Henstedt-Ulzburg. Dingend benötigter Neubau soll kommen. Behörden stellen immer mehr Tiere sicher. Was in Henstedt-Ulzburg geplant ist.
Der so eminent wichtige Grundsatzbeschluss über die Zukunft des Tierheims in Henstedt-Ulzburg ist nicht einmal einen Tag alt, da ist Katja Vogel wieder mittendrin im Alltag. Ein Hund bellt, der charakteristische Geruch hängt im Flur, hier ist immer ein stetes Kommen und Gehen. Die Leiterin der Einrichtung am Kirchweg und der Verein „Tierschutz Henstedt-Ulzburg“ – er betreibt den Standort im Auftrag der Städte und Gemeinden – haben das erhoffte Votum erhalten. Das Tierheim soll neugebaut werden, die Planungen werden jetzt vorangetrieben, 2024 gibt es Klarheit über Grundstück, Gebäudestruktur und Kosten.
Das hat die Verbandsversammlung des Zweckverbandes Fundtiere Segeberg West entschieden. Dort sind unter Leitung von Henstedt-Ulzburg (Bürgermeisterin Ulrike Schmidt ist Verbandsvorsteherin) auch Norderstedt, Kaltenkirchen, Ellerau sowie die Ämter Auenland Südholstein, Kaltenkirchen-Land und Kisdorf vertreten. „Es wurde ganz offiziell festgestellt, dass ein Neubau unumgänglich ist“, sagt Katja Vogel. Das Thema, ob es wirtschaftlicher wäre, den Standort zu sanieren oder aufzustocken, sei „Gott sei Dank vom Tisch“, sagt sie. „Das Gebäude lässt sich nicht erweitern, das Grundstück rundherum steht uns nicht zur Verfügung. Und es macht wenig Sinn, da das Gebäude marode ist.“
Tierheim Henstedt-Ulzburg am Limit: „60 Hunde auf der Warteliste“
Die Mängel hatte der Verein mehrfach in aller Ausführlichkeit beschrieben, es geht um Platznot, Feuchtigkeit, Schimmel, nicht mehr zeitgemäße Unterbringung. Es gibt keinen gesonderten Mitarbeiterbereich, keinen Ruheraum, auch keine Umkleide, gegessen wird mit dem Teller auf dem Schoß, die Küche dient zur Zubereitung von Speisen für Mensch und Tier.
Jetzt beginnt die Feinplanung. „Wir haben schon einen Raumplan erstellt auf Basis des jetzigen Tierheims.“ Benötigt wird wohl eine Fläche von 11.000 Quadratmetern. Nicht unwahrscheinlich: Man bleibt in Henstedt-Ulzburg. „Bei Hunden ist es eigentlich ganz einfach, wir haben Vorgaben aus der Tierschutz-Hundeverordnung. Dort steht: Ein Hund mit einer Schulterhöhe von mindestens 65 Zentimetern braucht zehn Quadratmeter Auslauf. Auch bei einem geschlossenen Raum, sagt der Deutsche Tierschutzbund.“ Rechtlich werden zwar Innenraum und Außenbereich addiert, aber so denkt das Tierheim nicht. „Ein ängstlicher Hund, der gar nicht rausgeht, braucht trotzdem zehn Quadratmeter.“
Zwölf Räume für Hunde, bis zu acht für Katzen sind geplant
Auf der gleichen Fläche könnten aber auch drei kleinere Hunde untergebracht werden. „Wir haben jetzt mit zwölf Räumen à zehn, elf Quadratmeter geplant. Und haben viele Varianten, können zum Beispiele Räume miteinander verbinden, wenn wir eine Gruppe haben oder eine Mutter mit Welpen. Und auch die Außenzwinger müssen verbindbar oder trennbar sein, wenn sie sich aus dem Weg gehen sollen.“
Dazu soll es für alle Tiere, nicht nur Hunde, neue Quarantäne- sowie Iso-Stationen geben. Die Quarantäne gibt es sieben Tage lang für alle Neuankömmlinge, um Krankheiten auszuschließen. „Und wir haben kranke Tiere, oder Sicherstellungen aus tierseuchenrechtlichen Gründen, also eine illegale Einfuhr von Hunden, die nicht gegen Tollwut geimpft sind. Das ist die Iso.“
