Norderstedt. Die Einkaufsmeile in Norderstedt-Mitte gibt es seit fast 40 Jahren, keine Ladenfläche ist leer. Das Abendblatt hat sich vor Ort einmal umgehört.
Leerstand ist eines der großen Probleme in Einkaufszentren und Innenstädten deutschlandweit. Aktuelle Beispiele aus der Region: das Shopping-Center CCU in Henstedt-Ulzburg und die Pinneberger Innenstadt. Ganz anders ist es in der Moorbek-Passage in Norderstedt-Mitte. Jede freie Fläche ist hier vermietet, die Passage wird von Kunden gut angenommen. Viele Mieter, wie etwa der Optiker „Die rosarote Brille“ oder das Reisebüro „Meridiana Reisen“, sind seit Jahrzehnten hier. Was ist das Erfolgsgeheimnis der Passage?
Thomas Will möchte erst einmal klarstellen, dass es sich bei der Passage nicht etwa um ein Einkaufszentrum, sondern um einen „Nahversorger“ handelt. Will ist Quartiersmanager von Norderstedt-Mitte und auch seit fast 20 Jahren, mit seiner Agentur atw, Werbeberater der Passage. Eingeweiht wurde sie im Jahr 1984, als Norderstedt-Mitte noch in weiten Teilen aus grünen Wiesen bestand. Sie gehört einer Grundstücksgesellschaft, die wiederum im Besitz von drei Norderstedter Familien ist.
Die Corona-Krise sei die „größte Herausforderung“ für die Passage gewesen in den vergangenen 39 Jahren, sagt Thomas Will. Aber die habe man „bestens überwunden“, es handele sich um eine „gut aufgestellte Passage in einem Superzustand.“ Selbstverständlich sei das nicht. Sein Unternehmen habe schon diverse andere Passagen betreut, in denen das „anders aussah.“ Was also funktioniert bei der Moorbek-Passage, was anderswo vielleicht nicht klappt? Bei der Suche nach Gründen haben wir mit Thomas Will, Mietern und Kunden gesprochen.
Grund Nummer 1: die Mischung
Ein großer Erfolgsfaktor ist wohl die besondere Mischung der Mieter. Es gibt drei Supermärkte, für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel: Am östlichen Ende befindet sich Edeka S. Lätsch, am westlichen Ende Aldi. Neu hinzugekommen in der Passage ist dieses Jahr die erste Norderstedter Filiale von Denn‘s Biomarkt. Dazu sagt Renald Feil, Inhaber des Reisebüros Meridiana Reisen, seit 1987 in der Passage: „Das war eine wichtige Erweiterung unserer Palette, der Markt zieht noch mal eine andere Kundengruppe an.“
Auch das Moorbek-Café sei ein wichtiger Anziehungspunkt, „ein Treffpunkt für viele“, so Feil. Und dann ist da auch, mit Lenci‘s Restaurant, ein weiteres gastronomisches Angebot. Auch einen Friseur, ein Nagelstudio sowie einen Schuh- und Schlüsseldienst findet man in der Passage. Und dann sind da natürlich die Fachärzte in der ersten Etage. „Die führen viele Patienten ins Quartier Norderstedt-Mitte“, sagt Thomas Will.
Wartezeit kann dann mit Einkäufen überbrückt werden. Praktisch ist das Angebot einer Kinderarztpraxis. Die Eltern bekommen bei Ankunft in der Praxis einen Bieper und können erstmal wieder gehen beziehungsweise etwas in der Passage essen oder einkaufen. Wenn das Kind dran ist, gibt der Bieper ein Signal.
Grund Nummer 2: die Nähe der Wohngebiete und der Arbeitsorte
Die Moorbek-Passage ist umgeben von Wohngebieten, in den vergangenen Jahrzehnten kamen immer mehr dazu. „Das ist eine gute soziale Durchmischung, da hat die Stadtverwaltung wirklich gut gearbeitet“, sagt Renald Feil. Außerdem arbeiten viele Menschen in der direkten Nähe – etwa in der Stadtverwaltung, bei den Stadtwerken und im Amtsgericht.
Viele Mieter haben deshalb einen großen Anteil von langjährigen Kunden, das trägt zu einem besonderen Miteinander bei. „Wir haben mehr als 80 Prozent Stammkunden. Manche sind als kleine Kinder mit ihren Eltern hergekommen, irgendwann stehen sie dann mit ihrer Freundin bei uns im Reisebüro“, sagt Renald Feil.
