Kreis Segeberg. Joanne Meißner aus Rickling stand im Finale zur Misswahl „Fräulein Kurvig 2023“. Seitdem hat sich ihr Leben komplett geändert.
- Joanne Meißner hat einen Vertrag als Curvy Model in der Tasche
- In Kalifornien hatte Joanne ein Schlüsselerlebnis
- „Das Leben ist zu kurz, um sich zu verstecken“, sagt die 26-Jährige
„Ich fühl‘ mich rundum wohl in meinem Körper“, sagt Joanne Meißner. Spricht’s und strahlt – mit einer Lebensfreude, die keinen Zweifel daran lässt: Die 26-Jährige aus Rickling ist mit sich im Reinen. Die 1,76 Meter große Frau, Konfektionsgröße 46/48, mit den langen lockigen Haaren, den blaugrünen Augen und dem gewinnenden Lächeln startet jetzt durch. Als Model. Als Curvy Model. Den Vertrag hat sie seit Ende des Jahres in der Tasche, nachdem sie im vergangenen Dezember in Krefeld im Finale der Misswahl „Fräulein Kurvig 2023“ auf sich aufmerksam machte.
Überzeugt war Joanne Meißner nicht immer von sich und ihrem kurvigen Körper. „Du bist fett und hässlich“, rufen ihr zu Teenagerzeiten die Jungs in der Schule im niedersächsischen Oldenburg zu. Gehässige Worte, die an ihr nagen. Und weiter befeuert werden von Heidi Klums „Meedchen“, die mit ihren mageren Maßen regelmäßig am Donnerstagabend im TV um den Titel „Germany‘s Next Topmodel“ wetteifern.
Nach einem USA-Aufenthalt wird Joanne Meißner selbstbewusster
„Das habe ich gern geschaut“, sagt Joanne Meißner. „Und war doch auch immer ein wenig neidisch, weil ich dachte: ‚Das würde ich auch gern machen. Doch dafür bin ich einfach zu dick.‘ Damals war mir noch nicht bewusst, wie toxisch diese Sendung war.“
Doch die Tochter einer Engländerin und eines Deutschen versteckt sich nicht. Sie besinnt sich auf ihre Stärken – ihre Lebendigkeit, ihre Freude an der Kommunikation und ihre wunderbare Stimme. „Ich wusste: Beim Singen, da kann mir keiner was vormachen“, sagt sie. Auf der Bühne fühlt sich Joanne Meißner sicher. Und feiert Erfolge als Leadsängerin in der Schulband.
Nach dem Abitur zieht es die 19-Jährige für einen Au-pair-Aufenthalt nach Kalifornien. Da sieht sie immer mehr Frauen, die sich und ihre Kurven zeigen. Stolz zeigen. Und spürt zum ersten Mal: „Ich bin ok, so wie ich bin.“ Selbstbewusster und gestärkter kehrt Joanne Meißner in die Heimat zurück. Studiert zunächst einige Semester auf Lehramt in Hannover. Startet dann bei RTL durch, betreut als Redaktionsassistentin Reality Formate wie Princess & Prince Charming.
Misswahl für Frauen ab Kleidergröße 42
Auch bei „Germany’s Next Topmodel“ zappt Joanne Meißner immer wieder mal rein. Heidi Klum, die ihre „Meedchen“ mittlerweile Models nennt, lässt 2018 das erste Mal Curvy Models über den Laufsteg flanieren. Zu einer Zeit, als kurvige Models immer noch kaum sichtbar sind auf den Covern und Laufstegen dieser Welt. 2023 gewinnt dann erstmalig ein Plus Size Model den Titel. Für Joanne Meißner ist dieser Moment ein Schlüsselerlebnis. „Ich dachte: ‚Es geht doch‘.“
Die temperamentvolle junge Frau postet erste Fotos von sich auf Instagram. Die kommen so gut bei der Community an, dass Joanne Meißners Willen, die Modelbranche zu erobern, immer stärker wird. Sie recherchiert und stößt auf den Fräulein-Kurvig-Contest in Krefeld, die Misswahl für Frauen ab Kleidergröße 42.
Ihre Bewerbung ist erfolgreich. Joanne Meißner wird zum Live-Casting eingeladen. Schafft es unter die 24 Finalisten. Belegt an dem Abend des 16. Dezember 2023 zwar „nur“ Platz vier, startet aber trotzdem mit einem Vertrag als Curvy Model ins neue Jahr. Weil sie souverän sei. Zielstrebig und zuverlässig. Und diesen bestimmten Charme habe, so beschreibt sie Melanie Hauptmanns, Chefin des Contests und der Plus Size- und Diversity Modelagentur Fräulein Kurvig.
„Eine ganze Industrie lebt davon, uns einzureden, dass wir nicht gut genug sind“
Die Unternehmerin, Speakerin und Curvy Model sieht sich selbst als Vorbild für viele kurvige Frauen. In ihrer Biografie „Fräulein Kurvig: Wie ich gelernt habe, meinen Körper zu lieben“, erschienen im Molino-Verlag, erzählt Melanie Hauptmanns, Jahrgang 1978, offen über ihre Probleme, die sie schon in jungen Jahren mit ihrem Körper hatte. Sie testete eine Diät nach der anderen, ertrug die negativen Kommentare ihrer Mitmenschen und hielt sich selbst klein, um nicht aufzufallen. Bis sie ihren Weg ins Rampenlicht fand und entschied, nicht nur Geschichte als erstes Plus Size Model zu schreiben, sondern sich auch von altem Ballast zu verabschieden.
„Eine ganze Industrie lebt davon, uns einzureden, dass wir nicht gut genug sind“, sagt Melanie Hauptmanns. „Und wir glauben das. Damit muss Schluss sein!“ Die positive Einstellung gegenüber dem eigenen Körper zu erlernen und zu leben, sei für eine gesunde Psyche essenziell.
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Sie spricht Joanne Meißner damit aus dem Herzen. „Der Gedanke, ‚die ist hässlich oder fett‘ kommt mir einfach nicht in den Sinn“, sagt sie, die derzeit eine Ausbildung zur tiermedizinischen Fachangestellten absolviert und sich nun auf ihren ersten Modeljob freut. „Es ist doch egal, was andere über uns denken. Hauptsache, wir finden uns gut. Jeder darf sich so zeigen, wie er sich zeigen möchte. Das Leben ist zu kurz, um sich zu verstecken.“