Henstedt-Ulzburg. Henstedt-Ulzburg will Wohnraum für Flüchtlinge und Wohnungslose schaffen. Welche Zweifel die Politik an der Planung hat.
So schnell wie möglich will die Verwaltung in Henstedt-Ulzburg bei den Planungen vorankommen, um in den nächsten Jahren in neuen Unterkünften mindestens 200 weitere Plätze für Flüchtlinge und Wohnungslose zu schaffen.
Und die Politik hat bei einer gemeinsamen Sitzung des Planungs- und Bauausschusses mit dem Sozial-, Senioren- und Gleichstellungsausschuss den Bedarf genauso anerkannt wie grundsätzlich die Strategie unterstützt. Und doch: An der Planung gibt es Zweifel – und bei den hohen Kosten von geschätzt fast 14 Millionen Euro haben mehrere Fraktionen erhebliche Bauchschmerzen.
Flüchtlinge: Politik hat Bauschmerzen – 14 Millionen Euro für Unterkünfte
„Migration und Flucht werden uns auch in Zukunft weiter beschäftigen, wenn auch vielleicht nicht in der Drastik wie derzeit“, sagte Bürgermeisterin Ulrike Schmidt. „Wir haben keinen Wohnraum mehr, das ist eine belastende Situation. Wir suchen nach langfristigen Lösungen.“
433 Menschen leben derzeit in kommunalen Unterkünften oder angemieteten Objekten. Gerechnet wird in Bettplätzen – das solle aber nicht so verstanden werden, dass enge Schlafsäle gemeint sind, hieß es. Die Verweildauer ist hoch, in der Regel deutlich über ein Jahr.
Menschen leben durchschnittlich deutlich über ein Jahr in Unterkünften
„Es ist mit Zuweisungszahlen wie im Wahrsage-Bereich“, so Wenzel Waschischeck, der Flüchtlingsbeauftragte in Henstedt-Ulzburg. „Es gibt Prognosen von unterschiedlichen Quellen.“ Für 2023 werden aktuell 200 Personen erwartet, die neu in den Ort kommen. „Ende März werden wir knapp 50 aufgenommen haben.“ Demnach stimmt die Vorhersage. Und unter dem Eindruck vieler globaler Kriege und Krisen nicht nur in der Ukraine, des Klimawandels, zudem der Erdbebenkatastrophe in der Türkei, erwartet er auch langfristig keine Entspannung.
Die Fachleute im Rathaus benötigen von der Politik Beschlüsse, um erstens die detaillierte Standortanalyse vorzunehmen und zweitens, um Planungsbüros beauftragen zu können. Dafür sollen 516.000 Euro in den Haushalt gestellt werden. Lars Möller, zuständig für das Gebäudemanagement, sagte, man habe „nie große Überkapazitäten“ gehabt.
Die Strategie: Kurzfristig anmieten, langfristig bauen
In den letzten Jahren hat die Gemeinde an der Lindenstraße sowie am Kirchweg gebaut, sowohl für Familien als auch für Alleinreisende beziehungsweise Obdachlose – denn auch die gibt es in Henstedt-Ulzburg, es sind um die 20. Möller: „Wir haben eine kurz- und eine langfristige Schiene zu sehen. Kurzfristig heißt: Wir werden weitere Objekte anmieten.“
Bestehende Verträge – in der Regel auf zunächst drei Jahre befristet – können meist verlängert werden. „Nicht ganz so kurzfristig, vielleicht im laufenden Jahr, können wir eine Immobilie im Ortsteil Henstedt anmieten, da hätten wir 50 Bettenplätze.“ Dabei dürfte es sich um das frühere Hotel Scheelke handeln. „Und wir sind im Ortsteil Rhen in Verhandlungen, wo wir vielleicht 30 bis 34 Bettenplätze akquirieren könnten.“
„Kein Luxus, aber auch keine Bretterbuden“
Langfristig aber, so Möller, „müssen wir sehen, wie wir unsere Eigenkapazitäten ausbauen“. Diese Häuser müssen geeignet sein für eine Nachnutzung, energieeffizient sein, sich städtebaulich einfügen. „Kein Luxus, aber auch keine Bretterbuden.“ Zu möglichen Grundstücken äußerte er sich noch zurückhaltend. „Wir haben Standorte eruiert, besichtigt, eine Vorauswahl getroffen.“
Aber man wolle eine detaillierte Bewertungsmatrix anwenden wie beim Alstergymnasium. Das soll bis zur Sitzung des Planungsausschusses am 20. März abgeschlossen sein. Eine erste Berechnung, basierend auf Erfahrungen, Kennwerten und gängigen Honorare, kommt auf eine Investition von 9,874 Millionen Euro – doch bis zu einem anvisierten Baubeginn Anfang 2025 wird eine Kostensteigerung von knapp 4 Millionen Euro erwartet. In Aussicht steht zwar eine Förderung über das Land. Genaue Details fehlen noch. Diese wird aber gedeckelt, zudem zu mehr als der Hälfte nur ein zinsloses Darlehen sein.
