Norderstedt. Wie die Stadtverwaltung mit Detektiven und intelligenten Containern gegen die Vermüllung an ihren Wertstoffinseln kämpft.
Seit Jahren das gleiche Bild: Müll verteilt sich rund um die Container, in denen die Stadt Elektro-Altgeräte, ausrangierte Textilien, Papier und Pappe sammelt. Die Sammelbehälter sind voll, da schmeißen Müllsünder die Wertstoffe eben daneben. Das Norderstedter Betriebsamt führt einen schier aussichtslosen Kampf gegen die Umweltsünder, die die 17 Wertstoffinseln in der Stadt als Müllhalde betrachten.
Dennoch: Tatenlos nimmt die Verwaltung das nicht hin, sie setzt auf immer neue Gegenmaßnahmen: Seit einigen Monaten sind Füllstandssensoren im Einsatz. Sie messen, wie voll die Sammelbehälter sind und geben die Informationen über die Abfall-App des Betriebsamtes weiter an die Norderstedterinnen und Norderstedter.
Müllsensoren in Sammelcontainern: App zeigt den Füllstand
„Wer die Abfall-App Norderstedt nutzt oder herunterlädt, kann noch zu Hause feststellen, an welcher Wertstoffinsel noch Platz ist. Das spart unnötige Wege, reduziert die Kosten und den Aufwand für die Beseitigung der illegalen Müllablagerungen und trägt zu einer sauberen Stadt bei“, sagte Martin Sandhof, Leiter des Betriebsamtes, als die Sensoren an den Start gingen.
Die Zwischenbilanz fällt positiv aus: „Wir haben grundsätzlich gute Erfahrungen gesammelt mit den Füllstandsensoren. Sie funktionieren in den Wertstoffbehältern für Papier, Pappe und Kartonagen, Elektro-Altgeräte und Alttextilien“, sagt Bernd Olaf Struppek, Sprecher der Norderstedter Stadtverwaltung. Nach den Erfahrungen des Betriebsamtes funktioniert die App einwandfrei.
Müll Norderstedt: Banden stehlen Elektro-Geräte und Textilien aus den Containern
Aber: An einigen Standorten würden Elektro-Altgeräte und Alttextilien gestohlen. Da seien offenbar Banden am Werk. „Die Täter schlagen die Füllstandsensoren mutwillig ab und leeren dann die Container. Die Täter glauben wohl, der Sensor könne Hinweise auf sie geben“ vermutet der Rathaussprecher.
Nach wie vor im Einsatz sind die „Mülldetektive“. Die Stadt hat eine Fachdetektei für Umweltdelikte beauftragt, die Wertstoffinseln zu überwachen und Müllsünder zu ermitteln – mit Erfolg: An vier Tagen stellten die Kontrolleure gleich zu Beginn ihrer Arbeit 49 Verstöße an den Wertstoffplätzen Harckesheyde, Böhmerwald und Falkenbergstraße/Ecke Langenharmer Weg fest.
Wird Müll illegal entsorgt, kann ein Bußgeld von 50 bis 500 Euro fällig werden
Da wurden Sperr- und Hausmüll vor einem Textilcontainer abgestellt, Pappe neben einem überfüllten Papiersammler oder eine Stereoanlage vor dem Elektroschrott-Container. Allerdings ermittelten die Detektive auch Menschen, die versuchten, Kleidung aus einem Textilcontainer zu stehlen. Nicht immer gelang es, den oder die Müllsünder zu ermitteln.
Erwischen die Kontrolleure jemanden, der seinen Abfall achtlos neben die Sammelbehälter oder auch in die Natur schmeißt, rufen sie die Polizei, die dann die Personalien feststellt. Wer wie in diesen Fällen gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die Beamten fertigten Anzeigen wegen „illegaler Müllentsorgung“. Das Bußgeld liegt in der Regel zwischen 50 und 500 Euro.
Illegale Müllentsorgung: Werden manche Fälle nicht verfolgt?
In der Kommunalpolitik hatte sich die Fraktion Wir in Norderstedt/Freie Wähler (Win/FW) des Müllthemas angenommen und selbst Begehungen auf den Wertstoffinseln unternommen. Laut Fraktionschef Reimer Rathje hätten sie dabei viel Vermüllung zu sehen bekommen und von Mitarbeitenden des Betriebsamtes zu hören bekommen, dass diese mögliche Adressen auf achtlos abgestelltem Müll gar nicht mehr notieren und an das Ordnungsamt weitergeben würden – weil die Strafverfolgung oft ausbliebe.
„Wäre das so, entspricht diese Verfahrensweise nicht den Absprachen zwischen Politik und Leitung des Betriebsamtes im Umweltausschuss. Dieser hat sich sehr intensiv und umfassend mit der Wochenend-Vermüllung der Wertstoffinseln befasst“, teilt WiN/FW mit.
2062 Bußgeldverfahren wegen illegaler Müllentsorgung
Die Verwaltung räumte den Zweifel der WiN in ihrer Antwort aus: : Anzeigen über illegale Müllentsorgungen werden vom Ordnungsamt verfolgt und, soweit rechtlich möglich, auch entsprechend geahndet. Seit Januar 2020 habe der Fachbereich Allgemeine Ordnungsaufgaben für das gesamte Stadtgebiet 2062 Bußgeldverfahren wegen illegaler Müllentsorgung geführt.
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Dies betreffe überwiegend die Wertstoffinseln. In einem Einzelfall wurde sogar eine Bußgeldsumme von 2200 Euro festgesetzt. Bei den eingeleiteten Bußgeldverfahren handelt es sich zu 95 Prozent um Anzeigen des kommunalen Ordnungsdienstes. In vier Prozent der Fälle hätten Bürger und Bürgerinnen das Fehlverhalten angezeigt, das restliche Prozent stammt von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Betriebsamts.
Verwaltung prüft Beweisnahme per Videoüberwachung
Zeigen die Gegenmaßnahmen Erfolg, nimmt die Vermüllung an den Wertstoffcontainern ab? „Im Moment bleibt die Vermüllung noch konstant. Das ändert sich voraussichtlich dann, wenn wir auch die Abfuhrlogistik an den Füllstandentwicklungen ausrichten, also die Sammelbehälter umgehend abholen, wenn sie voll sind“, sagt Struppek.
Als zusätzliches Mittel prüfe die Verwaltung die Beweisnahme per Videoüberwachung. Dabei gebe es aber weiterhin datenschutzrechtliche Fragen zu klären. Die Füllstandinformation durch die Sensoren über die App sei erst zu kurz im Einsatz, um den Wirkungsgrad abschätzen zu können.