Norderstedt. Im Norderstedter Hauptausschuss soll die Abschaffung beschlossen werden. Viele Bürger werden trotzdem zahlen müssen.

Die politische Mehrheit für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Norderstedt steht. Nach FDP und CDU haben sich nun auch die Sozialdemokraten für die Abschaffung der Beiträge ausgesprochen. Während der Sitzung des Hauptausschusses am heutigen Montag wollen die Politiker einen entsprechenden Antrag der FDP unterstützen.

Doch wenn die Bürger nun annehmen, dass sie generell künftig nicht mehr tief ins Portemonnaie greifen müssen, wenn vor ihrer Tür die Stadt die Straße aus- oder umbaut, dann irren sie. Denn die Lage ist kompliziert. Zur Disposition stehen in Norderstedt nur die Ausbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG).

Die werden immer dann fällig, wenn die Stadt eine bestehende Straße saniert, also in ihrer Struktur aufwertet oder umbaut. Laut KAG darf die Stadt derzeit 85 Prozent dieser Kosten auf die Bürger umlegen, die mit ihren Grundstücken an die Straße angrenzen. Zwischen 300.000 und 500.000 Euro zahlen die Bürger jährlich auf Basis des KAG an die Stadt. Wenn die Politik diese Gebühren nun für Norderstedt abschafft, ist das eine signifikante Entlastung vieler Haushalte in der Stadt.

Doch weiterhin zur Kasse gebeten werden auch nach diesem möglichen Beschluss jene Bürger, die an Straßen leben, die diesen Namen eigentlich nicht verdient haben. Also solchen Verkehrswegen, die noch nie richtig ausgebaut wurden. 70 dieser „Straßen“ gibt es derzeit in Norderstedt. Wenn die Stadt hier die Bagger und Straßenbauer anrücken lässt, müssen die Anwohner 90 Prozent der Kosten übernehmen. So sieht es das für den erstmaligen Ausbau von Straßen maßgebliche Bundesbaugesetzbuch vor.

„Hier sehen wir die große Herausforderung für Verwaltung und Politik“, sagt SPD-Fraktionschef Nikolai Steinhau-Kühl. „Es ist nicht immer leicht zu verstehen, warum man für Baumaßnahmen an einer Straße keine Beiträge mehr zahlen muss und bei einer anderen Straße schon. Da ist der Ärger programmiert, wenn es uns nicht gelingt, dies den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt zu erklären.“

Rechtlich ist die Lage eindeutig. Selbst wenn die Stadt und die Politik es so wollten: Die Beiträge nach dem Bundesgesetz müssen erhoben werden. Schließlich wäre es ja auch nicht hinzunehmen, dass die Allgemeinheit für die Erschließung von Neubauten die Kosten übernimmt – selbst wenn dies erst Jahrzehnte nach der Fertigstellung der Gebäude geschieht.

Unklarheit lähmt erforderliche Infrastrukturmaßnahmen

Die FDP fordert in ihrem Antrag, dass die Stadt auch rückwirkend bis zum 26. Januar 2018 Beiträge erlässt. „Der Aus- und Umbau sowie die Erneuerung von Straßen liegt im Interesse der gesamten Öffentlichkeit, da ist es Zeit, dies Aufgaben durch die Allgemeinheit zu finanzieren“, sagt Fraktionschef Tobias Mährlein. Die reiche Stadt Norderstedt könne gut auf die Bürgerbeiträge verzichten. Die Bürger würden von einer ungerechten, schlecht kalkulierbaren finanziellen Belastung befreit und die Verwaltung von einem unnötigen Aufwand beim Eintreiben und Verwalten der Gebühren.

Nikolai Steinhau-Kühl sieht in der Abschaffung auch die Möglichkeit, eine alte Entscheidung zur Belastung der Bürger wieder gut zu machen.

„Nachdem der Grundsteuerhebesatz B im Jahr 2012 gegen unsere Stimmen erhöht wurde, ist dies nun eine Möglichkeit, die Bürgerinnen und Bürger Norderstedts in Zukunft von zumindest einigen Kosten zu befreien.“

Verhindern will die SPD, dass die Abschaffung der Beiträge die Stadt in eine unkalkulierbare Situation bringt. „Bisher galt beim Um- und Ausbau von Straßen, dass nur das Nötigste und Preiswerteste gemacht wird – damit die Kosten im Sinne der Bürger niedrig gehalten werden“, sagt Steinhau-Kühl. Wenn jetzt die Allgemeinheit die Kosten übernimmt, könnte das dazu verführen, die Kostendisziplin schleifen zu lassen.

Mit einem Ergänzungsantrag möchte die SPD-Fraktion die Verwaltung damit beauftragen, einen konkreten Rahmen für den Ausbau von Straßen zu erarbeiten „Das ist notwendig, um eine Standardisierung und damit finanzielle Kalkulierbarkeit von Straßenausbauten gewährleisten zu können.“

Für die CDU hatte Stadtvertreter Patrick Pender bereits auf eine schnelle Abschaffung der Ausbaubeiträge nach der Sommerpause gedrängt. „Es herrscht beim Bürger und der Verwaltung Unklarheit in dieser Angelegenheit – und das lähmt erforderliche Infrastrukturmaßnahmen in unserer Stadt“, sagte Pender. Straßenausbaumaßnahmen der Stadt würden derzeit zurückgestellt, nur weil nicht abschließend geklärt ist, ob Beiträge für Bürger fällig werden oder nicht.

Die öffentliche Sitzung des Hauptausschusses beginnt am heutigen Montag um 18.15 Uhr im Sitzungsraum 2 des Rathauses.