Norderstedt. Nach über 50 Jahren will die Stadt Norderstedt den Achternkamp ausbauen. Allerdings gäbe es für die Grundeigentümer eine Alternative.
- Nach über 50 Jahren soll die kleine Nebenstraße in Norderstedt erstmalig ausgebaut werden
- Vier Grundstücksbesitzer müssten fünfstellige Gebühren zahlen
- Kurzfristig soll das Rathaus eine Alternative durchrechnen: den Verkauf an die Eigentümer
Die Situation ist mehr als ungewöhnlich, die finanzielle Belastung für die Betroffenen wäre erheblich: Dass die Straße Achternkamp in Garstedt, eine Verbindung zwischen Buckhörner Moor und Friedrichsgaber Weg unweit des Feuerwehrmuseums, erstmalig ausgebaut werden soll, sorgt nicht nur in der Nachbarschaft, sondern auch zwischen Politik und Rathaus für Diskussionen. Mindestens 141.000 Euro müssten die vier betroffenen Grundstückbesitzer zahlen, die eigentlich in Norderstedt geltende Abschaffung der Straßenausbaubeiträge greift hier nicht, sondern die Vorgaben des Bundesbaugesetzes.
Im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr beschäftigten sich die Fraktionen nun kurz vor Weihnachten mit der heiklen Thematik. Und es kam eine Alternative zur Sprache. Marc-Christopher Giese, Fraktionschef der Grünen, bat die Verwaltung nämlich darum, eine andere Option durchzurechnen: „Bis zur nächsten Sitzung“, heißt es, solle die Stadt „eine Aufstellung der Rechte und Pflichten bei Verkauf der Straße“ an Privateigentümer aufstellen und aufzeigen, „wie hoch der Unterhalt pro 100 Meter voraussichtlich sein wird, wenn die Straße nicht hergestellt, sondern weiter saniert wird“. Ergänzend sagte Julia Glagau (WiN/Freie Wähler), dass auch eine mögliche Kaufsumme vorgelegt werden solle.
Norderstedt: 141.000 Euro Gebühren für Straßenausbau – oder ein Verkauf?
Das wäre möglicherweise der Plan B. Ansonsten würden 90 Prozent der Kosten für das öffentliche Bauwerk bei den Besitzern der Liegenschaften liegen. In Norderstedt gibt es unter den 470 Straßen noch 60 bis 70 Exemplare, die zwar in den vergangenen Jahrzehnten zur Erschließung von Wohnbebauung angelegt wurden, aber eben nie so, dass man nach rechtlichen Vorgaben von einer Mindestanforderung an eine Wohnstraße sprechen kann.
Die Stadt baut diese Straßen sukzessive aus. Der Achternkamp existiere und funktioniere laut Anwohnern seit mehr als 50 Jahren so, wie es sich derzeit darstellt: Eine Piste mit einer unebenen Asphaltdecke, voller tiefer Pfützen nach jedem Regen. Auf der einen Seite stehen Bäume in einem Grünstreifen und keine Häuser. Auf der anderen Seite, hin zu den nur fünf Grundstücken mit der Adresse Achternkamp, wurde ein Teil der Piste mit Holzbalustraden optisch als Fußweg abgetrennt. Das hat Nachkriegscharme.
Vier Grundstücksbesitzer sind betroffen
Aus dieser Piste soll eine ordentliche Straße werden, hat die Verwaltung mitgeteilt. Je nach Grundstücksgröße, der Bebaubarkeit und der gewählten Straßenausbauvariante müssen die Grundstücksbesitzer mit pro Kopf zwischen 17.000 und 35.500 Euro als Anteil rechnen. Aufgrund der derzeit durch alle möglichen Effekte angespannten wirtschaftlichen Lage gewährt die Stadt Norderstedt Ratenzahlungen und Stundungen.
Ende August gab es bereits eine Einwohnerversammlung mit den betroffenen vier Grundstücksbesitzern. Die mussten zunächst begreifen, warum sie für die Kosten des Ausbaus herangezogen werden. Wurden die Straßenausbaubeiträge in Norderstedt nicht abgeschafft?
