Kreis Segeberg. Bahnunternehmen steht in der Kritik, weil Züge ausfallen. Wie Geschäftsführer Matthias Meyer das Problem lösen will.
Immer wieder kommt es bei der AKN kurzfristig zu Ausfällen von Zügen. Woran liegt das?
Ein wesentlicher Grund für die kurzfristigen Ausfälle ist der Mangel an Triebfahrzeugführenden, kurz Tf. Dadurch können insbesondere kurzfristige Krankheitsfälle oft nicht vollständig kompensiert werden, sodass Schichten ausfallen und wir auf Schienenersatzverkehr ausweichen müssen. Wir intensivieren sowohl die Rekrutierung und Ausbildung neuer Tf, jedoch dauert der Prozess von der Auswahl bis zum Abschluss der Ausbildung über ein Jahr. Zudem sind am Markt fertig ausgebildete Tf nicht verfügbar und selbst bei einer Einstellung sind zusätzlich bis zu drei Monate für die Schulung auf spezifische Fahrzeuge und Betriebsverfahren notwendig. Seit der Coronapandemie kämpfen wir regelmäßig mit Krankmeldungen, was die Engpässe verstärkt. Neben Personalengpässen können in Einzelfällen auch Fahrzeug- oder Signalstörungen sowie sonstige unvorhergesehene Ereignisse zu kurzfristigen Zugausfällen führen.
Was unternimmt die AKN, damit möglichst alle Züge fahren, und zwar pünktlich?
Wir setzen aktuell alles in Bewegung, was möglich ist, sowohl bei den kurzfristigen und sofort greifenden Maßnahmen als auch auf lange Sicht, um die Zuverlässigkeit unseres Fahrplans zu verbessern. Es liegt uns am Herzen. Unsere Fahrgäste sollen ihre Fahrten besser planen können. Viele von ihnen sind als Pendler und Pendlerinnen auf die AKN angewiesen. Wir sind hier in der Pflicht, ihr Vertrauen in uns und den Öffentlichen Personennahverkehr, kurz ÖPNV, in unserer Region nicht zu verspielen. Es tut uns weh, dass wir den Service, den wir bieten möchten, nicht immer umsetzen können. Im September haben wir unseren Ersatzfahrplan angepasst, um die Dynamik bei Zugausfällen besser vorherzusehen und die Planungssicherheit für die Fahrgäste zu stabilisieren.
AKN-Chef: „Dürfen Vertrauen in den ÖPNV nicht verspielen“
Unserer Recruiting-Kampagne für Triebfahrzeugführende „Folge dem Lokruf“ die wir Ende des Sommers über alle Kanäle gespielt haben, hat viele Interessenten und Interessentinnen angezogen. Über 250 haben sich gemeldet. Das ist viel mehr als wir uns erhofft hatten. Seitdem haben unzählige Bewerbungsgespräche stattgefunden mit dem Resultat, dass wir mit zwei Ausbildungskursen starten können. Der erste geht bereits im Dezember mit 15 Teilnehmenden los, ein weiterer Kurs im ersten Quartal 2024. Diese Aktivitäten zeigen jedoch erst nach einiger Zeit greifbare Ergebnisse, sie sind jedoch ein sehr gutes Investment in die nahe Zukunft.
Warum werden ausgefallene Züge nicht grundsätzlich durch Busse ersetzt?
In der Regel werden bei der AKN alle ausgefallenen Züge durch Busse ersetzt, um den Fahrgästen auch bei Zugausfällen eine alternative Beförderungsmöglichkeit zu bieten. Wenn jedoch ein Zug sehr kurzfristig ausfällt, ist es oftmals nicht möglich, rechtzeitig einen Ersatzbus bereitzustellen. Die Organisation und Koordination eines Schienenersatzverkehrs, kurz SEV, benötigen immer eine gewisse Vorlaufzeit. In Fällen, in denen ein SEV-Bus während seiner Fahrt vom folgenden regulären Zug überholt wird, kann es effizienter sein, auf den Einsatz des Busses zu verzichten, da der Zug die Fahrgäste schneller an ihr Ziel bringt.
