Henstedt-Ulzburg. Drei Fraktionen in Henstedt-Ulzburg setzen Strategiewechsel durch. Standorte und Konzept verändern sich. Das sorgt auch für Kritik.

Zwei neue Standorte für jeweils 100 Personen – und mehr oder weniger eine Absage an das Konzept der dezentralen Unterbringung: Nach intensiver Debatte hat sich die Politik in Henstedt-Ulzburg mit knapper Mehrheit für eine neue Strategie entschieden, wie in Zukunft Menschen im Ort leben sollen, die aus verschiedensten Gründen als Flüchtlinge und Asylsuchende nach Deutschland und letztlich dann auch in die Großgemeinde kommen.

CDU, FDP und BfB brachten mit ihren Stimmen zwei Neubauvorhaben durch: Am Kiefernweg, und zwar dort, wo auch eine neue Feuerwache geplant ist, sowie im nördlichen Gewerbegebiet im Bereich des Bebauungsplans 110 südlich des Heidewegs sollen die Unterkünfte entstehen.

Hierfür hatten der Sozial- sowie der Planungsausschuss gemeinsam im Ratssaal getagt. Der Termin sollte einen Durchbruch bringen. Im September hatte es nämlich im Bauausschuss zwar einen Beschluss gegeben, wonach die Planung für einen Neubau an der Norderstedter Straße (Hausnummer 4) beginnen solle. Alle weiteren möglichen Standorte wurden allerdings abgelehnt, woraufhin es zahlreiche Beratungen hinter den Kulissen gab, damit es keine weitere Verzögerung geben würde.

Flüchtlinge in Henstedt-Ulzburg: Zwei neue Unterkünfte für je 100 Personen

Denn dass Henstedt-Ulzburg etwas tun muss, ist unbestritten. „Wir haben den gemeinsamen Antrag vor dem Hintergrund erarbeitet, dass wir dringend eine nachhaltige Lösung brauchen. Die Verwaltung sagt: Wenn wir nicht tätig werden, werden wir Turnhallen oder ähnliche Einrichtungen zur Unterbringung nutzen“, sagte Jens Iversen, Fraktionschef der BfB.

Bürgermeisterin Ulrike Schmidt dementierte das allerdings. „Wir drohen nicht damit, Turnhallen zu schließen. Ich bin dagegen, ich werde es nicht machen.“ Sie sagt, es gebe die gesellschaftliche Verpflichtung, Flüchtlinge unterzubringen. „Wir sind auf dem richtigen Weg, Unterkünfte zu errichten. Ich plädiere dafür, den Standort Norderstedter Straße beizubehalten, wir brauchen auch kleinere Unterkünfte.“ Sie fügte hinzu, dass man aus den Erfahrungen mit größeren Unterkünften lernen müsse. Jene am Kirchweg, hier leben in der Regel Männer, hat in der Bevölkerung in der Tat keinen guten Ruf.

Neubau an der Norderstedter Straße steht jetzt auf der Kippe

Die politische Zusage für den Bau an der Norderstedter Straße steht nun auf der Kippe. Dieser soll noch einmal überprüft werden, hieß es, aber die meisten Fraktionen wollen hier sozialen Wohnungsbau sehen. „Seit Jahren wird von der Gemeinde in den Wohnungsmarkt eingegriffen, und zwar massiv“, sagte Klaus-Peter Eberhard (FDP). Geübte Praxis ist es, dass die Verwaltung Immobilien anmietet, damit dort Geflüchtete leben können. Die Kritik daran: Diese Wohnungen oder Häuser fehlen dann anderen Bürgern, die auf der Suche sind.

„Wir müssen uns von der dezentralen Unterbringung verabschieden“, forderte Michael Meschede von der CDU. Das Ansinnen, dafür am Rande des Gewerbegebiets sowie am Kiefernweg zu bauen, also nicht in zentraler Lage, führte zu einer scharfen Diskussion. Denn dort sollen, so die Forderung, auch die Sprachkurse und die Betreuung durch das Sozialamt stattfinden. „Wir karren nicht Menschen durch den Ort, um ihnen in einem VHS-Raum Integrationskurse zukommen zu lassen“, so Jens Iversen.

„Beim Heideweg besteht die Gefahr eines sozialen Brennpunktes“

„Integration beginnt nicht erst nach der Unterbringung, sie beginnt mit der Ankunft der Menschen, spätestens in Henstedt-Ulzburg. Alle Experten weit über Henstedt-Ulzburg hinaus sind sich einig, dass zentrale Orte Voraussetzung für eine gelingende Integration sind“, sagte die Gleichstellungsbeauftragte Svenja Gruber. Ihre Sorge: Gerade Frauen würden benachteiligt, gerade jene aus muslimischen Kulturkreisen seien weniger mobil. Und: „Gerade beim Heideweg besteht die Gefahr eines sozialen Brennpunktes.“

Desirée Rottwinkel (Grüne) fragte: „Wollen wir, dass hier Ghettos geschaffen werden? Wollen Sie verantwortlich sein, wenn so etwas geschieht?“ Sie sprach von der Gefahr einer höheren Kriminalität – was ihr von Mirja Kahle (CDU) den Vorwurf einbrachte, „mit Ängsten zu spielen“.

SPD-Kritik: Vorschlag der Gegenseite „schnell, billig und weit weg“

Die SPD scheiterte mit ihrem Vorschlag, zwar am Kiefernweg zu bauen, aber dann noch zwei weitere Unterkünfte mit jeweils 50 Bettenplätzen (Alte Hofstelle sowie Am Trotz) zu planen. „Die Gemeinde greift bereits jetzt in den Mietmarkt ein“, warnte die Sozialdemokratin Nadine Braasch, die von einer „selbst verschuldeten Situation“ sprach und den Vorschlag der Gegenseite „schnell, billig und weit weg“ nannte. „Wir brauchen Standorte in der Nähe von Kitas, Schulen, Supermärkten und dem ÖPNV.“

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Ebenso blitzte die WHU ab. Ihre Alternative ähnelte der SPD-Idee, doch auch die Norderstedter Straße sollte weiterverfolgt werden. „Durch dezentrale Unterbringung haben wir uns sehr, sehr viel Ärger erspart. Das möchten wir gerne beibehalten. Sie müssen sich einmal vorstellen, was passiert, wenn sie in ein Haus mit 100 Menschen kommen, die nicht alle ihre Sprache sprechen, vielleicht eine andere Religion haben. Integration soll in einem Schulungsraum stattfinden? Das kann ich mir nicht vorstellen“, so Gemeindevertreterin Claudia Kuhlmann.

Doch jetzt wird so geplant, wie es die Mehrheit wollte. Im Frühjahr 2024 soll die Verwaltung Konzepte für die künftigen Unterkünfte vorlegen. Auch zu den möglichen Kosten sind dann Details zu erwarten, hier setzt man auch auf mögliche Förderungen. Die Investition dürfte im zweistelligen Millionenbereich sein. Wann gebaut wird und wann die Gebäude dann bezogen werden könnten – das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar.