ kann man bei Lasse Tamke kaufen. © FMG | Claas Greite

Produkt zwei ist ein Kilo Möhren, das wollen wir bei Lasse Tamke kaufen. Er hat Möhren aus ökologischem Anbau aus Deutschland für 2,90 Euro, außerdem besondere „Moormöhren“, an denen noch die Erde klebt, für 4,60 Euro das Kilo. Bei Aldi finden wir Möhren aus Italien, zum Kilopreis von 1,99 Euro. Bei Edeka gibt es „Speisemöhren aus Deutschland“, ebenfalls zum Kilopreis von 1,99 Euro. Hier ist der Supermarkt also billiger. Wer den höheren Preis auf dem Wochenmarkt zahlt, bekommt allerdings ein Produkt aus wirklich nachhaltigem Anbau, von Bauern, die er persönlich kennt, wie Tamke versichert.

Produkt 3: Sechs Eier aus Freilandhaltung

Bei ihr kosten sechs Freilandeier 2,49 Euro: Nadja Bornkast, Mitinhaberin des Standes „Hof Spahr“.
Bei ihr kosten sechs Freilandeier 2,49 Euro: Nadja Bornkast, Mitinhaberin des Standes „Hof Spahr“. © FMG | Claas Greite

Produkt drei: Sechs Eier aus Freilandhaltung. Wir kaufen sie auf dem Norderstedter Rathausmarkt bei Nadja Bornkast, der Mitinhaberin des Standes „Hof Spahr“, der neben Eiern auch selbst hergestellten Honig verkauft. 2,49 Euro kosten die sechs Eier hier. Bei Aldi bekommen wir sechs Freilandeier für 1,99 Euro, bei Edeka für 2,10 Euro. Wenn man das besondere Einkaufserlebnis auf dem Wochenmarkt mal weglässt, könnte man sagen: Punkt für die Supermärkte.

Produkt 4: Frischkäse

Selbstgemachten Frischkäse gibt‘s bei Reinhard Schümann.
Selbstgemachten Frischkäse gibt‘s bei Reinhard Schümann. © FMG | Claas Greite

Frischkäse kaufen wir bei Reinhard Schümann auf dem Garstedter Wochenmarkt. Der Frischkäse ist „selbstgemacht“, wie er betont, und zwar „mit erntefrischem Bärlauch“. Dafür kostet er auch ein bisschen was, nämlich 2,55 Euro für 100 Gramm. Frischkäse bekommen wir auch bei Aldi im Kühlregal, die 150-Gramm-Packung kostet 1,29 Euro. 100 Gramm kosten also gut einen Euro. Bei Edeka gibt‘s im Kühlregal viele Sorten Frischkäse, zum Beispiel die 300-Gramm-Packung „Kräuterfrischkäse“ von „Gut & Günstig“ für 1,39 Euro. Wir landen bei einem Preis von 46 Cent pro 100 Gramm. Okay, viel billiger als bei Reinhard Schümann. Aber irgendwie nicht dasselbe.

Produkt 5: Ein Hähnchen

Kilopreis für das Hähnchen bei Thorsten Kolumbe: 7,50 Euro.
Kilopreis für das Hähnchen bei Thorsten Kolumbe: 7,50 Euro. © FMG | Claas Greite

Um ein ganzes Hähchen zu kaufen, gehen wir wieder zu Thorsten Kolumbe. Der hat sehr viele davon, und zwar zum „Kilopreis von 7,50 Euro“, wie er sagt. Wo die Hähnchen herkommen, kann er auch genau sagen: „Wir kennen den Betrieb gut, der ist in Deutschland, in Steinfeld. Der arbeitet seit vielen Jahren ohne Antibiotika.“ Bei Edeka an der Fleischtheke berät uns ein freundlicher Mitarbeiter, er hat ein abgepacktes „Maishähnchen, grillfertig“ für uns, zum Kilopreis von 5,99 Euro. Doch zurück zu Aldi, zum Kühlregal. Dort finden wir, in einer eher wenig ansprechenden Verpackung aus durchsichtigem Plastik, auch ein Hähnchen. „Gut Bio“ steht auf dem Aufkleber. Der Kilopreis: 9,99 Euro. Wer die Wahl hat...

Aber auch wenn der Wochenmarkt hier und da sogar günstiger ist: Lasse Tamke findet die Preisdebatte eigentlich nicht richtig. „Wer am Essen spart, spart an sich selbst“, meint er. Er wünscht sich, dass es ein „besseres Bewusstsein für Nahrungsmittel“ gibt. Und das könnte dann heißen, dass die Menschen im Zweifel vielleicht nicht bei den Lebensmitteln, sondern lieber an anderer Stelle sparen.

Keine Umsatzeinbußen, aber Fachkräftemangel bei „Fisch-Lanz“

André Lanz, Inhaber des Standes Fisch-Lanz, mit Tochter Christina, die am Stand mitarbeitet.
André Lanz, Inhaber des Standes Fisch-Lanz, mit Tochter Christina, die am Stand mitarbeitet. © FMG | Claas Greite

Kunden, die den Wert von frischer Ware schätzen, gibt es durchaus noch. Und so klagen auch nicht alle Markthändler über schlechtere Geschäfte. „Wir verzeichnen keine Umsatzeinbußen“, versichert etwa André Lanz, Inhaber des Standes „Fisch-Lanz“, der unter anderem auf dem Wochenmarkt in Norderstedt-Mitte zu finden ist. Aber ein Problem vieler Markthändler teilt er doch: „Wir haben Personalmangel, suchen dringend nette Verkäufer“, sagt er. Interessenten könnten sich gerne bei ihm melden.

Was sich auf den Norderstedter Märkten bald ändern könnte

Der Personalmangel, die erfolglose Suche nach geeigneten Nachfolgern: das ist laut Thorsten Kolumbe das zweite große Problem vieler Marktbeschicker. Beides führt dazu, dass es wohl demnächst Veränderungen auf den Norderstedter Märkten geben wird. „Wir verhandeln gerade mit der Stadt über eine Verkaufszeitenverkürzung“, so Kolumbe. Einige seiner Kollegen, so sagt er, könnten nicht mehr bis 18 Uhr auf den Märkten stehen. Sie wollen schon um 16 Uhr ihre Stände zu machen. Das gelte für Garstedt und Norderstedt-Mitte. Im Gespräch sei, dass es dann Bereiche gebe, in denen schon früher Schluss sei.

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„Die goldenen Jahre der Wochenmärkte ist vorbei“, sagt Kolumbe. Lange her sei das. Er spricht von den 80er-Jahren, als man noch ganz andere Umsätze machte. Kommt nicht wieder. Trotzdem liebt er seinen Job und macht ihn weiter, betont er: „Der Markt ist mein Lebensmittelpunkt. Hier redet man noch mit den Kunden. Dieses Persönliche, das ist schon was Besonderes.“