Norderstedt. Wann gehört man zum alten Eisen? Das Rathaus sagt ab 65 Jahren. Warum der Seniorenbeirat auf die Altersgrenze ab 60 besteht.
Wann ist man eigentlich eine Seniorin oder ein Senior? Wenn man das 60. Lebensjahr erreicht hat? Viele heute fitte 60-Jährige, die voll im Leben stehen und arbeiten, würden es eher als Beleidigung empfinden, schon mit 60 Jahren derart gesellschaftlich eingeordnet zu werden. Und sie wären eher irritiert, bekämen sie die jährliche Einladung zur städtischen Seniorenweihnachtsfeier im Festsaal am Falkenberg in den Briefkasten. In Norderstedt ist zwischen der Stadtverwaltung und dem Seniorenbeirat nun genau über diese Frage eine Auseinandersetzung entbrannt.
Denn die Stadtverwaltung hatte vorgeschlagen, Seniorinnen und Senioren erst ab einem Alter von 65 Jahren als solche zu definieren. Und nicht wie bisher schon ab einem Alter von 60 Jahren. Das stieß beim Seniorenbeirat auf erbitterte Gegenwehr. Denn für die politische Vertretung der Seniorinnen und Senioren ist die Definition nicht nur eine Frage der Befindlichkeit, sondern eine ganz existenzielle, politische Frage. Altersgrenzen entscheiden darüber, wer den Beirat wählen darf und wer in ihm mitmachen kann.
40, 60, 76, 70 Jahre: Senior kann jeder sein
Wann man Seniorin oder Senior ist, wird in vielen Gesellschaftsbereichen ganz unterschiedlich definiert. Im Business ist man ein Senior als erfahrener Geschäftspartner mit Personal- oder Projektverantwortung, unabhängig vom biologischen Alter. Die meisten Menschen einigen sich darauf, mit dem Ruhestand in die Seniorenabteilung zu wechseln, also theoretisch ab 67 Jahren. Im Sport ist man schon mit Ü35 bei den „Alten Herren“, spätestens ab 40 Jahren. Im Gesundheitsbereich wird allgemein ab 70 Lebensjahren von einem Senior gesprochen. Doch generell ist konsensfähig, dass der Begriff Senioren nicht von Zahlen definiert ist. Vielmehr durch die individuelle Gefühls- und Lebenslage. Das „Senior-Sein“ ist also für die meisten Menschen eher ein Zustand des Geistes und des Herzens
In Norderstedt jedoch bleibt es jetzt ganz offiziell bei der bisherigen Regel: Seniorin oder Senior in der Stadt ist, wer das 60. Lebensjahr erreicht hat. Der Sozialausschuss stimmte jetzt mehrheitlich im Sinne des Seniorenbeirates für die Beibehaltung der jetzigen und vor 35 Jahren getroffenen Einstufung. Dagegen und für die Anhebung der Altersgrenze auf 65 Jahren votierten nur die Grünen. Das letzte Wort hat die Stadtvertretung, die darüber auf ihrer nächsten Sitzung am Dienstag, 6. Februar beschließt.
Seniorenbeirat braucht die jungen Seniorinnen und Senioren
„Wir brauchen auch die jüngeren Senioren im Beirat, weil wir schlicht darauf angewiesen sind“, begründet die Seniorenbeiratsvorsitzende Christine Schmid ihren Widerstand gegen die Absicht der Verwaltung, das Eintrittsalter zu erhöhen. „Wir konnten mit der Verwaltung darüber leider keine Einigung erzielen.“ Die Auseinandersetzung zog sich bereits seit fast einem Jahr hin. Zum Glück habe der Sozialausschuss dem nun ein Ende bereitet, sagt Schmid.
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Schon heute fiele es dem Beirat schwer, politisch interessierte und rüstige Senioren für diese wichtige Arbeit zu gewinnen. Statt der 21 möglichen Mitglieder verfüge das Gremium zurzeit nur über 18 Mitglieder. „Darunter sind bereits vier, die älter als 80 Jahre alt sind“, sagt Christine Schmid. „Wir brauchen einfach die jüngeren Senioren, die Anfang 60 sind. Die haben oft mehr Elan und auch mehr physische Kraft als die älteren, was zum Beispiel auch beim Aufstellen von Infoständen und Tischen notwendig ist.“ Derzeit sind noch zwei Beiräte unter 65.
26.100 Menschen in Norderstedt über 60 Jahre
Laut der aktuellen Statistik des Norderstedter Einwohnermeldeamtes leben derzeit in Norderstedt 84.119 Menschen. Davon sind 26.100 Frauen und Männer 60 Jahre und älter und 65 Jahre und älter 19.656 Menschen. Eine Differenz von 6444 Personen, die der Seniorenbeirat durch eine Erhöhung des Wahlalters auf 65 Jahre als Wählerschaft verlieren würde. Bei der letzten Wahl 2021 waren 24.415 Menschen wahlberechtigt. Aufgrund von nur 20 Bewerberinnen und Bewerbern für die 21 Beiratsmitglieder gab es praktisch keine reguläre Wahl mehr „mangels Kandidaten“, argumentiert der Seniorenbeirat.
Auch die Zahl der Stimmen wollte die Verwaltung von 21 auf sieben reduziert haben. So hätten die 6897 Wähler bei der letzten regulären Seniorenbeiratswahl 2017 (Wahlbeteiligung: 28,8 Prozent) zusammen 45.212 Stimmen abgegeben. Jeder Wähler im betagten Alter hätte also durchschnittlich 6,5 Stimmen abgegeben. Eine Reduzierung der Stimmen um zwei Drittel würde demnach zu einer erheblich einfacheren und schnelleren Auszählung führen, so die Verwaltung. Der Seniorenbeirat plädierte stattdessen auf zwölf Stimmen je Wahlberechtigten, was der Sozialausschuss dann auch so beschlossen hat.
Der Seniorenbeirat hat Rede- und Antragsrecht in den Ausschüssen und der Stadtvertretung in allen Angelegenheiten, „welche die Gruppe der SeniorInnen der Stadt Norderstedt betreffen“, heißt es in der Satzung. „Wir setzen uns für die Bedürfnisse und das Wohl der Seniorinnen und Senioren ein“, erklärt Christine Schmid. „Ob und wie schnell unsere Ideen und Vorschläge umgesetzt werden, liegt nicht in unserer Hand. Wir können uns aber dafür einsetzen, dass Prozesse beschleunigt werden durch unsere Kontakte zur Verwaltung und Politik.“