Bei den Katzen soll von fünf auf sieben bis acht Räume erweitert werden. „Die Vorschrift ist, dass die Räume dreidimensional aufgebaut sind, das heißt, dass sie klettern können, sich zurückziehen, mal unter der Decke sitzen. Das haben wir schon, aber es gibt ausgesprochen viele Katzen, die gar keine Gruppenhaltung wollen.“
Der dritte Bereich wäre jener für Kleintiere (Meerschweinchen, Kaninchen, Vögel). „Die haben es bei uns sehr viel besser als manchmal zu Hause. Wir haben Gruppen- und Einzelhaltung, einen Riesenauslauf, die Volieren sind sehr groß, die Vögel können durch ein Flugloch auch draußen sitzen. Das würden wir so übertragen.“
Tätigkeiten reichen weit über Fundtiere hinaus
Über den Neubau ist sich der Zweckverband einig. „Die Kapazität des derzeitigen Gebäudes reicht nicht aus, auch zukünftig nicht“, sagt Ulrike Schmidt. „Ich sehe uns an einer Weggabel.“ Hinzu kommt: In den letzten Jahren hat das Tierheim – beziehungsweise der Verein – weitaus mehr gemacht, als der ursprüngliche Zweck war. Denn bloß um Fundtiere geht es nicht mehr. Darauf wies in der Sitzung Norderstedts Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder wiederholt mit Nachdruck hin. Sie forderte eine Satzungsänderung, um der Realität Rechnung zu tragen. Nach einiger Diskussion wurde beschlossen, dass sich Norderstedt um die Erarbeitung dieser Neuformulierung kümmern würde.
Katja Vogel erklärt, worum es geht: „Tatsächlich sind wir nur für Fundtiere zuständig. Dafür würde der Platz reichen. Keine Tiere, die abgegeben werden, keine Sicherstellungen.“ Doch Maßnahmen der Behörden haben stark zugenommen. „Bis 2017 hatten wir zehn bis 16 Sicherstellungen im Jahr. 2022 hatten wir 61, jetzt schon über 100.“ Das kann unterschiedlichste Gründe haben: Halterin oder Halter stirbt, jemand muss ins Gefängnis, eine Zwangsräumung, im Prinzip kann es jegliche Form privater Verwerfungen geben, an deren Ende Tierleid entsteht. Die Corona-Zeit und die Inflation haben das beschleunigt.
„Manchmal tun sich Abgründe auf, wenn man in eine Wohnung geht“
„Dafür sind die Ordnungsämter zuständig, aber die können sich die Tiere ja nicht ins Büro holen. Also kommen sie zu uns. Aktuell ist das eine freiwillige Leistung, und es wäre uns auch sehr recht, wenn das freiwillig bleibt. Wir haben nie irgendetwas abgelehnt.“ Doch es könnte passieren, dass die Städte und Gemeinden beschließen, dass die Aufnahme dieser Tiere eine Pflicht wird. Mit entsprechenden Folgen für die Kapazitäten. „Wenn wir ein Fundtier aus Platzgründen nicht aufnehmen, sind wir verpflichtet, auf unsere Kosten in einer Pension unterzubringen. Das kommt aber nicht vor, weil wir immer Platz haben und ungefähr wissen, was kommt. Sicherstellungen sind ein Überraschungspaket. Da kommt mal ein Anruf: ,Wir haben hier zehn Kaninchen‘. Manchmal tun sich Abgründe auf, wenn man in eine Wohnung geht und die Tiere rausholt. Da ist es dann klar: Die müssen da weg.“
Oder, ein aktueller Fall aus Norderstedt: „Plötzlich hatten wir neun Hunde.“ Und zwar American-Staffordshire-Welpen, „der Vater ist ein Rottweiler-Mischling“. Vogel: „Wenn ich das Tier nicht aufnehme, wird es an der Autobahn ausgesetzt. Ich glaube, wir sind eines der wenigen Tierheime in der Umgebung, das keinen Aufnahmestopp verfügt hat. Aber es stehen 60 Hunde auf der Warteliste, die wir nicht aufnehmen können.“ Denn auch das ist Realität: Bei finanziellen Sorgen sparen Menschen oft zuerst beim Haustier, melden sich beim Tierheim, das wiederum eine Abgabegebühr erhebt.
