Norderstedt. Lehrling Lukas Müller (18) ist im dritten Ausbildungsjahr und der vorerst letzte Auszubildende der Bäckerei Wagner.
Bäcker-Lehrling Lukas Müller ist im Kreis Segeberg einer der Letzten seiner Art. Der 18-Jährige ist im dritten Ausbildungsjahr und besucht den vorerst letzten Bäcker-Jahrgang an der Berufsschule in Segeberg. Woran es liegt, dass viele Bäckereien keine Auszubildenden mehr finden – und warum es für das Nachwuchs-Problem keine einfache Lösung gibt.
Lukas Müller entdeckte während der Pandemie das Brotbacken für sich
Für Lukas Müller stand schon lange fest, dass er nach seinem Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (ESA) ein Handwerk erlernen möchte. Er erinnert sich: „Wir waren mit meiner Klasse damals bei einer Berufsmesse. Da war von A bis Z alles dabei, aber nicht ein Handwerk.“ Seine Leidenschaft fürs Backen entdeckte er dann während der Pandemie. In der heimischen Küche fing er an, Brot zu backen. Und so entschied er sich kurzerhand für eine Ausbildung zum Bäcker: „Man kann ja auch fürs Backen bezahlt werden, dachte ich.“
Die Bewerbung von Lukas Müller war bis heute die letzte, die bei Bäckermeister Jan Wagner eingegangen ist. „Wir haben seit Jahren einen massiven Rückgang an Auszubildenden, weil wir es verschlafen haben, die Ausbildung ein bisschen attraktiver zu machen“, sagt der Chef der Bäckerei Wagner, die mehrere Standorte in Henstedt-Ulzburg und Norderstedt hat.
Bäckermeister Wagner bekam in 20 Jahren ganze zwei Bewerbungen
Bevor sein jetziger Geselle, Tristan Lüdemann, bei Wagner die Ausbildung anfing, hat der Bäckermeister 20 Jahre lang nicht ausgebildet. In der Zeit hatte er zwei Bewerbungen, die aber erfolglos blieben: „Der eine Bewerber hat zur Probe gearbeitet, zwei Tage. Nach einem halben Jahr habe ich seine Schuhe weggeschmissen, weil er nicht wiedergekommen ist, ohne etwas zu sagen.“
Was Bäckermeister Wagner erlebt, bestätigen auch die Statistiken: Während im Schuljahr 2017/2018 in Schleswig-Holstein noch 341 angehende Bäcker zur Berufsschule gingen, waren es 2022/2023 nur noch 213. In Segeberg sank die Zahl der Schüler in dieser Zeit von 21 auf neun – davon vier im zweiten Ausbildungsjahr und fünf im dritten Ausbildungsjahr.
Die nächsten Berufsschulen für Bäcker-Lehrlinge sind nun in Lübeck und Elmshorn
Dass es immer weniger Auszubildende gibt, wirkt sich auch auf diejenigen aus, die nun ihre Ausbildung im Bäckerhandwerk beginnen. „Es ist die traurige Realität, dass immer mehr Berufsschulen für Bäcker wegbrechen, mangels Auszubildender“, erklärt Jan Wagner. Er erinnert sich: „Segeberg ist, als Lukas angefangen hat zu lernen, schon mit der Prämisse gestartet, dass das der letzte Jahrgang ist, den sie machen.“
Die nächsten Berufsschulen für Bäcker-Lehrlinge im Kreis Segeberg liegen nun in Elmshorn und Lübeck. Für manche Azubis könnte das in Zukunft noch längere Fahrtzeiten bedeuten. Schon jetzt braucht Lukas Müller aus Henstedt-Ulzburg für den Weg zur Berufsschule weit mehr als eine Stunde, „sofern der Bus kommt und auch der Anschluss“, so der Auszubildende. „Sonst sitzt man irgendwo fest und muss mindestens eine halbe Stunde warten, bis der nächste Bus da ist.“
Ausbildungsvergütung steigt jetzt um bis zu 200 Euro
Ein Grund für die Nachwuchskrise ist auch der bisher vergleichsweise geringe Verdienst während der Ausbildung. Bislang verdienten Auszubildende zwischen 680 Euro und 885 Euro brutto, je nach Ausbildungsjahr. Erst im Juli wurde ein neuer Tarifvertrag verhandelt, der für Lehrlinge zwischen 180 und 200 Euro mehr vorsieht. Dazu kommen 50 Euro Inflationsausgleichsprämie. Das soll auch die Chancen bei der Nachwuchssuche verbessern.
Bäckermeister Wagner gibt zu, „dass man als Lehrling in der Bäckerei nicht gerade Reichtümer verdient.“ Der Gehaltssprung nach der Ausbildung sei jedoch „gar nicht so schlecht“, meint er. Lukas Müller (18) wohnt noch bei seinen Eltern und kommt mit dem Geld daher gut aus – besonders üppig findet er seinen Verdienst aber nicht.
Der Arbeitstag in der Backstube beginnt um 2 Uhr morgens
Vier Tage in der Woche steht Lukas in der Backstube. An einem Tag pro Woche hat er Berufsschule, immer mittwochs. Die Arbeitstage in der Backstube gehen „von zwei Uhr morgens bis fertig.“ Das sei meistens zwischen 11 und 12 Uhr, manchmal aber auch erst um 13 Uhr. „Aber das ist sehr selten, zum Glück!“, kommentiert Lukas Müller.
„Neun Stunden inklusive Pause ist eher die Regel als die Ausnahme“, sagt Chef Jan Wagner. Das sei vor allem dem Personalmangel geschuldet. Wenn er keinen Nachwuchs mehr findet, könne er auch keinen „gesunden Mitarbeiterstamm“ aufbauen, beklagt der Bäckermeister.
Bäckermeister: „Es ist und bleibt die Arbeitszeit, die viele abschreckt“
Aktuell beschäftigt Wagner in den Backstuben in Henstedt-Ulzburg und in Norderstedt jeweils fünf Personen. Immerhin: Auszubildende und Gesellen arbeiten dort sonntags nicht, „außer natürlich, jemand möchte das, weil er die Sonntagszuschläge gebrauchen kann“, so Wagner.
Der Bäckermeister vermutet: „Es ist und bleibt die Arbeitszeit nachts, die viele abschreckt“. Tatsächlich ist es für Lukas schwierig, Freunde zu treffen. „Die haben komplett andere Arbeitszeiten als ich“, sagt er. Es gibt Versuche des Bäckerhandwerks, die Arbeitszeiten für junge Leute attraktiver zu machen. So etwas hält Jan Wagner allerdings in kleinen Städten nicht für umsetzbar.
„Das können Sie in Eimsbüttel machen, aber nicht in Norderstedt“
„Das können Sie in Eimsbüttel machen, aber nicht in Norderstedt“, kommentiert Wagner. Das Brötchen-Geschäft sei nun mal „auf dem Weg zur Arbeit, und das nicht um zehn.“ Um den Personalmangel zu beheben, will Jan Wagner stattdessen Quereinsteiger einstellen. Dazu solle man vor allem Spaß an der Arbeit mitbringen. „Alles andere können wir beibringen“, bekräftigt der Bäckermeister.
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Wie es für Lukas Müller nach der Ausbildung weitergeht? Darüber macht sich der 18-Jährige jetzt noch keine Gedanken. „So, wie ich angefangen habe, mache ich auch weiter – spontan“, sagt der Auszubildende. Erlauben kann er sich das, denn Leute wie er werden weiterhin händeringend gesucht.