Erstmaliger Ausbau oder nur Sanierung?
Stimmt. Doch dazu muss man wissen: Straßenausbesserungen und Sanierungen wurden nach dem kommunalen Abgabengesetz früher mit 85 Prozent der Kosten von den Grundstücksbesitzern bezahlt. Diese Praxis wurde abgeschafft. Der erstmalige und endgültige Ausbau von Straßen ist jedoch eine Vorgabe des Bundesbaugesetzes und kann nicht von der öffentlichen Hand in den Kommunen übernommen werden. Die zahlt nur zehn Prozent der Kosten, den Rest der Grundstücksbesitzer. Wer sein Haus im Neubaugebiet baut, preist die Kosten für Erschließung gleich mit ein. Wer diese erst 50 oder mehr Jahre später aufgebrummt bekommt, hadert mit seinem Schicksal.
Zum Beispiel mit der Tatsache, dass die Straße nur einseitig bebaut wurde. „Diese 5 Grundstückseigentümer können absolut nichts dafür, dass die Straße in den 1960er-Jahren nur einseitig bebaut wurde. Kann da Ihre Antwort wirklich nur lauten: Pech gehabt?“, argumentiert ein Anwohner per Brief an die Stadt. Er hat einen Beitrag von weit über 20.000 Euro zu erwarten und plädiert dafür, dass die Kosten fairerweise halbiert werden.
Grundstücksbesitzer fordern einen Wanderweg
Es wird angemerkt, dass die seit 50 Jahren bestehende Asphaltdecke erst durch den baustellenbedingten Schwerlastverkehr in den Jahren 2019 bis 2022 stark beschädigt worden sei, weil in der Nachbarschaft am Buckhörner Moor das Wohngebiet „Wohnen am Moorbekpark“ hochgezogen wurde. Und weil das so ist, müssten doch alle diese neuen Bewohner am Ausbau des Achternkamp fairerweise beteiligt werden.
Andere Eigentümer sprachen sich dafür aus, dass die Straße ein Sandweg werden soll, ein landwirtschaftlicher Weg oder eine Verlängerung des Wanderweges in den nahen Moorbekpark. Jedoch zeigte sich Norderstedter Fachamtsleiter für den Straßenbau, Mario Kröska, unerbittlich. All diese Varianten seien nicht machbar, da sie nicht dem Standard entsprächen, den öffentliche Straßen haben müssen, die von der Post oder der Müllabfuhr genutzt werden.
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Politik hat im Bauausschuss das letzte Wort
Doch die Frage stellt sich: Wenn der jetzige Standard in den letzten Jahrzehnten ausgereicht hat, wieso sollte das nicht auch in den nächsten 50 Jahren noch der Fall sein? Die Haltung der Verwaltung dazu ist klar: „Im Sinne einer einheitlichen, verkehrssicheren sowie für den Aufenthalt im Straßenraum attraktiven Gestaltung der Norderstedter Straßen, wird dieser Änderungswunsch von der Verwaltung ausdrücklich nicht befürwortet. Durch den erstmaligen und endgültigen Ausbau müssen die technischen Mindestanforderungen an eine Wohnstraße erfüllt sein.“
Die Grundstückeigentümer wehren sich nicht kategorisch gegen den Ausbau. Wenn alles Widersprechen nichts nützt, würden sie den Ausbau als „Shared Space“ bevorzugen, also eine verkehrsberuhigte Zone, in der alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind. 141.000 Euro würde dieser Ausbau kosten. Eine gepflasterte Fahrbahn plus Gehweg wird mit 142.000 Euro veranschlagt beziehungsweise in einer weiteren Variante mit 153.000 Euro. Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr vertagte einen Beschluss, bis die Verwaltung wie gefordert eine Alternative vorstellt. Die nächste Sitzung ist am 18. Januar, 18.15 Uhr (Sitzungsraum 2, Rathaus).