Norderstedt. Peter Holle verlässt nach 15 Jahren die Kommunalpolitik: gesundheitlich angeschlagen, ernüchtert und mit mahnenden Worten.
Peter Holle hört auf. Er will nicht mehr. Es macht ihm keinen Spaß mehr. Und ja, er ist verletzt, enttäuscht und ernüchtert. Und es ist gut, dass er darüber öffentlich redet. Holle wird am Dienstagabend in der Norderstedter Stadtvertretung als Fraktionschef der CDU seinen Rücktritt aus diesem Amt und seinen Rückzug aus der Kommunalpolitik erklären.
Nur einem sehr kleinen Kreis an Leuten hat er vor der Sitzung seine Entscheidung mitgeteilt. Bewusst wollte er seine persönliche Befindlichkeit aus dem Wahlkampf um das Oberbürgermeisteramt heraushalten. „Denn mein Rückzug hat nun wirklich gar nichts mit der Niederlage unseres Kandidaten Robert Hille zu tun oder mit der Wahl von Katrin Schmieder“, sagt Holle im Gespräch mit dem Abendblatt am Donnerstag letzter Woche.
Der Stress in der Politik machte ihn krank
Es ist ihm bewusst, dass er das noch dreimal wiederholen könnte, und jene Leute da draußen, jene mit viel Meinung und wenig Ahnung, die nur noch glauben und nicht mehr wissen wollen, die werden ihm das so oder so nicht abnehmen. Sei’s drum, geschenkt. Von jetzt an macht sich Peter Holle nur Gedanken um seine Gesundheit, seine Familie und sein persönliches Glück. Und versucht, seinem Frust über den Verfall der politischen Kultur in der Stadt und in der Gesellschaft im Allgemeinen jenen Raum in seinem Kopf zu nehmen, den er viel zu lange forderte.
So lange, bis es ihn krank machte. „Ich bekam plötzlich Herpes Zoster, landläufig besser bekannt als Gürtelrose, am Oberkörper und am Rücken“, sagt Holle. Entzündete Nerven verursachen üble Schmerzen. Bei Holle über vier Wochen. Er stopfte Medikamente in sich hinein und bekämpfte das Virus. Und es zog sich zurück. Doch dann wurde es noch schlimmer.
Konzentration auf Familie und Beruf
„Ich war jeden Tag völlig erledigt, konnte mich kaum noch aus dem Bett zwingen, geschweige denn zu einer Ausschusssitzung ins Rathaus“, sagt Holle. Die Ärzte untersuchen ihn und sind zunächst ratlos. „Ich dachte: Das ist ein Burn-out, die Symptome waren für mein Dafürhalten genau dieselben.“ Doch dann zeigt sich: Herpes Zoster wurde von einem Verwandten beim Wüten in Holles Körper abgelöst. Das Epstein-Barr-Virus schwächte ihn. Es ist Auslöser für das Pfeiffersche Drüsenfieber, es soll Multiple Sklerose und viele Krebserkrankungen begünstigen.
Mitten im OB-Wahlkampf liegt Holle darnieder und hat viel Zeit zum Nachdenken. „Ich habe ein glückliches Familienleben mit meiner Frau und meiner Tochter. Ich habe keine belastenden Probleme in meinem Job, ich mache ihn gerne. Ich musste mir eingestehen, dass es die ehrenamtliche Arbeit in der Kommunalpolitik ist, die mir die Kraft geraubt hatte.“
Spaß an der Gestaltung der Stadt Norderstedt
Holle ist seit 15 Jahren in der Norderstedter Kommunalpolitik tätig, seit fünfeinhalb Jahren in der Funktion als Fraktionschef der CDU, der größten Fraktion in der Stadtvertretung. „Es machte mir früher sehr viel Spaß, bei der Gestaltung der Stadt mitzuwirken. Entscheidungen für die Bürgerinnen und Bürger zu treffen, die Norderstedt besser machen“, sagt Holle. Stadtentwicklung und Verkehrsthemen fand er immer spannend.
