Norderstedt. Globuli sollen als reguläre Kassenleistung gestrichen werden. Was Norderstedter Ärzte, Heilpraktiker und Apotheker davon halten.

Homöopathische Medikamente wie Globuli auf Kassenrezept – das könnte schon bald Vergangenheit sein. Denn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) möchte die Erstattung, die Kassen wie die Techniker, die DAK-Gesundheit oder die AOK Nordwest bisher anbieten, in Kürze abschaffen. Dann muss jeder, der Globuli will, diese aus eigener Tasche zahlen – oder eine Zusatzversicherung abschließen.

Während die Kassenärztliche Vereinigung in Schleswig-Holstein (KVSH) den geplanten Schritt begrüßt, bedauern ihn Heilpraktiker in Norderstedt. Sie sagen, dass Homöopathie damit eine Frage des Geldbeutels wird. Der Verband der Apotheker in SH meint, nicht Minister Lauterbach sollte die Sache entscheiden. Und ein Allgemeinmediziner in Norderstedt möchte öffentlich gar nichts zu dem Thema sagen – aus guten Gründen.

Norderstedter Heilpraktikerin: „Bin keine Skeptikerin der Schulmedizin“

Monika Schäfer arbeitet seit fast 20 Jahren als Heilpraktikerin und Psychologische Beraterin, ihre Praxis ist in Norderstedt. Sie bietet unter anderem Akupunktur an und Gesprächstherapie, zu ihren Patienten zählen zum Beispiel Menschen, „die seit Jahren chronische Rückenschmerzen haben und denen kein Arzt helfen konnte“, sagt sie. Und stellt auch klar: „Ich bin keine Skeptikerin der Schulmedizin.“ Aber sie ist eben auch „überzeugt von der Wirkung der Homöopathie“, glaubt, dass diese die Schulmedizin zumindest punktuell ersetzen und im Großen und Ganzen sehr sinnvoll ergänzen könne.

Und dehalb verschreibt sie, etwa bei chronischen Schmerzen, homöopathische Medikamente wie „Rhus toxicodendron“. Das ist eine Substanz, gewonnen aus einer Planze, die auf den Namen „Eichenblättriger Giftsumach“ oder auch einfach „Giftefeu“ (englisch „Poison Ivy“) hört. Eine kleines Fläschen, so Schäfer, kostet acht Euro.

Etwa ein Drittel von Schäfers Patienten nutzt das Kassenrezept

Zumindest ein Teil ihrer Patienten bekommt diese Präparate von der Krankenkasse bezahlt, wie sie sagt: „Etwa ein Drittel zahlt selbst, ein Drittel hat eine Zusatzversicherung und ein Drittel bekommen das auf Kassenrezept. Das wären die, die das sonst nicht bezahlen könnten“, sagt sie. Komme die Lauterbach-Reform, werden ich „manche Homöopathie nicht mehr leisten können“, füchtet sie. Diese Patienten müssten dann zu konventionellen Medikamenten greifen, die allerdings „hohe Nebenwirkungen“ haben könnten.

Ähnlich sieht es Silke Pietsch, ebenfalls Heilpraktikerin in Norderstedt: „Sehr schade“ seien die Pläne des Gesundheitsministers. „Gerade für Kinder sind homöopathische Medikamente ohne Nebenwirkungen wichtig, etwa bei ADHS oder chronischen Ohrenentzündungen.“

Minister Lauterbach geht es nicht nur um Einsparungen, sondern ums Prinzip

Monika Schäfer glaubt, dass die Streichung noch nicht einmal einen Einsparungseffekt hätte. „Das ist kurzfristig gedacht.“ Denn anstelle von homöopathischen Präparaten müssten die Kassen dann ja konventionelle finanzieren, nur, dass diese dann sogar vereinzelt „Folgeschäden“ bewirken könnten, was dann wieder teuer für die Kassen werde. Dem gegenüber könne die Homöopathie sogar helfen, an anderer Stelle zu sparen. Sie kenne das aus eigener Erfahrung. Schäfer: „In Rücksprache mit Ärzten können wir teilweise konventionelle Medikamente ausschleichen oder die Dosis verringern.“

Nur: Minister Lauterbach geht es auch gar nicht so sehr um die Einsparung. Sein Ministerium beziffert den Spareffekt auf 20 bis 50 Millionen Euro – eine vergleichsweise kleine Summe. Doch dem SPD-Politiker geht es erklärtermaßen auch um das Prinzip: „Die Grundlage dessen, was wir vergüten und empfehlen, muss der wissenschaftliche Sachstand sein.“ Und: „Die Krankenkassen sollen nicht Leistungen bezahlen, die medizinisch nichts bringen.“

Wissenschaftlich belegen lässt sich Wirksamkeit von Homöopathie nicht

Tatsächlich gibt es bisher keine wissenschaftlichen Studien, die die Wirksamkeit von Homöopathie belegen könnten. Wissenschaftler gestehen ihr in der Regel allenfalls Placebo-Effekte zu. In der Kritik steht dabei nicht so sehr die Tatsache, dass natürliche Wirkstoffe zur Anwendung kommen – sondern das „Verdünnungsprinzip“, das der Homöopathie zugrunde liegt. Demnach seien homöopathische Wirkstoffe in hohen Verdünnungsstufen, für die es eine ganz eigene Klassifizierung gibt, wirksamer als in höheren Konzentrationen.

