Hamburg. Am Freitag sollen U-Bahnen und viele Busse in Hamburg stillstehen. Für das Verkehrsunternehmen ist das „nur schwer zu vermitteln“.

Die Hamburger Hochbahn (HHA) hat mit Unverständnis auf den Streikaufruf der Gewerkschaft Ver.di reagiert. „Wir sind in konstruktiven Gesprächen mit der Gewerkschaft, sind in mehreren Punkten schon einig und haben den nächsten Verhandlungstermin bereits vereinbart. Dieser Streik ist aus unserer Sicht den Fahrgästen nur schwer zu vermitteln“, sagte Saskia Heidenberger, Personalvorständin der Hochbahn und Verhandlungsführerin der Arbeitgeberseite.

Man habe ein Angebot vorgelegt, das gerade die 4500 im Schichtdienst Tätigen deutlich entlaste. Zudem würden ältere und langjährige Betriebsangehörige besonders profitieren.

HVV: Warnstreik droht – Ver.di und Hamburger Hochbahn verhandeln ergebnislos

Die Verhandlungen zwischen Ver.di und der HHA waren am Dienstag ergebnislos geblieben. Die Dienstleistungsgewerkschaft hat daraufhin für diesen Freitag (2. Februar) zu einem Warnstreik aufgerufen. U-Bahnen und viele Linienbusse im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) sollen im Rahmen eines bundesweiten Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr stillstehen.

Allein die HHA befördert täglich 1,2 Millionen Fahrgäste. Laut einer Mitteilung von Ver.di beginnt der Streik am Freitag um 3 Uhr und endet am Sonnabend um 3 Uhr. Wie der HVV am Donnerstag mitteilte, müsse mit massiven Beeinträchtigungen gerechnet werden. Fahrgäste müssten sich darauf einstellen, dass kein U-Bahn-Betrieb möglich sei. Auch der Busverkehr in Hamburg und Schleswig-Holstein sei „vollständig oder sehr weitgehend“ betroffen.

HVV: Welche Verkehrsmittel trotz Streiks fahren

Die Nachtbusse von Freitag auf Sonnabend sollen ebenfalls betroffen sein. Dies gelte aber nicht für die S-Bahn. „Auch die AKN, die Regionalverkehrslinien sowie die Elbfähren verkehren grundsätzlich uneingeschränkt. Ebenfalls nicht bestreikt werden die Buslinien von KVG und Buchholz Bus im niedersächsischen Verbundgebiet“, teilte der HVV mit.

Ver.di möchte bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, vor allem jene im Schichtdienst, erstreiten. Bereits am 8. Februar wird sich Heidenberger erneut mit der Gewerkschaft an den Tisch setzen. Die HHA sprach nach den rund siebenstündigen Gesprächen am Dienstag von einem „konstruktiven Verhandlungsweg“. Allerdings sei davon auszugehen, „dass die Hochbahn mit Streikbeginn kein Angebot mehr auf die Straße und die Schiene bringen kann“, hieß es am Mittwoch.

Ver.di will 35-Stunden-Woche – Hamburger Hochbahn bräuchte 800 zusätzliche Mitarbeiter

Weil die HHA und die Ver.di sich erst im Januar 2023 auf einen neuen Entgelt-Tarifvertrag mit einer Laufzeit von 18 Monaten geeinigt haben, kann die Gewerkschaft derzeit keine höhere Bezahlung für die Angestellten fordern. Stattdessen hat sich Ver.di diesmal den sogenannten Manteltarifvertrag des Unternehmens vorgenommen. Sie will in erster Linie Arbeitszeitverkürzungen für die rund 4500 Schichtarbeiter bei der HHA erwirken.

Die zentrale Forderung an das Verkehrsunternehmen ist deshalb, deren Wochenarbeitszeit von 39 auf 35 Stunden abzusenken – bei gleichbleibendem Lohn. Außerdem strebt Ver.di eine Erhöhung der Zahl der Urlaubstage auf 32 im Jahr an sowie die Begrenzung der Dienstlängen und höhere Zulagen für planmäßige Arbeit zu ungünstigen Zeiten.

Ideen, die sich nicht ohne größere Einbußen umsetzen lassen, heißt es von der HHA. Rund 100 Millionen Euro würde das Verkehrsunternehmen die Umsetzung der insgesamt 17 Ver.di-Forderungen kosten, sagt Heidenberger dem Abendblatt. Etwa die Hälfte davon ginge für die pauschale Arbeitszeitverkürzung drauf. Außerdem bräuchte die HHA 800 weitere Mitarbeiter, um die Forderungen zu kompensieren. Angesichts der Tatsache, dass die HHA im Jahr 2022 ohnehin schon ungefähr 160 Millionen Euro Minus gemacht habe, die die Stadt ausgleichen muss, wären weitere 100 Millionen Euro Verlust kaum tragbar, sagt HHA-Sprecher Christoph Kreienbaum.