Es war ihm egal, dass die Politik gute 30 Stunden die Woche an zusätzlicher Arbeit bedeuteten, neben dem Job, neben dem Familienleben. Wenn sich die meisten Bürgerinnen und Bürger nach dem Feierabend vor dem TV aufs Sofa pflanzen, dann pilgern Holle und all die anderen ehrenamtlichen Politiker aller Fraktionen in die Fachausschüsse der Stadtvertretung und versuchen nach bestem Wissen und Gewissen die parlamentarische Demokratie am Laufen zu halten. Und die Stadt Norderstedt. Denn ohne die Entscheidungen der Politik sind dem Rathaus die Hände gebunden.
Mangelnde Anerkennung wurde hingenommen
Undank ist der Welten Lohn. Ein viel zitierter, abgeschmackter Sinnspruch, der für Holle und viele seiner Kolleginnen und Kollegen in der Stadtvertretung mit einem Lächeln als Wahrheit erduldet wird. „Dass man keine Anerkennung bekommt, daran haben wir uns gewöhnt. Wie man es macht, macht man es falsch“, sagt Holle.
Doch in Teilen der Bevölkerung greife erschreckende Respektlosigkeit um sich. Jede Entscheidung, die nicht passt, wird von Krakeelern mit hasserfüllten Kommentaren auf Internetplattformen bedacht, die von Kommunalpolitikern schwadronieren, die sich nur „unser Geld“ in die Tasche stecken wollten und damit schon unter Beweis stellen, dass sie nicht an Fakten, sondern nur an Hetze interessiert sind.
Doch auch in Parlament und Rathaus habe sich etwas verändert in den letzten Jahren. Da war zum einen das als zerrüttet zu bezeichnende Miteinander (oder sollte man besser Gegeneinander sagen?) zwischen Politik und Verwaltung unter der Führung von Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder. Zum anderen die zunehmende Spannung unter den Volksvertreterinnen und -vertretern im Parlament.
Peter Holle: „Viel Porzellan wurde zerschlagen“
Da sei viel Porzellan zerschlagen worden, sagt Holle. „Zu viele und zu heftige persönliche Anfeindungen. Da wird plötzlich auf einen persönlich eingeschlagen und du weißt gar nicht, wie dir geschieht“, sagt Holle. „Ja, das hat mich negativ berührt, es hat mich persönlich mitgenommen und verletzt.“ Immer mehr Leute könnten demokratisch gefasste Beschlüsse einfach nicht akzeptieren und machten dann den Einzelnen dafür verantwortlich. Er sei von einigen Menschen persönlich enttäuscht worden, sagt Holle – ohne konkret zu werden.
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Politische Lagerkämpfe prägten zuletzt die Arbeit der Stadtvertretung. Dabei ist es umso wichtiger geworden, in einem in viele Parteien zersplitterten Parlament Mehrheiten für Themen zu finden und Koalitionen zu schmieden. „Es kann doch nur um eine Konsensfindung in der Sache gehen, Parteipolitik spielt doch in der kommunalen Arbeit eine untergeordnete Rolle“, sagt Holle.
Viel Verantwortung für ein Ehrenamt
Holle stellt sich auch die Frage, ob das Ehrenamt für die zunehmend komplexen und verantwortungsvollen Aufgaben in der Kommunalpolitik noch die richtige Form ist. „Viele Zusammenhänge sind schwer zu begreifen, die Tragweite der Entscheidungen sind groß. Ich habe vieles davon mit ins Bett genommen, bis es mir den Schlaf raubte“, sagt Holle. Das zermürbe.
„Ich hatte mir auch überlegt, vielleicht nur in zweiter Reihe in der Politik weiterzumachen. Aber dafür habe ich zu viel gemacht bisher. Da kann ich mich nicht zurückhalten.“ Deswegen ist für ihn zum 31. Dezember endgültig Schluss. Es muss jetzt sein und sofort. Holle zitiert den brasilianischen Dichter Mario de Andrade, der sein Gedicht „Meine Seele hat es eilig“ mit dem Satz enden lässt: „Wir haben zwei Leben und das Zweite beginnt, wenn du erkennst, dass du nur eins hast.“
Für Peter Holle wird aus der CDU Norderstedt jemand in die Stadtvertretung nachrücken. Infrage kommen die bürgerlichen Fraktionsmitglieder Darja Suhrbier oder Sabine Fahl. Da Suhrbier sich vornehmlich im Kreistag engagiert, wird wohl Sabine Fahl zum Zuge kommen. Der Fraktionsvorsitz muss neu gewählt werden. Holles derzeitige Stellvertreter sind Gunnar Becker und Doris Grote.