Heilpraktikerin: „Nehme Dinge bei Arbeit wahr, für die es noch keine Geräte gibt“

Viele Ärzte tun das als Pseudowissenschaft ab. Heilpraktikerinnen wie Monika Schäfer hingegen glauben, dass sich die Wirkung einfach auf Ebene der Quantenphysik abspiele und daher nur nicht nachweisbar sei – bisher. „Es gibt Dinge, die ich in meiner Arbeit wahrnehme, für die es noch keine Messgeräte gibt“, sagt sie.

Lauterbach: Klimawandel lässt sich auch nicht „mit Wünschelruten bekämpfen“

Minister Lauterbach macht recht klar, dass er die Homöopathie eher im Bereich des Wunderglaubens einordnet. Diese helfe nicht gegen Krankheiten, genauso wie der Klimawandel „nicht mit Wünschelruten“ bekämpft werden könne. Zuspruch kam von Dr. Andreas Gassen, dem Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). „Während jede neue Leistung, die in den Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden soll, zu Recht einen umfangreichen Nutzennachweis durchlaufen muss, hat manche Krankenkasse gerne homöopathische Verfahren und Mittel, für die es keine ausreichenden Studienlagen gibt, im Sinne des Versichertenmarketings angeboten“, sagte Gassen.

Wie die KVSH das Thema sieht

Es stehe natürlich jedem frei, sich mit homöopathischen Mitteln oder Verfahren behandeln zu lassen. Das sollte aber auf eigene Kosten gehen, so Gassen. Dazu sagt Marco Dethlefsen, Sprecher der KVSH, nur: „Wir schließen uns der Meinung von Dr. Gassen an.“

Norderstedter Arzt kritisierte Homöopathie und bekam „Shitstorm“

Mitunter trägt die Auseinandersetzung zwischen Anhängern der Alternativmedizin und Verfechtern der wissenschaftlichen Belegbarkeit fast die Züge eines Glaubenskrieges. Und mancher Homöopathie-Freund trägt seine Kritik offenbar auch mal ganz unverdünnt vor. So sagt etwa ein Norderstedter Allgemeinmediziner, der explizit nicht namentlich genannt werden will, nur: „Ich habe mich einmal öffentlich gegen Homöopathie geäußert. Danach habe ich einen Shitstorm geerntet. Das mache ich nie wieder.“

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Apothekerverband SH: Krankenkassen sollen selbst entscheiden

Laut Georg Zwenke, Geschäftsführer des Apothekerbandes Schleswig-Holstein, ist es für den Verband „schwierig“, die Frage nach einer Position des Vereins zu Lauterbachs Vorstoß zu beantworten. Zwenke weiter: „Den grundsätzlich klassisch schulmedizinisch ausgebildeten Apothekerinnen und Apothekern berichten im Berufsalltag Kunden nach Abgabe homöopathischer Arzneimittel von deren positiver Wirkung.“ Dies sei zwar mit schulmedizinischen Methoden nicht zu erklären und könne an einem Placeboeffekt liegen. Aber Placeboeffekte gebe es auch bei herkömmlichen Medikamenten.

Unter dem Strich plädiert er dafür, dass die Gesetzlichen Krankenkassen – die sich selbst verwalten und in deren Verwaltungsräten Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sitzen – die Sache selbst entscheiden. Und nicht Minister Lauterbach. Dies könne dann dazu führen, dass die eine Kasse Homöopathie übernimmt, die andere aber nicht. Versicherte, die mit der jeweiligen Haltung ihrer Kasse nicht einverstanden seien, könnten dann im Zweifel ihre GKV wechseln. In jedem Fall sei die Entscheidung bei den Kassen am besten aufgehoben.

Wie eine Norderstedter Apothekerin auf das Thema blickt

Recht sachlich blickt Lotte Schuhr auf das Thema, die Inhaberin der Spitzweg-Apotheke in Norderstedt. Sie sagt: „Grundsätzlich ist klar, dass Einsparungen gemacht werden müssen. Aber ich bezweifle, dass das eine Riesenersparnis gibt“, sagt sie. Ohnehin könnten auch jetzt nur sehr wenige Medikamente überhaupt über die Krankenkasse abgerechnet werden. „Für unsere Patienten spielt das kaum eine Rolle“, sagt sie. Für die Arbeit ihrer Apotheke sei die Kürzung schlicht „irrelevant“.

Heilpraktikerin: Schul- und Alternativmedizin sollten sich ergänzen

Heilpraktikerinnen wie Monika Schäfer und Silke Pietsch, so steht zu vermuten, müssen kaum um ihre berufliche Zukunft fürchten. Aber ebenso wie Karl Lauterbach, sieht auch Monika Schäfer die Sache prinzipiell. „In den letzten Jahren hat sich viel getan, was den Zusammenschluss von Schul- und Alternativmedizin anbetrifft“, sagt sie. Beide könnten sich sehr gut ergänzen, im Sinne einer „Synergie“. Aber das werde nun zurückgedreht, worin sie eine „sehr unglückliche Tendenz“ sieht. „Das ist eine Spaltung, die zu Lasten der Patienten geht. Das ist schade und bedauerlich.“