Norderstedt. Früher war Mashood Khan Intensivtäter. Nun dreht er an seiner alten Schule einen Film, der junge Kriminelle wachrütteln soll.
Als Jugendlicher gehörte Mashood Khan einer Straßengang in Norderstedt an, war Intensivtäter. Auf der Hauptschule Falkenberg blieb er zweimal sitzen, in der 8. Klasse flog er ohne Abschluss von der Schule. „Ich habe massiv den Unterricht gestört“, erinnert sich Khan. Damals musste er Ritalin nehmen. Das Medikament sollte ihn ruhig stellen. „Ich musste die Tablette vor dem Direktor schlucken, erst dann durfte ich in die Klasse“, sagt Khan. Doch er wurde nicht ruhig – sondern depressiv. Und alles wurde noch schlimmer.
Heute, rund 20 Jahre später, betritt Mashood Khan zum ersten Mal wieder seine alte Schule. Inzwischen trägt sie einen anderen Namen, heißt Gemeinschaftsschule Harksheide. Das Gebäude hat sich verändert, doch die Gänge erkennt der 35-Jährige wieder. „Es fühlt sich gut an – weil ich jetzt hier bin und einen Abschluss habe“, sagt Khan. Er, der alle Schulabschlüsse nachgeholt hat und heute als Sozialpädagoge arbeitet, ist gekommen, um Szenen für sein neues Filmprojekt zu drehen. Der Titel: „Zurück ins Leben“.
Kurzfilm handelt von syrischem Flüchtling Jamal
Der Kurzfilm, der etwa 30 Minuten dauern soll, erzählt die Geschichte von dem 15-jährigen Jamal. Seine Eltern sind mit ihm aus Syrien geflüchtet, um ihrem Sohn ein besseres Leben zu ermöglichen. Nun wohnen sie in Norderstedt. Doch Jamal verbringt zu viel Zeit auf der Straße, ist auf der Suche nach seiner Identität und wird, zum Leidwesen seiner Eltern, kriminell. Erst ein schwerer Schicksalsschlag öffnet ihm die Augen.
Das Drehbuch hat Mashood Khan geschrieben – das ist ihm nicht schwergefallen, denn in den Grundzügen erzählt er seine eigene Lebensgeschichte. Auch er kam mit seinen Eltern von Pakistan nach Norderstedt. Als Jugendlicher ist er damals mit zwei Kulturen aufgewachsen, wusste nicht, wohin er gehört und wer er ist. „Als ich 1998 Pakistan besucht habe, hieß es nur: ,Der Deutsche ist da.‘ Aber zurück in Hamburg war ich wieder der Ausländer.“
Botschaft: Familien leiden, wenn Kinder kriminell werden
Auf seiner Identitätssuche geriet Khan auf die schiefe Bahn, wurde polizeibekannt. Doch nach dem plötzlichen Tod seines Vaters, der mit nur 47 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, veränderte er alles. Er wollte endlich seine Eltern stolz machen.
Mit seinem Film möchte der Sozialpädagoge, der auch als Rapper und Schauspieler bekannt ist, eine wichtige Botschaft an die Jugendlichen senden, die von ihrem Weg abgekommen sind. Sie sollen sehen, wie sehr ihre Familien zu Hause leiden, wenn sie kriminell werden. „Wir wollen Jugendliche zum Nachdenken bringen“, sagt Khan. Er will, dass sie sich die Frage stellen: „Wie geht es meiner Mutter, wenn ich nachts auf der Straße bin?“
Gedreht wird mit Schülern der Gemeinschaftsschule Harksheide
Hauptdarsteller in „Zurück ins Leben“ ist Ali Reza Haidari, er spielt Jamal. „So schlimm wie der Protagonist bin ich aber nicht“, sagt der 19-Jährige und lacht. Identifizieren kann er sich mit der Geschichte dennoch. Seine Filmfreunde Viktor und Kevin werden von Daniel Schmidt und Tom Marcinkowski gespielt. Alle drei haben keine Schauspielerfahrung. Sie wurden Mashood Khan über Bekannte empfohlen.
In der Gemeinschaftsschule Harksheide drehen sie eine Szene gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern einer 9. Klasse. Ihnen und ihrer Lehrerin werden spontan Rollen zugeteilt, sie dürfen sogar mitreden, was im Film passieren soll. Nicht jeder Dialog steht bis ins kleinste Detail im Drehbuch. Das ist Mashood Khan wichtig. „Wir haben bewusst Lücken gelassen, damit die Schüler ihre Ideen einbringen können“, sagt er.
Im Februar soll Film Premiere feiern
Im September hat das Team mit den Dreharbeiten begonnen. Weitere Spielorte sind unter anderem die Polizeistation in Norderstedt-Mitte, ein Hinterhof von Autoverwerter Kiesow und natürlich dunkle Straßen, wo sich ein Großteil des Lebens der Jugendlichen abspielt. Im Februar soll der Film zum ersten Mal ausgestrahlt werden. Dann soll er bundesweit Schulen und Jugendgefängnissen zur Verfügung gestellt und in Cinemotion-Kinos wie dem „Spectrum“ in Norderstedt gezeigt werden.
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Unterstützt wird Khan unter anderem von Wolfgang Banse, der früher Polizist in Norderstedt war, Kameramann Saleem Maqbool, der normalerweise als Lehrer in Hamburg tätig ist, und Co-Produzent Djurdje Simeunovic. Mit ihm ist Khan früher zur Hauptschule Falkenberg gegangen. „Wir kennen uns seit 30 Jahren, wir sind zusammen groß geworden. Ich war damals Schulsprecher und Mashood ist von der Schule geflogen“, sagt Simeunovic, heute mit einem Grinsen.
Als die Dreharbeiten fast beendet sind, wird Mashood Khan von einer Frau angesprochen, die schon lange als Reinigungskraft an der Schule arbeitet. „Sie hat mich erkannt. Sie hat zu mir gesagt: ,Gut, was du jetzt machst. Ich bin stolz auf dich‘“, berichtet er. Und ja, stolz, was er aus seinem Leben gemacht hat, ist er auch.