Norderstedt/Kiel. Statistikamt liefert überraschende Daten zu Mietpreisen für Orte wie Norderstedt, Kaltenkirchen oder Henstedt-Ulzburg.

Wer sich auf die Suche nach einer Wohnung in Norderstedt und Umgebung macht, schaut oft in einschlägige Internet-Portale. Dort wird oft auch eine Durchschnittsmiete für den Ort angegeben – und die ist nicht selten ziemlich hoch. Eine neue Statistik-Methode zeigt nun aber viel niedrigere Durchschnittsmieten an. Und das können sich Wohnungssuchende zunutze machen.

Ein genaueres Bild von der Höhe ortsüblicher Mieten liefern – das soll das neue Verfahren, das aktuell von den Statistikämtern der Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ausprobiert wird. Noch ist diese professionelle Schätzmethode ein Modellversuch. Erste Ergebnisse – auch für den Kreis Segeberg – sind aber schon jetzt für jedermann öffentlich im Netz einsehbar (https://storymaps.arcgis.com/stories/16e86a5b81af4f3daccae7af505f43bc).

Norderstedt: Mieten nördlich von Hamburg oft niedriger als angenommen

Bisher veröffentlichen die Statistikämter nur Daten zu Durchschnittsmieten auf Landkreisebene, beziehungsweise für kreisfreie Städte. Genau das soll mit dem neuen Verfahren anders werden. Denn damit ist es jetzt möglich, die Bestandsmieten auch für kleinere Kommunen zu schätzen – wie etwa Tangstedt, Bad Bramstedt, Henstedt-Ulzburg oder Kaltenkirchen.

Auch einige Immobiliensuchportale bieten Daten zu Durchschnittsmieten. Die mit Abstand größte Auswahl für den Kreis Segeberg hat der Marktführer www.immobilienscout24.de. Vergleicht man nun die Durchschnittsmieten im Kreis Segeberg mit jenen der Statistikämter, stellt man fest: letztere liegen deutlich niedriger. Dieser Effekt stellt sich generell bei ländlichen Regionen ein.

Henstedt-Ulzburg: Die Nettokaltmiete liegt nach der neuen Methode zwei Euro niedriger

So ist es zum Beispiel bei Bad Bramstedt: Das private Immobilienportal nennt 8,54 Euro als durchschnittliche Nettokaltmiete, die Statistikämter 7,82 Euro. Ähnlich ist es bei Norderstedt (10,87 Euro zu 9,54 Euro), Henstedt-Ulzburg (10,34 Euro zu 8,28 Euro), Kaltenkirchen (9 Euro zu 8,11 Euro) und Tangstedt (10,17 Euro zu 7,29 Euro).

Der Unterschied hat einen wesentlichen Grund. Die Statistikämter erheben nämlich in ihrem Modellversuch die sogenannten Bestandsmieten – also sämtliche Mieten, die in einem Ort gezahlt werden. Es gehen auch Mietzahlungen ein, die seit Jahren oder gar Jahrzehnten unverändert sind.

Ganz anders bei Immobilienscout24 und anderen Portalen: Hier werden Angebote ausgewertet, die aktuell am Markt sind, mithin also die Mieten, die Vermieter gerne für eine neu zu vermietende Wohnung hätten.

Carsten Wendt vom Mieterbund SH: „Das ist für uns eine gute Sache!“

Carsten Wendt, stellvertretender Geschäftsführer des Mieterbundes Schleswig-Holstein, freut sich darüber, dass nun auch Daten zu Bestandsmieten vorliegen. „Das ist für uns eine gute Sache! Denn es gehört eben auch zum Mietmarkt dazu, dass es soziale Vermieter gibt, die die Miete oft über Jahre nicht so sehr erhöhen, wie sie könnten.“

Für Mieter könnten die Daten der Statistikämter eine „wichtige Argumentationshilfe sein“, sagt er. Denn die Daten aus Portalen wie Immobilienscout24 würden eben oft verwendet – etwa von Vermietern, die Mieterhöhungen durchsetzen wollen oder hohe Preise für Neuvermietungen. „Das kann ein Mieter dann mit den Daten zu den Bestandsmieten kontern.“ Das Gleiche gelte für Personen, die eine Mietwohnung nördlich von Hamburg suchen.

Offizielle Mietenspiegel der Kommunen sind auch ein gutes Instrument, so Wendt

Für ein weiteres, sehr gutes Instrument hält Carsten Wendt die offiziellen Mietenspiegel der jeweiligen Stadt oder Gemeinde. Das Problem: „Nur ganz wenige Gemeinden in Schleswig-Holstein veröffentlichen so etwas“, so Wendt. Immerhin hat Norderstedt einen, der auch kostenlos über die Webseite der Stadt abrufbar ist (https://www.norderstedt.de/Soziales-und-Familie/Leben/Mietenspiegel/).

Dazu Carsten Wendt: „In einen offiziellen Mietenspiegel gehen Angebotsmieten ein sowie Mieten, die in den letzten sechs Jahren verändert wurden.“ Mieten, die schon länger auf derselben Höhe rangieren, würden aber nicht erfasst. Die gehen nun aber in die Daten der Statistikämter ein, was Wendt seht begrüßt. „Das haben wir als Organisation immer gefordert.“

Er rät Mieter und Personen, die eine Wohnung suchen, sich einen offiziellen Mietenspiegel zu besorgen, „das ist eine gute Wissensgrundlage“. Und auch den Blick auf die jetzt probeweise erhobenen Daten der Statistikämter findet er ratsam. Er warnt aber davor, sich nur auf die Daten von Portalen zu verlassen, „da wird der Begriff Mietenspiegel oft irreführend verwendet.“ Und außerdem geben sie ein Lagebild ab, das in der Höhe verzerrt ist.

Das Statistik-Verfahren in dem Modellversuch

Der Modellversuch der Statistikämter soll es ermöglichen, auch über kleinere Städte und Gemeinden belastbare Daten zu gewinnen. Dafür wird die sogenannte „Small-Area-Methode“ eingesetzt. Die soll das Problem lösen, das von kleineren Orten oft nur wenige Zahlen vorliegen. Und so wird vorgegangen: Die Statistiker nehmen zuerst einige Stichproben, fragen also vor Ort Menschen, wie hoch die Mieten sind.

Weil das dann für ein wissenschaftlich genaues Lagebild noch nicht ausreicht, werden diese Stichproben angereichert, mit sogenannten Hilfsinformationen aus vielen anderen Bereichen. Das können Daten zur Bevölkerungsstruktur sein, oder zum sozioökonomischen Status der Menschen in einer Region. Auch Wahlergebnisse können solche Daten sein. Am Ende steht ein statistisches Lagebild, das wissenschaftlichen Standards genügt.