Norderstedt. Freitag stehen Busse und Bahnen still. Martin Haid gibt Einblicke in seinen Arbeitsalltag – und erklärt, warum sich etwas ändern muss.
Martin Haid ist jede Woche für Tausende Menschenleben verantwortlich. Als Busfahrer in Norderstedt und Umgebung muss er sich während seiner Schicht durchgängig konzentrieren. Wenn die Fahrgäste zu ihm in den Bus steigen, vertrauen sie darauf, sicher von einer Haltestelle zur nächsten gebracht zu werden. „Ich bin den ganzen Tag auf der Straße unterwegs und muss aufpassen. Nicht nur für die Menschen im Bus, sondern auch für die anderen Autofahrer habe ich eine große Verantwortung“, sagt der 50-Jährige.
Am Freitag streikt er. Die Gewerkschaft Ver.di hat in ganz Deutschland zu Warnstreiksim öffentlichen Nahverkehr aufgerufen. Auch in Hamburg und dem Kreis Segeberg stehen viele Bahnen und Busse still. Ab 3 Uhr morgens hängt Martin Haid Plakate auf dem Betriebshof in Norderstedt am Hans-Böckler-Ring auf. Sie informieren über die Forderungen, die er und seine Kolleginnen und Kollegen an die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH (VHH) haben. „Für die Verantwortung, die wir haben, sind die Bedingungen nicht gut“, sagt er.
Warnstreik: Wie der Alltag von Busfahrern aussieht
Die Arbeitszeiten seien „unheimlich anstrengend und belastend“. Haid übernimmt geteilte Dienste für die VHH. Das bedeutet: Frühmorgens fährt er seine erste Tour, hat mehrere Stunden Pause, am Nachmittag folgt dann die zweite Runde. Ein klassischer Arbeitstag beginnt bei ihm zum Beispiel um 4.39 Uhr. Dann meldet er sich beim Betriebshof und fährt los. Nach Poppenbüttel, Norderstedt-Mitte, Tangstedt. Kurz nach 10 Uhr endet die Tour. Für etwa fünf Stunden geht er nach Hause, weil er in der Nähe wohnt. Andere Busfahrer bleiben in den Räumen auf dem Betriebshof, schlafen, warten, schlagen Zeit tot.
„Ich kaufe in der Pause ein, nehme Arzttermine wahr oder lege mich zu Hause aufs Sofa. Richtig etwas machen kannst du aber nicht“, sagt Haid. Um 15 Uhr geht es weiter. Um kurz nach 18 Uhr ist endgültig Feierabend. So eine Schicht dauert 13 Stunden, davon ist der Busfahrer etwas über acht Stunden im Dienst. Während seiner Fahrt sind kleine Pausen vorgesehen. Sind es weniger als zehn Minuten, sei kaum etwas zu schaffen, sagt Haid. „Dann ist nicht mal Zeit für die Toilette.“ Wegen Staus kommen die Fahrer zudem oft nicht pünktlich zu ihrer Pause an der Haltestelle an und müssen direkt weiterfahren.
Busfahrer verdienen maximal 3316 Euro brutto
„Geteilte Dienste sind sehr unbeliebt. Du bist den ganzen Tag für die Firma da – das sollte honoriert werden“, findet Haid, der seit 2006 als Busfahrer arbeitet. Etwas mehr als 4 Euro Zulage bekomme er für so einen Dienst, sagt der gebürtige Tiroler. Das muss mehr werden, meint er. Deswegen fordern die Arbeitnehmer von der VHH unter anderem höhere Zulagen. Aber auch die Reduzierung der Dienstlängen auf maximal 13 Stunden bei geteilten Diensten und maximal neun Stunden für ungeteilte Dienste ist Gegenstand der Verhandlungen.
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Bei diesem Warnstreik geht es vor allem um die Verkürzung der Arbeitszeiten. Die Gehälter steigen zum 1. April um 100 Euro – was aus Sicht vieler Arbeitnehmerinnen und -nehmer noch nicht genug ist. Ein Busfahrer, der zur Entgeltgruppe 4 gehört, wie Martin Haid erklärt, verdient aktuell in den ersten drei Berufsjahren 3058 Euro brutto im Monat, ab 13 Jahren zahlt das Unternehmen den Maximalbetrag von 3316 Euro.
Haid ist nicht nur Busfahrer, sondern gehört auch dem Betriebsrat und der Tarifkommission an. Er mag seinen Job, er ist gern unterwegs. „Ich habe Hoffnung, dass sich etwas ändern. Sonst würden einige Leute abwandern“, sagt er. Wenn es zu keiner Einigung kommt, wird es weitere Streiks geben, ist sich Martin Haid sicher. Dann werden die Busse auf dem Betriebshof in Norderstedt wieder stillstehen.