Norderstedt. „Humorarbeiter“ Ingo Börchers und das Wagner-Salonquartett aus Eutin rissen ihr Publikum in Norderstedt von den Sitzen.

Silvesterkonzerte haben in Norderstedt eine jahrzehntelange Tradition. Das Konzert am Silvester-Sonntag im Kulturwerk gestalteten nun schon zum dritten Mal in Folge der selbsternannte Humorarbeiter Ingo Börchers aus Bielefeld und das Wagner-Salonquartett aus Eutin.

Das Programm „Logbuch 2023“ sorgte zwar nicht für einen ausverkauften großen Saal im Kulturwerk. Gleichwohl begeisterten Ingo Börchers‘ satirisch-nachdenklicher Jahresrückblick, die launig gespielte Salonmusik und die hervorragenden Einlagen der Sängerin Lidwina Wurth das Publikum derart, dass es am Ende stehend Beifall spendete.

Ausdrucksstarke Stimme und rasche Robenwechsel

Kabarettist Ingo Börchers aus Bielefeld überzeugte als Schnellsprecher und einer rasanten Rückschau auf 2023.
Kabarettist Ingo Börchers aus Bielefeld überzeugte als Schnellsprecher und einer rasanten Rückschau auf 2023. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

Passend zum feierlichen Anlass eröffnete Mezzosopranistin Wurth mit „Come to the Cabaret“ und ihrer ausdrucksstarken, umfangreichen Stimme den Abend. Zudem begeisterte die Lübecker Sängerin und Schauspielerin mit raschem Robenwechsel inklusive Federboas und Netzstrümpfe, mit spielerischer Vielfalt und subtil lasziver Körpersprache.

Ihr Pendant war Ingo Börchers als Schnellsprecher mit trotzdem klarer Aussprache. Der Mann aus Bielefeld hatte in seinem Logbuch 2023 Norderstedter Lust und Leid, Frust und Freuden notiert und zerlegte sie nun genüsslich – sehr zur Freude des Publikums. Er habe sogar einen Bezug zu Norderstedt, schließlich lebte seine Tante Inge lange am Ochsenzoll, sagte Börchers.

Leserbriefe aus dem Hamburger Abendblatt waren Programm

Sängerin Lidwina Wurth (r.), Geigerin Juliana Soproni, Pianist Thomas Goralczyk, Martin Karl-Wagner am Kontrabass (verdeckt) und Fagottist Klaus Liebetrau boten dem Publikum im fast ausverkauften Kulturwerk ein mitreißendes Silvesterkonzert.
Sängerin Lidwina Wurth (r.), Geigerin Juliana Soproni, Pianist Thomas Goralczyk, Martin Karl-Wagner am Kontrabass (verdeckt) und Fagottist Klaus Liebetrau boten dem Publikum im fast ausverkauften Kulturwerk ein mitreißendes Silvesterkonzert. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

Er zitierte Leserbriefe aus dem Hamburger Abendblatt zur Oberbürgermeisterinnen-Wahl und dem nachfolgenden SPD-Skandal, hob ab auf die Verabschiedung von wilhelm.tel-Chef Theo Weirich in den Ruhestand und die Carsharing-Pläne der Stadtwerke, auf die immer noch nicht geglückte Ehrung für Uwe Seeler, auf Pläne für eine Seilbahn quer über die Stadt und auf das Strandhaus-Fiasko. Und forderte schließlich den Weltkulturerbe-Rang für das Herold-Center.

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Das Publikum beklatschte seine Lästerei: „Birkenstock ist das neue Gucci!“. Oder: „Manche Menschen brauchen nicht einmal Lactose, um intolerant zu sein!“ Oder „Veni, vidi, violini – ich kam, sah und vergeigte.“ Oder: „Bei den Obergrenzen der Zuwanderung dürfen wir die Untergrenzen der Humanität nicht verlieren.“ Zur geplanten Reform des Namensrechts drechselte er etwas bemüht: „Wird aus Scholz und Merz nun Schmerz oder Scherz?“.

Humorvoll gespielte Hits der 1920er-Jahre

Süffisant ließ er sich über angepasste Schülerinnen und Schüler und über Bildung unter „billigen Marketing-Tricks“ aus, rezitierte „Der Seufzer“ von Christian Morgenstern und kündigte damit den Walzer „Die Schlittschuhläufer“ von Èmile Waldteufel an, den Wagners Salonquartett schwungvoll spielte, wobei Violinistin Juliana Soproni mit viel Eleganz lautmalerisch die Schlittschuhläufer übers Eis kreisen ließ.

Stets angeführt von der überzeugenden und agilen Sängerin Lidwina Wurth spielte sich Wagners Salonquartett quer durch die Literatur der 1920er- und 1930er-Jahre und erhielt viel Beifall für humorvoll gespielte Stücke wie „Benjamin, ich hab nichts anzuziehn“, „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“, „Emil und seine unanständige Lust“ bis zum Zarah-Leander-Chanson „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“. Mezzo Wurth beherrschte die gesamte Bandbreite von der Berliner Putze bis zur theatralischen Grande Dame.