Norderstedt. Anwohner der Straße am Böhmerwald sollen rund 1,3 Millionen Euro zahlen. Was sie der Stadt Norderstedt vorwerfen.
Die Rebellen vom Böhmerwald kämpfen weiter. Die Anwohner der gleichnamigen Straße in Norderstedt wehren sich dagegen, dass sie für den Ausbau der kleinen Straße im südlichen Bereich zahlen sollen. Und sie werfen der Stadt Untätigkeit und Unkenntnis vor.
„Es kann doch nicht sein, dass wir nach mehr als zwei Jahren immer noch nicht wissen, ob wir die Kosten für den Straßenausbau tragen müssen oder nicht“, sagt Anlieger Roland Goldbach. Was da auf im Einzelfall auf ihn und seine Nachbarn zukommen kann, sind mehr als 40.000 Euro – eine Summe, die man nicht mal eben so liegen habe. Sie schwebt wie ein Damoklesschwert über den Köpfen, die Unsicherheit wirke extrem belastend.
Eine Frage des Geldes – Ausbau oder Reparatur?
Zur Debatte steht die Gretchenfrage: Handelt es sich um einen endgültigen Ausbau, also die grundsätzliche Herstellung der Straße von Grund auf – oder nur um Reparaturarbeiten? Die Stadt sagt, die Straße Am Böhmerwald sei noch nie endgültig ausgebaut worden. Genau genommen war sie in den letzten Jahrzehnten ihres Bestehens also gar keine Straße, sondern eine Art Asphaltpiste. Wenn die Stadt nun alles vorschriftsmäßig ausbaut, darf sie nach dem Bundesbaugesetz 90 Prozent der Kosten als Erschließungsbeiträge bei den Anwohnern und Grundstücksbesitzern einfordern, insgesamt rund 1,3 Millionen Euro.
Die Anliegerinitiative behauptet das Gegenteil: Die Straße sei schon mal endgültig ausgebaut worden, heute müsse lediglich die betagte Asphaltdecke repariert werden. Und für diese Reparaturen muss die Stadt nach dem Kommunalabgabengesetz aufkommen. Die Grundstücksbesitzer müssten also gar nichts bezahlen.
Anwohner haben sich Hilfe von Experten geholt
Inzwischen ist die Straße ausgebaut, der Streit schwelt weiter. Die Anwohner stützen ihre Position auf zwei Expertisen. Zum einen haben sie einen renommierten Fachanwalt eingeschaltet. Auf 17 Seiten kommt Professor Marcus Arndt zur gleichen Auffassung wie seine Auftraggeber: Die Straße sei schon endgültig hergestellt. „Damit sind wir in Vorleistung gegangen und haben die Hausaufgaben der Stadt erledigt“, sagt Goldbach.
Zum anderen liege der Verwaltung seit Weihnachten der Bericht der Baufirma vor. „Die Firma bestätigt, dass dort schon eine 40 Zentimeter starke Tragschicht vorhanden war, ein Unterbau, der auch heutigen Anforderungen genügt und belegt: Die Straße ist endgültig hergestellt“, sagt Anlieger Hinrich Ploog. Zum Bau und Aufbau der Straße 1960 gebe es Dokumente, die Position der Anwohner stärkten.
Anwohner suchen Hilfe bei Petitionsausschuss
Eine verlässliche Antwort der Stadt auf die Expertisen stehe aus. „Wir werden vertröstet und vertröstet und sollen abwarten, bis alle Fakten und die Rechnungen der Baufirmen für den Ausbau auf dem Tisch liegen“, sagt Goldbach. Doch für die Prüfung in der für die Betroffenen existenziellen Grundfrage sei es unerheblich, ob noch Rechnungen fehlen. Nun haben die verärgerten Anlieger den Petitionsausschuss des Landes eingeschaltet und gefragt, „ob diese Hinhaltetaktik in Ordnung ist“.
Der Ausschuss bezieht zur Sache keine Stellung, aber: „Der Ausschuss zeigt Verständnis für unsere Forderung, möglichst bald rechtsverbindliche Klarheit zur Erhebung der Ausbaubeiträge zu erhalten“, sagt Goldbach. Angesichts der Höhe der zu erwartenden Beiträge stelle diese ungewisse Situation eine erhebliche Belastung der Anlieger dar, heißt es in dem Schreiben des Petitionsausschusses, das dem Abendblatt vorliegt.
Anlieger fordern, Klarheit zu schaffen
Drei der vier Kriterien, die den Zustand einer Straße definieren, seien inzwischen zu ihren Gunsten entschieden, sagen die Anlieger. Beleuchtung und Gehweg seien ohnehin unstrittig gewesen, der Straßenausbau sei ebenfalls geklärt. Bleibe noch die Entwässerung. Noch im April 2019 habe die Verwaltung öffentlich behauptet, es gebe überhaupt keine Entwässerung. Vier Monate später habe das städtische Betriebsamt bei seiner Kontrolle dann festgestellt, dass ein altes Entwässerungssystem mit Rohrleitungen, Gräben und Sickerschächten vorhanden ist, das die Stadt als „provisorisch“ bezeichnet habe.
Nur: „Diese System hat 60 Jahre lang hervorragend funktioniert. Dennoch hat die Baufirma sie durch eine neue ersetzt. Mit dem Erfolg, dass jetzt bei Starkregen Keller und Tiefgaragen voll laufen und von der Feuerwehr leergepumpt werden müssen“, sagt Ingenieur und Anwohner Klaus Dürkopp. Die Anlieger sehen sich in allen Punkten bestätigt und fordern Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder auf, den „unsäglichen Schwebezustand“ zu beenden und eine funktionierende Regenentwässerung zu installieren. „Der Sachverhalt wird aktuell geprüft. Liegt das abschließende Ergebnis vor, wird die Stadtverwaltung dies den Anwohnerinnen und Anwohnern sowie der Politik mitteilen“, sagt Verwaltungssprecherin Nina Wrage.