Hamburger Hochbahn bietet bis zu 25 zusätzliche freie Tage für Schichtarbeiter

Die Wochenarbeitszeit möchte das Verkehrsunternehmen daher möglichst nicht pauschal absenken. Doch zu verhandeln bedeutet im Regelfall, aufeinander zuzugehen und sich anzunähern. Zum Gesprächsauftakt mit Ver.di am Dienstagvormittag eröffnete das Verkehrsunternehmen den Dialog also mit einem Angebot – das der Gewerkschaft offenbar nicht weit genug ging. „Die von der Hochbahn angebotene Entlastung würde nur eine stark begrenzte Anzahl an Beschäftigten ausreichend berücksichtigen. Daher hat die Ver.di-Tarifkommission dieses Angebot abgelehnt“, heißt es in einer Mitteilung der Ver.di vom Dienstagabend.

Laut Angebot wolle die HHA ihren Mitarbeitern zwar keine pauschale 35-Stunden-Woche zugestehen, jedoch teils deutlich mehr freie Zeit. Je nach Einzelfall könnten sich die Schichtarbeiter der HHA laut diesem Angebot auf bis zu 25 zusätzliche freie Tage im Jahr freuen. Wie viel der Einzelne freimachen kann, hinge dann von verschiedenen Faktoren ab.

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Beispielsweise wäre die HHA bereit, langjährigen Mitarbeitern mit zehn, 25 oder 40 Jahren der Betriebszugehörigkeit einen, zwei oder drei zusätzliche Urlaubstage zu schenken. Außerdem sollen alle Mitarbeiter einen zusätzlichen „Familientag“ im Jahr abseits der Arbeit verbringen können. Wer 55 oder 65 Jahre alt ist, bekommt weitere freie Tage, ebenso alle Schichtarbeiter, die zu „ungünstigen Zeiten“, beispielsweise nachts, arbeiten.

Für Mitarbeiter im Betriebs- und Wechselschichtdienst sollen laut dem Angebot der 24. und 31. Dezember mit gesetzlichen Feiertagen gleichgestellt sein, und wer freiwillig in den eher unbeliebten Wintermonaten Urlaub macht, würde ebenfalls zusätzliche freie Tage erhalten.

Ver.di kritisiert Angebot der Hochbahn als unzureichend

Ein umfangreiches Angebot, doch nicht genug, um die Ver.di schon am ersten Verhandlungstag zu beschwichtigen. „Für eine echte Mobilitätswende reicht es nicht, nur in die Elektrifizierung der Flotte zu investieren, sondern es muss auch in die Beschäftigten investiert werden“, so Irene Hatzidimou, stellvertretende Verd.i-Fachbereichsleiterin für öffentliche und private Dienstleistungen, Sozialversicherung und Verkehr, nach den Verhandlungen. Eine wirkliche Entlastung, sagte sie dem Abendblatt, sei nur über die Absenkung der Wochenarbeitszeit möglich. „Wenn wir mehr Menschen zum Umsteigen bewegen wollen, dann muss die Hochbahn die Fahrleistung auch zuverlässig auf die Straße bringen; das wird nur gehen, wenn die Arbeitsbedingungen deutlich attraktiver werden.“

Andererseits dürfte dem Verkehrsunternehmen auch selbst an attraktiven Arbeitsbedingungen und langfristig zufriedenen Mitarbeitern liegen. Ein Drittel der derzeitigen HHA-Angestellten werde in zehn Jahren verrentet sein, so Heidenberger. Dem Fachkräftemangel frühzeitig mit ansprechenden Jobangeboten zu begegnen könnte größere Personalengpässe verhindern.

Streik im Nahverkehr: Auch VHH-Busse stehen am Freitag still

Mit den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH) verhandelt die Gewerkschaft Ver.di gesondert. Hier konnte bislang ebenfalls keine Einigung zwischen Arbeitnehmervertretung und Arbeitgeber erzielt werden. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass auch die VHH-Mitarbeiter am Freitag streiken.

Das Verkehrsunternehmen betreibt fast 700 Busse, viele davon im Hamburger Umland. Unter anderen die Expressbus-Linien X3, X30, X32 und X80 dürften am Freitag bestreikt werden. Der exakte Umfang des Streiks sei „noch nicht gesichert darstellbar“, teilten die VHH am Mittwoch mit. Fahrgästen werde geraten, die Informationskanäle von VHH und HVV zu nutzen und auf Alternativen umzusteigen. Man arbeite aber „mit allen Beteiligten daran, Schülerverkehre trotz der Streiksituation zu gewährleisten“. Laut HVV sei dies aber nicht möglich.

In einer gemeinsamen Stellungnahme der VHH-Geschäftsführung erklärten Britta Oehlrich und Lorenz Kasch, man habe Ver.di einen „attraktiven Vorschlag für den Manteltarif unterbreitet“. Aktuell werde an einem Arbeitnehmerangebot gearbeitet, das in die für 22. Februar angesetzten Verhandlungen eingebracht werden soll.