Norderstedt. Politik stimmt für Antrag zur Überwachung in Garstedt und in Norderstedt-Mitte. Aber: Verwaltung prüft, ob Beschluss zulässig war.

Bei keinem Thema gehen die Meinungen in Norderstedt derzeit so sehr auseinander wie bei der öffentlichen Sicherheit. Wie unsicher – oder sicher – die Bahnhöfe und deren Umgebungen in Garstedt und dem Herold-Center sowie in Norderstedt-Mitte sind, darüber wird seit Monaten diskutiert, der Streit um die Gefahrensituation und Maßnahmen prägt den laufenden Oberbürgermeisterwahlkampf. Im Hauptausschuss lag nun ein zweites Mal ein Antrag der CDU sowie der Fraktion WiN-Freie Wähler auf dem Tisch – und erhielt eine Mehrheit. Auch FDP und AfD stimmten mit, während SPD und Grüne dagegen waren.

Worum es geht? Die Verwaltung solle „umgehend, jedoch spätestens bis zum 31. Oktober 2023 alle notwendigen Investitionen und Schritte“ vornehmen, um die „neuralgischen Punkte ZOB Garstedt und ZOB Norderstedt-Mitte mit Überwachungskameras auszustatten“, heißt es. Die Polizei soll hierauf einen direkten Zugriff haben. Dazu fordert die Politik, dass ein privater Sicherheitsdienst engagiert wird.

Norderstedt: 20 Kameras an Bahnhöfen – knappe Mehrheit, rechtliche Zweifel

Dieses kurzfristige Vorgehen ist umstritten. „Wir haben das Zeitlimit gesetzt, weil wir nicht wollen, dass es die Verwaltung weiter rauszögert“, sagt Reimer Rathje, Fraktionschef der WiN. Bis Ende Oktober sei es wohl nicht umsetzbar, „aber es muss zeitnah erfolgen“.

Doch es bleibt völlig offen, ob das so kommen wird. Das zuständige Ordnungsamt hat für den kommenden Doppelhaushalt 2024/2025 in seinem Budget zwar die Kosten für die Installation der Kameras ausgewiesen. Demnach seien jeweils zehn Anlagen nötig, um die Bereiche angemessen abzudecken. Das wiederum würde pro Standort rund 80.000 Euro kosten, also insgesamt 160.000 Euro.

Verwaltung: Überwachung mit Kameras kann nicht politisch vorgeschrieben werden

Das Problem hierbei: „Bei einem Auftragsvolumen von über 100.000 Euro ist die Leistung öffentlich auszuschreiben.“ Reimer Rathje argumentiert, man könne die Aufträge teilen. Klar ist: Wenn eine Ausschreibung nötig ist, dann wird es in diesem Jahr keine neuen Kameras mehr geben.

Und mehr noch: Aus Sicht der Stadt ist die Politik nicht einmal befugt, die Kameraüberwachung quasi dem Rathaus vorzugeben. Vielmehr sei so etwas eine hoheitliche Aufgabe, die Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder als Verwaltungsspitze obliegt. Und so wurde im Hauptausschuss bereits angekündigt, dass der Beschluss auf seine Rechtmäßigkeit geprüft werde.

Norderstedt: Verwaltung lässt gesamten Beschluss juristisch prüfen

Das bestätigte auch Andreas Finster, Leiter des Ordnungsamtes, auf Nachfrage: „Wir nehmen eine Prüfung vor. Diese betrifft den gesamten Beschluss. Mehr kann man dazu jetzt noch nicht sagen“, so Finster. „Es geht immer darum, dass ordnungsrechtliche Aufgaben eine Frage der Weisung sind, und die sind vom Land übertragen.“

Im Zweifelsfall, sofern die Prüfung zu einem entsprechenden Ergebnis gelangt, könnte die Oberbürgermeisterin also einen formalen Widerspruch einlegen. So oder so – im nächsten Hauptausschuss am 6. November, zufälligerweise einen Tag nach der Stichwahl um die Nachfolge von Elke Christina Roeder, dürfte es zu Fragen kommen nach dem weiteren Vorgehen.

Straftaten geschehen auch in überwachten Bereichen

„Grundsätzlich kann die Politik nicht bestimmen, dass wir Kameras haben, das kann allein die Oberbürgermeisterin“, meint auch Marc Giese von den Grünen. Er sagt aber genauso: Kameras würden keine Straftaten verhindern, das hätten die Vorfälle in der Haspa-Filiale in Garstedt und auf dem dortigen Bahnsteig gezeigt, wo jeweils bereits Überwachung geschieht.

Dass die Überwachungsbilder bei der Aufklärung helfen, sehen hingegen alle Seiten so. In der Vergangenheit hat die Polizei durchaus bereits auf diese Weise bekannte Gesichter in Videosequenzen identifizieren und Täter ermitteln können.

„Spätestens ab 1. November ein privater Sicherheitsdienst“

Das zweite Thema: Es soll mehr Präsenz gezeigt werden. Hier besagt der politische Beschluss, dass an den Bahnhöfen sowie im Willy-Brandt-Park „spätestens ab 1. November 2023 ein privater Sicherheitsdienst“ eingesetzt werden müsse. Und das zunächst befristet auf sechs Monate. Immer am Freitag und Sonnabend sowie einem weiteren Wochentag solle eine „Doppelstreife mit Hund jeweils in den späten Abendstunden vor Ort sein“.

Polizeiliche Befugnisse hätte die Security nicht, vielmehr ein „Jedermannsrecht“ wie alle anderen Bürger. Was bedeutet: Man darf einen Täter festhalten, sofern dieser unmittelbar bei einem Vergehen erwischt wurde. Und natürlich wäre ein Sicherheitsdienst im Zweifelsfall auch für Zeugenaussagen hilfreich, sagen die Befürworter. Auch hier bevorzugt das Rathaus ein anderes Vorgehen, will lieber den Kommunalen Ordnungsdienst weiter aufstocken. Das ist im Sinne der Politik. Und im Hauptausschuss wurde so auch berichtet, dass bereits Bewerbungsgespräche laufen würden.

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Eher mittelfristig zu sehen ist die kommunale Sicherheitsanalyse. Das Budget für diese Untersuchung (50.000 Euro) wird im kommenden Etat enthalten sein. Eigentlich sollte das die Grundlage für ein Videoüberwachungskonzept sein, da diese das subjektive Empfinden der Bürger (ermittelt durch Befragungen) den objektiven Kriminalitätsdaten für einzelne Bereiche gegenüberstellen würde.

Die Analyse würde über einen längeren Zeitraum laufen, die Rede ist von circa fünf Jahren, inklusive wissenschaftlicher Begleitung. Allerdings muss laut Verwaltung auch diese Dienstleistung erst einmal ausgeschrieben werden.