Die Zahl der Busse und Fahrer für den SEV ist begrenzt
Ein weiterer Grund ist die begrenzte Verfügbarkeit von Bussen am Markt: In vielen Branchen, einschließlich des öffentlichen Verkehrssektors, gibt es akut einen Mangel an Fachpersonal. Dies betrifft insbesondere Busfahrer und Busfahrerinnen in Regionen wie Hamburg, in denen der Markt für Busse und qualifizierte Fahrer und Fahrerinnen sehr eng ist. Durch viele Baustellen gibt es flächendeckend einen erheblichen SEV-Bedarf. Dies kann dazu führen, dass in manchen Situationen schlicht keine Busse oder Fahrer zur Verfügung stehen, um den SEV zu gewährleisten. Die Kombination der Faktoren hat zur Folge, dass trotz des großen Engagements unserer Disposition, Züge grundsätzlich durch Busse zu ersetzen, in der Praxis immer wieder Ausnahmen auftreten können.
Was raten Sie Ihren Fahrgästen, die sich vor Beginn einer Fahrt vor unangenehmen Überraschungen schützen wollen?
Auf der AKN Homepage bieten wir über den AKN-Ticker laufend aktualisierte Informationen zu unseren Fahrplänen und etwaigen Betriebsstörungen. Zusätzlich steht unser Service-Telefon unseren Fahrgästen 24/7 für Fragen zur Verfügung. Wir empfehlen dazu unbedingt die HVV-App. Die App ist ein effektives Werkzeug, um aktuelle Informationen über Fahrpläne, Verspätungen und Störungen in Echtzeit zu erhalten. Bei sehr kurzfristigen Störungen kann es vorkommen, dass die Informationen zeitverzögert in der HVV-App oder auf der Homepage erscheinen. Daher ist es ratsam, bei der Reiseplanung auch eventuelle unvorhergesehene Verzögerungen einzukalkulieren.
Darum dauern die Bauarbeiten für die S21 drei Jahre länger
Muss die AKN wegen der Ausfälle Zahlungen des Landes zurückerstatten? Wenn ja, wie hoch ist die Summe bislang in diesem Jahr und wie hoch war sie 2022?
Ja, die AKN entrichtet Zahlungen an das Land bei Ausfällen, dazu sind wir verpflichtet. Diese Regelungen sind Teil unseres fortlaufenden Engagements, einen zuverlässigen und effizienten Service zu gewährleisten und gleichzeitig unsere Verpflichtungen gegenüber den staatlichen Behörden zu erfüllen. Aus Gründen der Vertraulichkeit und aufgrund laufender finanzieller Bewertungen können wir derzeit keine Vertragsdetails bereitstellen.
Zur S-Bahn nach Kaltenkirchen: Warum verzögern sich die Bauarbeiten um drei Jahre bis ins Jahr 2028?
Die Bauzeit der S-Bahn nach Kaltenkirchen verlängert sich von ursprünglich vorgesehen 2025 auf Ende 2028. Der Hauptgrund für die Verzögerung ist die Fertigstellung des zentralen Umrichterwerks, das die Hauptenergiequelle für die S-Bahn darstellt. Die für den Betrieb unabdingbare Anlage kann aufgrund der Lieferzeiten von Großkomponenten von bis zu drei Jahren für zum Beispiel. Trafos und Umrichter nicht vor Mitte 2028 fertiggestellt werden. Diese erheblichen und leider vorab nicht absehbaren Verzögerungen sind hauptsächlich auf die Auswirkungen der Covidpandemie und den Krieg in der Ukraine zurückzuführen, die zu Beeinträchtigungen der globalen Lieferketten geführt haben, nicht nur im Baubereich.
AKN: Probleme beim Bau der S-Bahn waren nicht absehbar
Des Weiteren ist für die Umstellung auf den S-Bahn-Betrieb ein umfassender Austausch der Technik in allen fünf Stellwerken entlang der Strecke von Eidelstedt nach Kaltenkirchen erforderlich. Die Integration dieser neuen Technik erfordert zusätzliche Zeit, die den ursprünglich geplanten Bauablauf verzögert. Ein weiterer kritischer Punkt sind die Herausforderungen im Bauwesen. Für den Bau der Oberleitungen konnten in den Ausschreibungen aufgrund der aktuellen schwierigen Marktsituation in der Baubranche mit Großprojekten keine erfahrenen Planungsbüros gefunden werden. Hinzu kommen ebenfalls Lieferschwierigkeiten bei den benötigten Materialien für die Oberleitungen und Kapazitätsengpässe bei den Baufirmen. Entgegen den Planungen konnten wir in der ersten Bauphase keine Oberleitungen installieren, was in der dritten Bauphase nachgeholt werden muss und eine erneute Sperrung des Streckenabschnitts Burgwedel-Ellerau bedingt.
