Norderstedt. An der Harckesheyde und Falkenbergstraße haben sich Archäologen auf die Suche nach alten Siedlungsspuren begeben. Was dort geplant ist.

Da, wo bald 100 geförderte Wohnungen und ein Dutzend Reihenhäuser in Norderstedt gebaut werden sollen, waren jetzt Archäologen am Start. Mit eher kleinem Gerät – nur einem Bagger. Dieser trug auf dem künftigen Baugrundstück an der Harckesheyde gegenüber vom Containerstellplatz in vier jeweils 100 Meter langen und vier Meter breiten Streifen die obersten Erdschichten ab. Auf der Suche nach möglicherweise sehr alten Spuren menschlichen Lebens, die sich hier unter der Erde verbergen könnten.

„Wir machen hier eine archäologische Voruntersuchung und sind auf der Suche nach früheren Siedlungsspuren, alten Gräbern oder Überresten aus der Vorzeit“, erklärt Matthias Lindemann. Diese Voruntersuchungen seien bei großen Bauvorhaben heutzutage verpflichtend für die Investoren, um mögliche frühgeschichtliche Spuren zu dokumentieren, zu sichern und für die Nachwelt zu erhalten, erklärt der erfahrene Grabungsleiter des Archäologischen Landesamtes.

Gefunden wurden ein paar alte Keramik- und Porzellanscherben

Es wurden nur ein paar Porzellanscherben zutage gefördert – aber nichts „Archäologisches“.
Es wurden nur ein paar Porzellanscherben zutage gefördert – aber nichts „Archäologisches“. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Mit dem Kollegen Andreas Noroschat und einem Baggerfahrer sind sie knapp eine Woche lang dem nassen, vom Regen durchweichten Erdboden auf den Grund gegangen. Aber gefunden hätten sie nur ein paar alte Keramik- und Porzellanscherben wie den Verschluss einer früheren Kümmelschnapsflasche. „Es war aber nichts Archäologisches dabei“, fasst Archäologe Lindemann das Ergebnis der Ausgrabung in Harksheide zusammen. „Das freut den Investor“, sagt er. „Der bekommt von uns eine Freigabe und kann aus unserer Sicht anfangen zu bauen.“

Diese Feuersteinklinge ist im vorigen Jahr im Glasmoor auf dem Mineralboden nach dem Torfabtrag gefunden worden. Dieses Werkzeug ist knapp zehn Zentimeter lang und stammt aus der Jungsteinzeit, dem Neolithikum, möglicherweise von Menschen der Trichterbecherkultur, welche die Megalithgräber (Hünengräber) errichtet haben, erklärt Archäologe Matthias Lindemann.
Diese Feuersteinklinge ist im vorigen Jahr im Glasmoor auf dem Mineralboden nach dem Torfabtrag gefunden worden. Dieses Werkzeug ist knapp zehn Zentimeter lang und stammt aus der Jungsteinzeit, dem Neolithikum, möglicherweise von Menschen der Trichterbecherkultur, welche die Megalithgräber (Hünengräber) errichtet haben, erklärt Archäologe Matthias Lindemann. © Burkhard Fuchs | Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein

Dieses Ergebnis sei aber nicht auf Anhieb zu erwarten gewesen, sagt Lindemann. Im vorigen Jahr hätten sie nur ein paar Hundert Meter Luftlinie entfernt im Norderstedter Glasmoor eine sehr gut erhaltene und sehr scharfe uralte Klinge eines Feuersteins entdeckt und ausgebuddelt, erzählt er. „Die etwa zehn Zentimeter Klinge stammt aus der Jungsteinzeit und ist wohl mehr als 5000 Jahre alt.“

Das Moorgebiet wurde schon vor etwa 3500 Jahren besiedelt

Dieses Werkzeug sei eine frühgeschichtliche Hinterlassenschaft von Menschen der Trichterbecherkultur, welche die Megalithgräber (Hünengräber) errichtet haben. Der außergewöhnliche Fund beweise, dass dieses Moorgebiet schon vor etwa 3500 Jahren vor Beginn unserer Zeitrechnung von Menschen besiedelt war.

Das Gerät des Archäologen speichert die möglichen Fundstellen genau mit ihren GPS-Daten.  
Das Gerät des Archäologen speichert die möglichen Fundstellen genau mit ihren GPS-Daten.   © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Auch der ehemalige Eigentümer des Grundstücks an der Harckesheyde, das mehrere Generationen lang im Besitz seiner Familie war, Jürgen Eschenhorst, hatte nicht mit einem archäologischen Fund gerechnet. Er wisse noch, dass sein Großvater im 19. Jahrhundert Torfballen aus Harksheide in Hamburg verkauft habe und dann mit Essensresten und Tellerscherben aus den dortigen Gaststätten zurückgekehrt sei, sagt er. „Die wurden dann als Düngemittel verwendet. Der Acker war ja so karg.“

Der Bagger hat auf dem künftigen Baugrundstück zwischen Harckesheyde und Falkenbergstraße den Boden etwa einen Meter tief abgetragen.
Der Bagger hat auf dem künftigen Baugrundstück zwischen Harckesheyde und Falkenbergstraße den Boden etwa einen Meter tief abgetragen. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Geplant ist der Bau von 220 Wohnungen und 45 Reihen- und Doppelhäusern

Inzwischen gehört das Areal dem Quickborner Bauunternehmer Joachim Schaffarzyk. Insgesamt habe er hier an der Harckesheyde und ganz im Norden an der Falkenbergstraße 62.000 Quadratmeter Land erworben, um dort etwa 220 Wohnungen und 45 Reihen- und Doppelhäuser zu errichten, berichtet er. „Wir werden dort in den nächsten fünf Jahren rund 100 Millionen Euro investieren“, kündigt Schaffarzyk an, der bereits vor ein paar Jahren direkt nebenan an der Harckesheyde 94 A-F mehrere Reihenhäuser gebaut hat. „Wir haben in Norderstedt schon etwa 700 Wohneinheiten errichtet.“

Im ersten Schritt sollen jetzt zwischen der Harckesheyde und Falkenbergstraße rund 100 geförderte Sozialwohnungen in acht Wohnblocks auf vier Etagen errichtet werden, kündigt Schaffarzyks Architektin Christina Walter an. Zudem seien dort etwa ein Dutzend Reihenhäuser geplant. Die Sozialwohnungen würden dann je nach Förderweg zwischen 6,80 Euro und 8,50 Euro je Quadratmeter Nettokaltmiete im Monat kosten. Auf dem zweiten Baugrundstück, östlich der Falkenbergstraße würden dann etwa 120 frei finanzierte Wohneinheiten und nochmal 26 Reihen- und Doppelhäuser hinzukommen.

Joachim Schaffarzyk und Architektin Christina Walter planen auf dem sechs Hektar großen Baugrundstück an der Harckesheyde und der Falkenbergstraße fast 300 Wohneinheiten mit etwa 100 Sozialwohnungen.
Joachim Schaffarzyk und Architektin Christina Walter planen auf dem sechs Hektar großen Baugrundstück an der Harckesheyde und der Falkenbergstraße fast 300 Wohneinheiten mit etwa 100 Sozialwohnungen. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Straßen werden nach Charlotte Paschen und Liesel Hünichen benannt

Jetzt werde zunächst mit der Erschließung des Baugrundstücks begonnen, wie dies im Bebauungsplan 329 vom Herbst 2023 festgelegt worden sei, erklärt Investor Joachim Schaffarzyk. Auch die Förderzusage von der Investitionsbank aus Kiel müsse noch erteilt sein, bevor der Bauantrag gestellt werde. Die Namen der Erschließungsstraßen stehen bereits fest. Von der Harckesheyde wird die Charlotte-Paschen-Straße zu den neuen Häusern führen – in Gedenken an Norderstedts erste frühere Stadtpräsidentin (2003 bis 2008). Die andere Erschließungsstraße wird nach Liesel Hünichen benannt, die 1974 als erste CDU-Frau in den Segeberger Kreistag gewählt worden war und erst vor drei Jahren im Alter von 101 Jahren verstorben ist.

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Wie schnell das Mega-Bauprojekt im Stadtteil Harksheide realisiert und die dringend benötigten Wohnungen in der Größe zwischen 35 und 100 Quadratmetern errichtet werden, hänge aber von der konjunkturellen Entwicklung ab, erklärt Schaffarzyk. Im Moment bremsten die hohen Baupreise und enorm gestiegenen Bauzinsen die Bautätigkeit. In diesem Jahr würden wohl mit 150.000 Wohneinheiten nur noch halb so viele errichtet werden als im vorigen Jahr. Weit entfernt vom Ziel der Bundesregierung, 400.000 Wohneinheiten im Jahr zu bauen.

Auch ein neuer Wanderweg ist geplant

Allein 36.700 Quadratmeter für das Bauvorhaben würden als Ausgleichsfläche zur Verfügung stehen, erläutert Schaffarzyk. Und besonders interessant und attraktiv für die Norderstedter Bevölkerung dürfte auch der neue Wanderweg sein, der von der Harckesheyde durch einen Grünstreifen direkt zum nördlichen Eingang des Stadtparks führen wird.