„90 Prozent der Kleintiere sind behandlungsbedürftig“
Andererseits: Die Vermittlung der Tiere läuft relativ gut. „Aber handverlesen.“ Besagte Staffordshire-Welpen sind ein gutes Beispiel. Parallel hatten sie nämlich auch junge Dackel, „die wurden uns aus der Hand gerissen, da muss ich nur gucken, ob es in der Familie funktioniert. Beim Staff-Welpen brauche ich jemanden, der sich auskennt. Die haben auch genetisch etwas in sich. Man muss wissen, was man bekommt.“
Katzen sind, wie so oft, speziell. Wenn es in einer Familie nicht klappt, „dann können wir sie auch zu Hofkatzen machen, da haben wir einige“. Kleintiere hingegen hätten keine Lobby. „Ein Kaninchen kaufen sie für 80 Euro. Einmal bei der Zahnsanierung, sind sie 150 Euro los. Da denken viele Leute gar nicht dran. 90 Prozent der Kleintiere, die abgegeben werden, sind behandlungsbedürftig. Das reißt richtig Löcher in unser Budget.“
All das erfordert einen hohen personellen Aufwand. „Wir haben Festangestellte in Teilzeit und Vollzeit, haben zwei Azubis zur Tierpflegerin, eine Langzeitpraktikantin, die im nächsten Jahr Azubi wird, und dann einen festen Stamm an Ehrenamtlichen, die sich auch wirklich auskennen und die zuverlässig kommen müssen.“
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Während alles darauf hindeutet, dass das Tierheim langfristig neugebaut wird, müssen die nächsten Jahre überbrückt werden. Laut Verwaltung in Henstedt-Ulzburg wurde eine Einbruchs- und Brandmeldeanlage eingebaut, es gibt Raumluftreiniger, die aber noch nicht installiert wurden. Die Schimmelproblematik ist omnipräsent, die Grenzwerte etwa in der Katzenquarantäne sind überschritten. Eine dezentrale Abluftanlage könnte Abhilfe schaffen, um die Feuchtigkeit zu reduzieren.
Tierheim Henstedt-Ulzburg: „Die Ämter vertrauen uns und unserer Arbeit“
Katja Vogel ergänzt: „Wir haben jetzt einen Hundezwinger angebaut, werden unsere Auszubildende übernehmen. Personell kommen wir über die Runden. Unser Kleintierhaus liegt uns sehr im Magen. Das haben wir zigfach renoviert, versucht, es zu retten. Wenn es tatsächlich mit einem Neubau losgeht, werden wir versuchen, es irgendwie abzustützen. Alles wird nur noch so angeschafft, dass wir es übernehmen können. Die Aussicht, dass alles besser wird, motiviert natürlich sehr. Es geht jetzt vorwärts. Die Ämter vertrauen uns und unserer Arbeit, wir arbeiten super zusammen.“
Im zweiten Quartal wird sich die Verbandsversammlung das nächste Mal treffen, dann dürfte es detaillierte Neuigkeiten zum Neubau geben. Und neue Mitglieder. Denn Kaltenkirchens neuer Bürgermeister Stefan Bohlen und Norderstedts künftige Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder werden 2024 nachrücken für Hanno Krause und Elke Christina Roeder. Bohlen hat sich bereits zu einem Besuch im Tierheim angekündigt, auch Schmieder wird mit Sicherheit eine Einladung bekommen.