Die Politik will Alternativen sehen – und sorgt sich um andere Projekte
Für die ausführlichen Statements gab es zwar Lob aus der Politik. Aber die Zurückhaltung ist spürbar. „Wenn wir an Neubauprojekte denken, sind das gewaltige Investitionen“, sagte Karin Honerlah (WHU). Sie fragte nach Alternativen, verwies auf die Mobilbauten, die in Norderstedt entstanden und weiter geplant sind.
Michael Meschede (CDU) sorgte sich um die weiteren Großprojekte, die in den nächsten Jahren anstehen: das Alstergymnasium, die neue Feuerwache, das Haus des Sports. Und Lars Möller wollte da auch nichts beschönigen. „Die Frage der Flüchtlingsunterbringung ist eine vordringliche, es ist verpflichtend. Aber auch das Alstergymnasium hat eine gewisse Dringlichkeit.“ Bei der Feuerwache, die am Kiefernweg/Norderstedter Straße entstehen wird, ist das Verfahren bereits weiter fortgeschritten.
Gemeinde versichert: Kein kommunaler Wohnungsbau
Die FDP sieht eine andere Gefahr. „Ich möchte nicht, dass die Gemeinde auf diese Weise in den Wohnungsbau einsteigt.“ Das sei die „schnellste Methode, um eine Gemeinde pleite zu bekommen“, warnte Stephan Holowaty, der private Investoren und Betreiber forderte.
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Möller antwortete dem: „Wir steigen nicht in den kommunalen Wohnungsbau ein.“ Es werde gebaut, und dann würden dort die zugewiesenen Geflüchteten untergebracht. Und: „Wir suchen bereits nach Investoren. Aber das wird nicht reichen. Wir werden selber bauen müssen.“
Ein weiterer Punkt: die mögliche Nachnutzung. „Wir dürfen den Übergang zum sozial geförderten Wohnungsbau nicht aus den Augen verlieren“, so Horst Ostwald (SPD), und auch Jens Iversen (BfB) sagte, man müsse „zu einer klareren Regelung der Nachnutzung kommen, insbesondere für preiswerten Wohnraum“.
Henstedt-Ulzburg: In 41 Mietobjekten leben 270 Menschen
Daraufhin versicherte Colja Peglow, der Leiter des Fachbereichs für Soziales: „Stand heute haben wir 41 Objekte angemietet, in denen wohnen 270 Menschen. Sollte sich die Migration derartig entwickeln, dass wir von deutlich sinkenden Zahlen reden, haben wir immer noch die Möglichkeit, uns von den Wohnungen zu verabschieden. Wir haben zahlreiche Menschen, Familien, die händeringend auf der Suche nach Wohnraum sind und deren Bedürfnisse nicht befriedigt werden können.“
Die Politik wollte letztlich mehr Sicherheit im Planungsprozess. Drei Änderungsanträge bekamen Mehrheiten. Die Planungskosten wurden auf Wunsch der CDU mit einem Sperrvermerk versehen, den der Planungsausschuss aufheben muss. Es wird das von der FDP geforderte Interessenbekundungsverfahren geben. Und die Verwaltung muss – auf WHU-Antrag – alternative Bauvarianten vorschlagen, die durch Modul- oder Leichtbauweise günstiger sein könnten.