Norderstedt. Beim Vorfall in Norderstedt sei der Tierhalter das Problem. Warum Tierschützer die Eignungsprüfung für alle Halter fordern.
Ein Hund beißt am Sonntag, 8. Oktober, einem joggenden 11-Jährigen in Norderstedt in den Hintern. Der Halter des Tieres kümmert sich weder um den verletzten Jungen, noch hinterlässt er seine Daten, um die Sache zu klären. Ein drastischer Fall des Versagens eines Hundehalters. Und das ruft nun die deutsche Sektion der internationalen Tierschutzorganisation PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) auf den Plan. Sie fordert die Landesregierung zum wiederholten Mal dazu auf, einen Hundeführerschein für Tierhalter in Schleswig-Holstein einzuführen.
Die bekannten Fakten: Laut Polizei war Ort des Geschehens die Straße Harckesheyde in Höhe der Albert-Schweizer-Straße. Der etwa 35-jährige Mann mit grauem Bart führte seinen Hund (den er nach Aussagen des Jungen „Tina“ rief) an der Leine. Unvermittelt biss der Hund zu, als der Junge vorbeilief. Nach der ärztlichen Versorgung des Kindes erstattete der Vater des Jungen am 16. Oktober Strafanzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Unbekannten. Laut Polizei gab es auch am Freitag noch keine Spur oder Meldung zum gesuchten Hundehalter.
Das Problem ist nicht der Hund, sondern der Halter, sagt PETA
„Das Problem liegt meist nicht bei den Hunden selbst, sondern bei ihren Halterinnen und Haltern“, sagt Annika Lewald, Fachreferentin für tierische Mitbewohner bei PETA. „Viele von ihnen haben Schwierigkeiten, das Verhalten, die Signale und die Körpersprache der Hunde richtig zu interpretieren und zu verstehen. Die eigentliche Ursache von Beißvorfällen ist daher in der Unwissenheit der Menschen zu suchen, nicht beim Vierbeiner.“
Ob ein Hund gefährlich sei oder nicht, hänge nicht von der Rasse ab oder seinem Gen-Mix, so Lewald. „Jeder Hund, der falsch gehalten oder schlecht behandelt wird, kann potenziell für Mensch und Tier gefährlich werden.“ Entsprechend fordert PETA die Landesregierung auf, umgehend den sogenannten Hundeführerschein in Schleswig-Holstein einzuführen.
Angeblich sind 68 Prozent der Deutschen für die Einführung der Eignungsprüfung
Der Hundeführerschein sehe vor, dass künftige Halter und Halterinnen bereits vor Aufnahme eines Hundes einen Theoriekurs absolvieren müssen, in dem sie das notwendige Fachwissen über eine tiergerechte Haltung und Aspekte wie Kommunikation und Bedürfnisse von Hunden erwerben. Anschließend folgt für Halter und Hund ein gemeinsames Praxisseminar in einer Hundeschule.
Ein solcher Nachweis könne sicherstellen, dass Menschen, die Hunde halten, fachkundig mit dem Tier umgehen und die Signale des Vierbeiners richtig deuten. Eine funktionierende Kommunikation zwischen Hund und Halter sei unerlässlich, um Beißvorfälle zu verhindern. Laut einer von PETA in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage von August 2023 sprechen sich angeblich 68 Prozent der in Deutschland lebenden Erwachsenen für einen verpflichtenden Hundeführerschein aus.
Niedersachsen hat seit zehn Jahren des Hundeführerschein
Als erstes deutsches Bundesland habe Niedersachsen den Sachkundenachweis für Hundehalter beschlossen – seit Juli 2013 ist der allgemeine Hundeführerschein verpflichtend. Laut einem Bericht des NDR, kann das Landwirtschaftsministerium nach zehn Jahren nicht beziffern, ob Beißattacken durch den Hundeführerschein zurückgegangen sind. Die Resonanz auf die Regelung allgemein sei aber sehr positiv.
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Einige Städte würden verantwortungsbewusste Halter belohnen, so PETA: Wer in München nach dem 1. Mai 2014 einen Hundeführerschein absolviert habe, könne sich ein Jahr lang von der Hundesteuer befreien lassen. In Mannheim gelte eine zweijährige Steuerbefreiung für alle Hunde, deren Halter den Hundeführerschein nach dem 1. Januar 2016 erworben haben.
PETA: Führerschein könnte auch Impulskäufe verhindern
Ein verpflichtender Hundeführerschein habe laut PETA einen weiteren Vorteil: Er könne Menschen, die sich noch nicht ausführlich mit der Hundehaltung auseinandergesetzt haben, von einem eventuellen Impulskauf abhalten. Jedes Jahr würden 80.000 Hunde in deutschen Tierheimen landen, darunter sehr viele Tiere, die unüberlegt angeschafft wurden, teilt die Tierschutzorganisation mit.
Nach eigenen Angaben ist PETA mit über 1,5 Millionen Unterstützenden die größte Tierrechtsorganisation in Deutschland. Sie setze sich durch Aufdecken von Tierquälerei, Aufklärung der Öffentlichkeit und Veränderung der Lebensweise dafür ein, jedem Tier zu einem besseren Leben zu verhelfen.