Waren diese Probleme schon länger absehbar?
Nein, die Probleme, mit denen wir konfrontiert wurden, waren nicht vorhersehbar. Unsere bisherigen Erfahrungen mit Lieferzeiten deuteten darauf hin, dass wir für Großkomponenten lediglich mit einer Lieferzeit von einem Jahr rechnen mussten. Die Schwierigkeiten bei der Suche nach einem geeigneten Planungsbüro waren unerwartet und ließen sich nicht im Vorfeld erkennen. Zudem wurde die Notwendigkeit für neue Stellwerke erst im September 2022 offenkundig, was ebenfalls nicht vorhergesehen werden konnte. Bei allen komplexen Bauprojekten ergeben sich bei der Umsetzung Herausforderungen, die es notwendig machen, Abläufe umzuplanen und die Bauzeit gegebenenfalls anzupassen. Die aktuelle Situation am Markt, bedingt durch die geopolitische Lage, ist jedoch eine Herausforderung, die neu ist in der Art und Weise, wie sie unsere strategischen und operativen Handlungsmöglichkeiten beeinflusst.
Chef der AKN: „Den Frust der Fahrgäste verstehen wir sehr gut“
Können Sie garantieren, dass es beim Jahr 2028 bleibt?
Wir setzen alles daran, das Zieljahr 2028 für die Inbetriebnahme einzuhalten. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass es Risiken gibt, die nicht vollständig in unserer Hand liegen und somit unsere Planung beeinflussen könnten. Wir sind dabei, diese Risiken zu managen und zu minimieren, doch eine absolute Garantie kann unter diesen Umständen von niemandem gegeben werden. Wir stehen immer bereit, um Einzelheiten zu den spezifischen Risiken zu erläutern, falls dies gewünscht wird. Unser Fokus, und damit meine ich alle an der Planung und Umsetzung des Projekts beteiligten Akteure, liegt darauf, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um den Zeitplan einzuhalten und die Inbetriebnahme im Jahr 2028 zu realisieren.
Landesregierung plant Expresszug ab Norderstedt-Mitte
Immer wieder kommt es zu Beschwerden, weil wegen der Streckensperrungen Fahrgäste auf Busse umstiegen müssen. Können Sie den Frust verstehen?
Allerdings, den Frust verstehen wir nur zu gut. Es ist vollkommen klar, dass die Streckensperrungen und die daraus resultierende Notwendigkeit, auf Busse umzusteigen, zu Frustration unter unseren Fahrgästen führen können. Diese Situation ist für alle Beteiligten nicht ideal. Wir arbeiten intensiv an Lösungen, um die Beeinträchtigungen für die folgenden Bauphasen zu minimieren. Der ÖPNV muss attraktiv sein. Derzeit laufen die Planungen für die Sperrpausen ab September 2024, und wir berücksichtigen gezielt Möglichkeiten, den Bauablauf zu optimieren. Unser Ziel ist es, die Anzahl und Dauer der Vollsperrungen zu reduzieren. Wir setzen alles daran, die Auswirkungen für unsere Fahrgäste so gering wie möglich zu halten und bedanken uns an dieser Stelle für ihr Verständnis und ihre Geduld in dieser herausfordernden Zeit.
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Wann fährt der Expresszug von Norderstedt-Mitte nach Neumünster?
Der Antrag wird aktuell vom Land abgestimmt. Sobald es spruchreif ist, werden wir darüber informieren. Es ist kein Geheimnis, dass wir das Projekt gerne umsetzen möchten.
Kollidieren die Planungen dafür mit Überlegungen der Stadt Norderstedt, den Verkehr der U-Bahn von Norderstedt-Mitte bis in den Norden der Stadt auszubauen? Wie bewerten Sie diese Idee?
Wir kennen und verfolgen die Entwicklungen bei diesem Projekt aufmerksam. Gleichzeitig liegt unser Hauptaugenmerk derzeit auf der Umsetzung unseres Großprojekts S5/S21 und der Realisierung des Expresszugkonzepts. Diese Priorisierung entspricht der aktuellen Ausrichtung und den Schwerpunkten der AKN, die auch von den Ländern geteilt werden. Es ist uns wichtig, diese Kernprojekte effektiv voranzutreiben und gleichzeitig die Entwicklungen anderer Projekte im Auge zu behalten, um eine ausgewogene und zukunftsorientierte Verkehrs- und Infrastrukturpolitik zu gewährleisten.