Volkan Yaman, Inhaber des Schuh- und Schlüsseldienstes Yaman, sagt: „Die meisten unserer Kunden wohnen hier. Es ist definitiv eine familiäre Atmosphäre.“ Annegret Schwalba ist gerade bei Yaman im Geschäft. Sie bestätigt das: „Ich wohne hier, mein täglicher Gang führt mich in die Moorbek-Passage. Es ist nett, übersichtlich, was wir brauchen, finden wir hier.“
Niklas Hartlev arbeitet seit April bei „Mein Friseur Meinecke“ in der Passage. Er sagt: „Das ist ein sehr angenehmes Arbeiten hier. Die Leute sind nicht so gehetzt, immer sehr freundlich.“ Ähnlich klingt Maike Görges, die seit August bei Meridiana Reisen arbeitet: „Es ist schon sehr familiär hier, das macht es aus. In Hamburg ist alles eher anonym.“
Nurten Demir ist seit 2004 im Moorbek Café tätig, ist mittlerweile Mitinhaberin des Familienbetriebs. „Wir haben viele Stammkunden, aber auch Laufkundschaft“, sagt sie. Seit fünf Jahren habe man stetig mehr Kundschaft. „Man merkt, dass Norderstedt sich entwickelt hat“, sagt sie. Und ergänzt das um eine weitere Beobachtung: „Die Lebenslust der Leute ist gestiegen.“
Grund Nr. 3: der Service
Die Nähe zu den Stammkunden prägt das Geschäft – und sorgt auch dafür, dass Service großgeschrieben wird. So sagt etwa Nurten Demir: „Wir bieten die Bedienung am Tisch an. Das ist gerade für viele ältere Leute wichtig, die zum Frühstück oder zum Kaffee herkommen.“
Für Renald Feils Betrieb ist Service geradezu eine Überlebensgarantie. Denn Reisebüros bekamen bekanntlich vor 20, 25 Jahren eine sehr bedrohliche Konkurrenz mit den Buchungsplattformen im Internet. Viele Kunden nahmen die Sache fortan selbst in die Hand, viele Büros verschwanden aus dem Stadtbild. Meridiana Reisen ist immer noch da. Und Feil stellt auch eine Trendwende fest: „Die Wertigkeit des stationären Reisebüros hat wieder enorm zugenommen. Viele Menschen möchten einfach die Beratung vor Ort, einen Ansprechpartner, den sie kennen und dem sie vertrauen.“
Meridiana Reisen hat natürlich auch eine Webseite, über die auch gebucht werden kann. Aber das sei nachrangig, wie Feil sagt. „Die Kunden informieren sich eher über die Webseite, rufen dann an und wir machen einen persönlichen Termin. Manche Wünsche lassen sich eben nicht online realisieren, zum Beispiel, was die Absicherung bei Ausfällen anbetrifft.“
In punkto Service weist Thomas Will auf ein besonderes Angebot hin, nämlich die Lieferung der Einkäufe per Lastenfahrrad. „Wir haben das seit 2018 und es wird sehr gut angenommen. Gerade für ältere Kunden ist das wichtig.“ Die müssen zwar noch immer zum Einkaufen in die Passage kommen. Aber sie müssen die Waren nicht mehr selbst nach Hause tragen. Im Radius von vier Kilometern liefert sie der Fahrer des Lastenrades.
Grund Nummer 4: die Parkplätze
Wer in der Moorbek-Passage einkaufen will und mit dem Auto kommt, kann zwei Stunden lang kostenlos parken. Es gibt Parkplätze in der Tiefgarage und hinter dem Aldi-Markt. „Das ist sehr wichtig für uns Mieter“, sagt Renald Feil. „Kostenlos parken, wo können Sie das heute denn noch?“. Auch Thomas Will sieht in den Gratis-Parkplätzen einen wichtigen Pluspunkt der Passage.
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Aber vielleicht trägt auch der öffentliche Nahverkehr seinen Teil bei. Die U-Bahn-Station Norderstedt-Mitte ist schnell zu Fuß erreichbar, hier fährt die U1 in dichter Taktung nach Hamburg, die AKN bindet Norderstedt-Mitte Richtung Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen an. Der ZOB, Knotenpunkt für viele Busverbindungen, ist direkt an der U-Bahnstation Norderstedt-Mitte.
Grund Nummer 5: Musik, Basare, Verlosungen und mehr
Thomas Will betont, dass nicht zuletzt „regelmäßige Aktionen und Events“ zum Erfolg der Passage beitragen. So fand kürzlich ab der Moorbek-Passage ein Laternenumzug statt, es läuft eine Weihnachtsverlosung und als Nächstes steht der Lions-Weihnachtsbasar an, am 2. Dezember. Events ziehen sich durch das ganze Jahr und haben Tradition, wie etwa der Oldie-Frühschoppen, den es schon seit mehr als 35 Jahren gibt. Der Rock n‘ Roll-Musiker Heppo Steel zieht Jahr für Jahr ein treues Publikum an. Und dann gibt es ja auch noch Gesundheitstage, Tischkicker-Turniere und mehr.
Nächstes Jahr steht der 40. Geburtstag der Passage an, das soll natürlich auch gefeiert werden. Es werde „ein vielseitiges Rahmenprogramm mit Künstlern, einer Verlosung und tollen Aktionen geben“, kündigt Thomas Will an.