Zum Auftakt ihres Prozesses kündigten beide Angeklagte Geständnisse an. Wie die Autodiebe in Norderstedt und anderen Orten vorgingen.

Zwei polnische Staatsbürger müssen sich seit Mittwoch wegen gewerbsmäßigen Diebstahls teurer Geländewagen vor dem Kieler Landgericht verantworten. Zum Auftakt ihres Prozesses kündigten beide Angeklagte Geständnisse an. Vorausgegangen waren mehrstündige Verständigungsgespräche zwischen Strafkammer, Staatsanwalt und Verteidigern.

Nach dem gegen 12 Uhr mittags geschlossenen „Deal“ können die beiden Familienväter als Gegenleistung für umfassende Geständnisse mit milden Freiheitsstrafen rechnen. Dem seit September 2023 in U-Haft sitzenden Hauptangeklagten werden fünf Taten vorgeworfen. Weil alle gestohlenen Fahrzeuge (Gesamtwert: rund 300.000 Euro) wieder an ihre rechtmäßigen Besitzer zurückgingen, kann der 41-Jährige mit einer Freiheitsstrafe nicht über drei Jahre und drei Monate rechnen.

Nicht vorbestrafter Komplize hofft auf Bewährung

Noch günstiger sieht die Prognose für seinen gleichaltrigen Landsmann aus, der ihn bei den letzten drei Diebeszügen nach Schleswig-Holstein und Niedersachsen begleitete: Dem nicht vorbestraften Polen stellte die Strafkammer eine maximal zweijährige Bewährungsstrafe in Aussicht. In den ersten zwei Fällen war der ebenfalls in Polen lebende Hauptangeklagte laut Vorwurf mit einem anderen Komplizen unterwegs.

Dessen Identität ist bisher unbekannt. Erstmals hatten die Autodiebe Mitte März in Norderstedt zugeschlagen. Am Böhmerwald stahlen sie das kostbarste Stück: Den 75.000 Euro teuren Geländewagen fuhren sie zunächst nach Bad Segeberg, wo sie ihn am Konrad-Adenauer-Ring abstellten. Ausgerüstet mit falschen Nummernschildern wurde der Wagen von einem Transportunternehmen nach Polen befördert. Die Spedition soll nichts von seiner Herkunft gewusst haben.

Diebe programmierten Schlüsselduplikate für Türöffnung und Motorstart

Wie Staatsanwalt Nils Altenburg in der Anklage ausführte, arbeiteten die Autodiebe stets nach demselben „Modus operandi“: Den offenbar technisch versierten Tätern gelang es, die Schließelektronik der Fahrzeuge zu überlisten und mitgeführte Schlüsselduplikate für die Öffnung der Türen und den Start des Motors zu programmieren. Danach wurden die Kfz zunächst an einem unauffälligen Ort in der Nähe abgestellt und später in aller Ruhe mithilfe einer Spedition nach Polen geholt.

Ob die Ermittler den Autodieben über versteckte GPS-Sender auf die Spur kamen, wurde im Prozess noch nicht erörtert. Die Verhandlung wird am Freitag mit den Aussagen der Angeklagten fortgesetzt. Fest steht, dass am 18. März ein zuvor in Lüneburg gestohlener Jeep Wrangler (Wert: rund 59.000 Euro) in Bad Segeberg zum Abtransport nach Polen auf einen Lkw verladen werden sollte. Hier schritt bereits die Polizei ein.

Im Mietwagen spähten die Diebe Tatorte aus

In einem Mietwagen sollen sich die Autodiebe auch danach wieder auf die Suche nach lohnenden Beutestücken gemacht haben. Ein in Stapelfeld (Kreis Stormarn) gestohlener Pick-up des Typs Dodge Ram (Wert: 60.000 Euro) wurde zunächst in Mölln abgestellt, ein im Juli in Ahrensburg entwendeter Jeep Wrangler in Geesthacht (Kreis Herzogtum Lauenburg) zwischengelagert.

Unter polizeilicher Beobachtung standen die Täter, als sie im September in Sittensen (Niedersachsen) nahe der Autobahn 1 einen Jeep Cherokee stahlen. Die Diebe fuhren den rund 40.000 Euro teuren Geländewagen eine Autobahnausfahrt weiter zum nächsten Dorf. Dort rüsteten sie ihn mit ukrainischen Kennzeichen aus und lackierten die Fahrzeugidentitätsnummer (FIS) auf der Frontscheibe über. Nördlich von Bremen wurden die Männer schließlich beim Versuch festgenommen, den Jeep auf einen Autotransporter zu verladen.

Strafkammer verurteilte schon im Dezember Autoschieber aus Polen

Für den Prozess hat das Landgericht drei Fortsetzungstermine bis Mitte März angesetzt. Dank der Verständigung könnte das Urteil schon früher fallen. Erst kurz vor Weihnachten hatte dieselbe Strafkammer zwei Mitglieder einer polnischen Autoschieberbande verurteilt, die sich auf Kleintransporter aus ganz Schleswig-Holstein spezialisiert hatte.

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Demnach verhängte das Gericht dreieinhalb Jahre Haft gegen einen 57-jährigen sowie zwei Jahre und neun Monate gegen einen 46-jährigen polnischen Staatsbürger. Die Verurteilung wegen schweren Bandendiebstahls entsprach ebenfalls einer Verständigung, auf die man sich zur Verkürzung des Verfahrens geeinigt hatte.

Betroffen waren Autohäuser in ganz Schleswig-Holstein

Die mindestens sechsköpfige Bande hatte laut Vorwurf Kleintransporter im Gesamtwert von 288.000 Euro gestohlen. Die von Polen aus ansteuerten Autohäuser und Werkstätten lagen in Rendsburg, Neumünster, Neustadt/Holstein, Bad Segeberg, Norderstedt, Henstedt-Ulzburg, Schuby und Böklund (Kreis Schleswig-Flensburg), Heide (Kreis Dithmarschen) und Börnsen (Kreisherzogtum Lauenburg).