Kaltenkirchen. Kaltenkirchens SPD fordert „stille Stunde“ im Supermarkt. Woher der Trend zum reizarmen Einkaufen stammt und was die Supermärkte sagen.

Die einen werden sagen: Endlich! Und die anderen: Haben wir denn keine anderen Sorgen? Mit einem ungewöhnlichen Vorstoß sorgt die SPD in Kaltenkirchen für Gesprächsstoff: Die Sozialdemokraten fordern eine „stille Stunde“ in den örtlichen Supermärkten. „Ruhiges und reizarmes Einkaufen soll auch in Kaltenkirchen möglich werden“, sagt die Fraktionsvorsitzende Susanne Steenbuck.

Einen Antrag dazu haben die Sozialdemokraten zur Sitzung des Sozial- und Gleichstellungsausschusses am 13. Februar vorgelegt. Damit schließt sich die SPD einer bundesweiten Kampagne an, die auch in anderen Bereichen wie in der Wirtschaft und in Schulen „stille Stunden“ fordert.

Ruhe jetzt! Stille Stunden in Kaltenkirchener Supermärkten geplant

Ziel ist es, zu einer bestimmten Zeit alles zu vermeiden, was beim Einkaufen laute Geräusche erzeugt. Dazu zählen zum Beispiel Musik und Ansagen. Außerdem gehört gedimmtes Licht dazu. Damit soll eine Atmosphäre „ohne überwältigende Reize“ geschaffen werden. „Viele Menschen sind besonders sensibel gegenüber Geräuschen oder grellem Licht und können an lauten und geschäftigen Orten überfordert sein“, sagt Susanne Steenbuck. Die „stille Stunde“ komme Menschen mit Autismus zugute, werde aber von Kunden und Mitarbeitern wegen der akustischen Entschleunigung geschätzt.

„Wir wollen eine inklusive Umgebung schaffen, in der sich alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen wohlfühlen können. Die ‚stille Stunde‘ ist daher ein wichtiger Schritt in diese Richtung – auch im Sinne der Inklusion“, sagt Susanne Steenbuck und verweist auf erfolgreiche Vorbilder in Neuseeland, Großbritannien und der Schweiz. „Auch einzelne Supermärkte in NRW ermöglichen bereits eine ruhige Atmosphäre beim Einkaufen und erhalten positive Reaktionen“, sagt die Fraktionschefin. Die SPD würde sich freuen, wenn regionale Geschäfte die Idee unterstützen.

Die Idee für die „stille Stunde“ kommt aus Neuseeland

Die Idee für eine „Quiet Hour“ entstand in Neuseeland. Der Supermarktangestellte Theo Hogg entwickelte die Idee für sein autistisches Kind. Mittlerweile wird diese Art der Ruhephasen in Neuseeland flächendeckend praktiziert. In Deutschland kämpft der Verein „gemeinsam zusammen“ in Diez (Rheinland-Pfalnz) für die „stille Stunde. Auf der Homepage heißt es über die Reizüberflutung: „Besonders betroffen sind zum Beispiel Menschen mit ADHS oder im Autismus-Spektrum.“ Die Reizüberflutung könne bis zu einem einem körperlichen Zusammenbruch führen. Betroffen seien aber auch Menschen mit Beeinträchtigungen wie MS, Depressionen, Longcovid, Migräne und anderen Erkrankungen.

In ihrer Stellungnahme zu dem Antrag weist Bürgermeister Stefan Bohlen drauf hin, dass die Verwaltung ortsansässige Supermärkte nur um die Einführung einer „stillen Stunde“ bitten könne. „Ein erstes Gespräch mit einem Vertreter der Edeka ist bereits erfolgt und wurde positiv aufgenommen“, schreibt der Verwaltungschef. Die Supermarktkette will ihre Kaltenkirchener Filiale im kommenden Jahr eröffnen.

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Auch Famila im Ohlandpark beschäftige sich bereits mit der Thematik, heißt es in der Stellungnahme. Bohlen: „Allerdings wird von dort zu bedenken gegeben, dass nicht alle Systeme lautlos geschaltet werden können.“ So müssten sicherheitsrelevante Durchsagen stets möglich sein. Auch die Abschaltung von Kassengeräuschen könne aus technischen Gründen nicht vollständig umgesetzt werden.