Norderstedt. Silva Mousally floh 2014 als Kind mit ihren Eltern aus Syrien nach Norderstedt. Ihre Entwicklung in Deutschland beeindruckt.

Es ist gerade neun Jahre her, da war Silva Mousally sechs Jahre alt, fühlte sich verloren in Deutschland und weinte jeden Tag. „Ich wollte einfach wieder nach Hause“, sagt die Schülerin. Mit ihren Eltern rettete sich Mousally vor Krieg und Verfolgung in Syrien ins beschauliche Norderstedt, wo die Welt in Ordnung und doch furchtbar fremd erschien. Würde sich Silva Mousally je an ihr neues Zuhause gewöhnen, würde die Integration funktionieren?

2023 kann die heute 15-Jährige auf beide Fragen mit einem klaren Ja antworten. Nur wenige Monate nach der Flucht besuchte sie bereits eine Grundschule, ohne Deutschkenntnisse. Trotzdem integrierte sie sich schnell, lernte begierig und schon im zweiten Schuljahr konnte sie Deutsch, die Sprache ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler. Heute geht sie auf das Lise-Meitner-Gymnasium und besucht dort die zehnte Klasse.

Politik und eine eigene Meinung interessieren Silva

Silva Mousally ist heute eine junge Frau, die sich für Politik und Meinungsfreiheit interessiert.
Silva Mousally ist heute eine junge Frau, die sich für Politik und Meinungsfreiheit interessiert. © Silva Mousally | Silva Mousally

An die gefährliche Flucht mit ihrer Familie nach Deutschland kann sich Silva Mousally heute nicht mehr richtig erinnern. Doch aus dem Flüchtlingskind von damals ist heute eine junge Frau geworden, die sich für Politik und Gesellschaft interessiert, vor allem die Außenpolitik hat es ihr sehr angetan.

Über ihre Schule nimmt sie letztes Jahr an den „Model United Nations“ in den Niederlanden teil. Schüler und Studierende schlüpfen über mehrere Tage in die Rolle der Vertreterinnen und Vertreter der Vereinten Nationen und müssen stellvertretend für einen zugelosten Staat an simulierten Konferenzen teilnehmen. Silva fuhr als Vertreterin der Türkei zum Projekt und saß dort im Human Rights Council und behandelt Menschenrechtsfragen.

Sie war Teil der „Model United Nations“

Ein besonderer Schwerpunkt waren Flüchtlinge, die über das Meer nach Griechenland und in die Türkei fliehen. Silva wurde in ihrem Council zu dem „Best Delegate“ ausgewählt, blieb selbst aber bescheiden: „Andere haben viel mehr gemacht als ich, ich hatte das Glück, die Türkei zu vertreten, weil ich viel zum Thema zu sagen hatte“.

Poltisches Interesse, Engagement und den Willen etwas zu verändern in der Welt: Silva Mousally erfüllt jene Anforderungen, die von der START-Stiftung an ihre Stipendiaten gestellt werden. Über eine Lehrerin hört sie von dem 3-jährigen Stipendium der Stiftung, entscheidet sich für eine Bewerbung und wird schließlich auch angenommen. Ende August fand ein erstes Zusammentreffen statt und im September folgte mit einer Aufnahmefeier der offizielle Startschuss.

START-Stiftung gab Silva Mousally ein Stipendium

Das START-Stipendium beinhaltet neben finanzieller Unterstützung zahlreiche Weiterbildungs- und Vernetzungsmöglichkeiten. Zusammentreffen, Workshops und Seminare zu Themen wie zum Beispiel soziale Medien oder Coding am Computer finden statt und die Stipendiaten werden zum politischen und gesellschaftlichen Engagement ermutigt. Zusammen mit anderen Jugendlichen und Mitgliedern der START-Stiftung arbeiten die Stipendiaten an Projekten und verfolgen das Ziel, die Gesellschaft und Politik mitzugestalten und zu verändern.

Neben den Projekten in der Zusammenarbeit mit START müssen die Schülerinnen und Schüler einen Halbjahresbericht abgeben, in dem sie ihre Aktivitäten und Engagements dokumentieren. Silva überlegt derzeit in den Kinderjugendbeirat einzutreten und damit ihre Mitsprache in der Kommunalpolitik einzubringen.

„Schwindendes politische Interesse bei Jugendlichen finde ich sehr problematisch“

Silva Mousally (r.) und andere Stipendiaten bei der Aufnahmefeier der START-Stiftung in Hamburg.
Silva Mousally (r.) und andere Stipendiaten bei der Aufnahmefeier der START-Stiftung in Hamburg. © Silva Mousally | Silva Mousally

Vor der Aufnahmefeier im September in der Zentralbibliothek Hamburg, reiste Silva zusammen mit den Teilnehmern aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Pommern nach Eckernförde und verbrachte dort zum Kennenlernen ein Wochenende in einer Jugendherberge. „Wir wurden alle direkt aufgenommen, das war so toll!“, schwärmt Silva von dem ersten Zusammentreffen mit den älteren Stipendiaten.

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Silva tauschte sich mit vielen Menschen verschiedenster Herkunft und religiöser wie politischer Orientierung aus und hatte daran sehr viel Spaß. „Ich kenne viele Menschen, denen Politik egal ist und die keine wirkliche Meinung haben. Wenn man aus einem Land ohne Meinungsfreiheit kommt, schätzt man das Recht auf eine eigene Meinung sehr“, betont die Zehntklässlerin. Bei den Stipendiaten sei dies anders, jeder hat eine politische Meinung und Anliegen, über die auch diskutiert wird.

Viele neue Freundschaften und Erfahrungen für das gesamte Leben

Drei Jahre wird Silva von der START-Stiftung gefördert und schon nach wenigen Monaten hat sie bereits neue Freundschaften geschlossen. Sie hofft darauf, dass sie neben privaten Freundschaften auch Kontakte knüpfen kann, die ihr für das spätere Berufsleben nützen: „Empfehlungen und Vernetzungen, die mir auch beruflich etwas bringen, wären natürlich sehr toll“.

Ebenso wichtig ist ihr auch die persönliche Weiterentwicklung, dafür werden neue Erfahrungen, Bildung und Einblicke in viele verschiedene politische und gesellschaftliche Bereiche sorgen. Neben ihrem Stipendium will sie aber auch ihre anderen Aktivitäten nicht vernachlässigen: Bald steht die nächste Ausgabe der „Model United Nations“ an und Silva möchte sich wieder bewerben und in die Niederlande fahren. Es finden auch ähnliche Veranstaltungen in Dubai oder New York statt, ihre Mutter muss sie da allerdings ein wenig bremsen. „Alleine darf ich nur in Nachbarländer, sonst würde meine Mutter sich Sorgen machen“, sagt Silva.