Norderstedt. An der heimischen Steckdose sinkt der Preis, an den 34 öffentlichen Ladestationen steigt er kräftig. Das ist der Grund.

Wer in Norderstedt ein Elektroauto fährt und an einer der 34 öffentlichen Ladestationen der Stadtwerke Norderstedt Strom tankt, den erwartet bei der Abrechnung eine herbe Überraschung. Denn obwohl der Strompreis in diesen Tagen überall gleichmäßig sinkt, wurden die Tarife an den Säulen angehoben – und zwar kräftig.

Energiewendeminister Tobias Goldschmidt rühmte Schleswig-Holstein jüngst mit der Aussage: „Schleswig-Holstein ist das Land der Elektromobilität.“ In keinem anderen Bundesland in Deutschland würden mehr Elektrofahrzeuge zugelassen als im hohen Norden. Im Oktober 2023 hatte nach Angaben des Ministers jedes fünfte neu zugelassene Fahrzeug hierzulande einen batterieelektrischen Motor.

Bis zu 66,76 Cent je kWh kostet das E-Tanken

Der hohe Strompreis an den Stadtwerke-Säulen in Norderstedt wirkt da eher wie ein Dämpfer für die Entwicklung. Während der Preis für den Haushaltsstrom bei den Stadtwerken zum Jahreswechsel um etwa 1,5 Cent je Kilowattstunde (kWh) oder 3,4 Prozent sinkt, wird er an den 29 langsameren Wechselstromsäulen ab Januar von bisher 46,29 Cent auf 55,34 Cent je kWh (brutto) angehoben, auf sogar 66,76 Cent steigt der Strompreis an den zurzeit fünf Schnellladestationen. Eine Preissteigerung von 19,6 Prozent (Wechselstrom-) und von 18,6 Prozent (CCS, Gleichstrom-). Der ADAC verlangt derzeit bundesweit für die Schnellaufladung nur 60 Cent/kWh.

Dabei hieß es im jüngsten Bericht der Stadtwerke, der Mitte November dem Stadtwerkeausschuss vorgelegt wurde: „Der Strommarkt zeigt aktuell eine Abwärtsbewegung, die deutlicher ausfalle als bei den Gasmärkten.“ Zudem haben die Norderstedter Stadtwerke im abgelaufenen Geschäftsjahr 2022 bei einem Umsatz von rund 253 Millionen Euro einen Jahresüberschuss von 12,3 Millionen Euro erzielt. Und es besteht die feste Absicht der Stadt Norderstedt, bis 2040 noch vor dem Land CO₂-frei und klimaneutral zu sein.

Hohe Kosten für Infrastruktur sorgen für den Preisanstieg

Norderstedts Stadtwerkesprecher Oliver Weiß begründet die drastische Preisanhebung für den Ladestrom mit der erheblich gesunkenen THG-Quote. Damit ist die staatliche Förderung gemeint, die zur Reduzierung des Treibhausgasemissionen (THG) beiträgt. Jeder E-Auto-Fahrer kann diese Prämie beantragen, die zurzeit etwa 240 Euro im Jahr ausmacht, weil Elektroautos während ihrer Nutzung keine Treibhausgasemissionen verursachen. Auch die Betreiber von öffentlichen Ladestromanlagen erhalten auf Antrag diese THG-Förderung.

„Für die öffentliche Ladeinfrastruktur fallen nicht nur Kosten für die Strombeschaffung, sondern auch Infrastrukturkosten an“, sagt Oliver Weiß. „In der Vergangenheit wurden diese durch die Stadtwerke und die THG-Quote gegenfinanziert. Im November sind die THG-Quoten in einer kontinuierlichen Abwärtsbewegung über das ganze Jahr auf nun auf ein Drittel des Januarniveaus gesunken.“ Im Gegenzug erhöhten sich die Infrastrukturkosten für den Betrieb und Erhalt des Ladenetzes.

Schuld sei auch die sinkende staatliche Förderung

Wenn die THG-Prämie bei sonst gleichbleibenden Parametern sinke, müssten die Stadtwerke „entweder selbst subventionieren oder die Einnahmen erhöhen, indem wir den Preis erhöhen“, begründet Weiß. „Es betrifft ja nicht nur uns. Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor ist ein wesentlicher Beitrag zu Erreichung der Klimaziele.“

Die 2015 eingeführte Treibhausminderungsquote (THG-Quote) legt die zu erreichenden Ziele fest. Demnach müssen Mineralölunternehmen den durch ihre Treibstoffe verursachten CO-2-Ausstoß bis 2030 um 25 Prozent reduzieren. Während die Mineralölkonzerne sich schwertun, ihre Quoten zu erfüllen und Strafen zahlen oder CO2-Zertifikate kaufen müssen, tun die privat genutzten Elektroautos dies quasi nebenbei. Das Umweltbundesamt ermittelt jährlich für vermiedene CO-2-Emissionen eine Quote, so auch für Elektrofahrzeuge.

1 Million Euro ins öffentliche Netz investiert

Die THG-Quote kann gegen Zahlung einer THG-Prämie auch an Zwischenhändler verkauft werden. Diese bündeln sie und vermitteln sie weiter an die Mineralölunternehmen. Seit 2022 profitieren auch die Nutzerinnen und Nutzer von Elektrofahrzeugen, denn sie dürfen ihre THG-Quote gegen Zahlung einer THG-Prämie verkaufen, sofern sie ein vollelektrisches Auto fahren. Und das jedes Jahr aufs Neue.

„Bei uns beträgt die Prämie 240 Euro“, erklärt Weiß. Für das Jahr 2023 sei eine Anmeldung für die THG-Quote aber nicht mehr möglich. Grund dafür sei unter anderem, dass der Preis für die Tonne CO₂ erheblich gefallen sei und das Umweltbundesamt die Beantragungsfrist erstmals vorgezogen habe.

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Eine Million Euro hätten die Stadtwerke bislang in den Aufbau dieser Infrastruktur für die Verkehrswende investiert, sagt Oliver Weiß. Wer in Norderstedt sein E-Auto auflädt, könne sicher sein, dass er mit 100 Prozent zertifiziertem Ökostrom aus schleswig-holsteinischer Windkraft auf den Straßen mobil ist. Dieser ökologische Ladestrom wird als „TuWatt+2Go“-Tarif bezeichnet. „Wir haben rund 670 TuWatt 2Go Kunden, von denen etwa zwei Drittel monatlich laden. Hinzu kommen die Ladevorgänge von Kunden anderer Anbieter an unseren Ladesäulen.“

Nur Öko-Windstrom fließt an den Ladesäulen

Bis einschließlich Oktober seien 340.000 kWh Ökostrom an den insgesamt 58 Ladepunkten der Stadtwerke in Norderstedt „getankt“ worden. Das entspreche etwa 500 kWh je Kunde oder einer jährlichen Fahrleistung von rund zwei Millionen Kilometern, etwa 3000 Kilometer je Kunde im Jahr.

Die Strom-Fahrzeuge erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. So ist deren Anzahl in Norderstedt seit Ende 2022 um 25 Prozent von 1297 auf 1620 E-Autos gestiegen, und im Kreis Segeberg sogar um 30 Prozent von 4137 auf 5370 E-Autos, teilt Kreissprecherin Sabrina Müller mit. Zusätzlich wurden 802 Hybrid-Fahrzeuge in diesem Jahr in Norderstedt neu zugelassen (jetzt 3737 Hybrid-Fahrzeuge) und im Kreis Segeberg kamen 2042 Hybride neu dazu (9674 Hybridfahrzeuge).